Lassen sich am Ende gar keine verlässlichen Regeln für ein perfektes Marathontraining formulieren? Ganz so schlimm ist es nicht. Zwar ist der Marathon noch nicht bis ins Letzte wissenschaftlich erforscht, aber immerhin haben schon Millionen von Läufern die 42,195 Kilometer erfolgreich hinter sich gebracht
Die 10 besten Marathontipps – Von Amby Burfoot in RUNNERS WORLD
Wenn man das geballte Expertenwissen und sämtliche kursierenden Weisheiten über das Marathontraining auf den Punkt bringt, kommt man auf zehn praktikable Grundregeln, die jeder Marathonläufer beherzigen sollte
Der Lauftrainer und Sportphysiologe Jason Karp hat 93 Spitzenmarathonläufer und -läuferinnen, die sich mit -einer Zeit unter 2:22 (Männer) beziehungsweise 2:48 Stunden (Frauen) für das US-amerikanische Ausscheidungsrennen für den olympischen Marathonlauf qualifiziert hatten, zu ihrem Trainingsprogramm befragt. Seine Hoffnung, auf diese Weise gängige Formeln für das Marathontraining zu finden, wurde jedoch enttäuscht. Die einzige allgemeingültige Aussage, die sich nach seiner Erhebung treffen ließ, lautet:
Spitzenathleten laufen viel – um die 200 Kilometer in der Woche, drei Viertel davon in lockerem Tempo. Sehr hilfreich ist das nicht. Ansonsten musste Karp feststellen: „In der Vorbereitung der Läufer, die sich für das Ausscheidungsrennen zum Olympia-Marathon qualifiziert haben, gibt es keinerlei Übereinstimmung.“
Lassen sich am Ende gar keine verlässlichen Regeln für ein perfektes Marathontraining formulieren? Ganz so schlimm ist es nicht. Zwar ist der Marathon noch nicht bis ins Letzte wissenschaftlich erforscht, aber immerhin haben schon Millionen von Läufern die 42,195 Kilometer erfolgreich hinter sich gebracht – manche sogar mit einem Kilometerschnitt von unter 3:00 Minuten. Und wenn man sich das Wissen sämtlicher Experten und all die kursierenden Weisheiten über das Marathontraining anschaut, kristallisieren sich folgende Grundregeln heraus.
1. Nicht mehr als nötig
„Achte auf deine Gesundheit!“ lautet nicht nur der beste, sondern wohl auch der am meisten ignorierte Ratschlag fürs Training. Was nützt es, wenn Sie hart trainieren und dann krank werden oder sich verletzen?
Es ist auf jeden Fall sinnvoller, leicht untertrainiert, dafür aber fit und motiviert zu sein, als übertrainiert und ausgelaugt.
2. Das Training langsam aufbauen
Steigern Sie Ihren wöchentlichen Kilometerumfang von Woche zu Woche um höchstens 10 Prozent. Den langen Lauf sollten Sie bis zu einer Gesamtlänge von 15 Kilometern in 1,5-Kilometer-Schritten steigern und von da an in 2-Kilometer-Schritten.
Ein Abschnitt von acht Trainingswochen könnte für einen Marathon-Einsteiger, der einfach nur ankommen will, bezüglich des wöchentlichen Kilometerumfangs folgendermaßen aussehen: 32 – 35 – 38 – 32 – 42 – 45 – 48 – 32.
3. Erholung ist alles
Sie sollten lieber drei- oder viermal pro Woche vernünftig trainieren als sechsmal zu hart. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der University of Northern Iowa. Demnach schnitten Läufer, die viermal pro Woche trainiert hatten, bei einem Marathon genauso gut ab, wie solche, die sechsmal pro Woche trainiert hatten – und das mit einem um 20 Prozent höheren Kilometerumfang.
4. Lange Läufe sind Pflicht
Das versteht sich im Grunde von selbst: Je weniger Marathonerfahrung Sie haben und je langsamer Sie sind, desto wichtiger sind lange Läufe für Sie. Sie müssen sich und -Ihren Körper einfach daran gewöhnen, drei, vier oder noch mehr Stunden durchgehend auf den Beinen zu sein. RUNNER’S-WORLD-Kolumnist Jeff Galloway rät, noch länger zu laufen, dabei jedoch Gehpausen einzulegen.
5. Ans Marathontempo gewöhnen
Für Viktor Röthlin, den besten europäischen Marathonläufer, liegt der Schlüssel dazu in zusätzlichen langen Läufen, die Sie im „progressiven Marathon-Renntempo“ laufen sollten. Ein Beispiel: Laufen Sie sich zunächst
3 Kilometer ein, dann 10 Kilometer mit einer Geschwindigkeit, die 25 Sekunden pro Kilometer über dem Marathon-Renntempo liegt, die nächsten 10 Kilometer in einem Tempo, das 12 Sekunden pro Kilometer über dem Marathon-Renntempo liegt, und die letzten 10 Kilometer im Marathon-Renntempo.
6. Tempodauerläufe ausdehnen
Der Tempodauerlauf wurde Mitte der Sechzigerjahre von Top-Trainern als anstrengender Trainingslauf mit einer Länge von bis zu 10 Kilometern konzipiert. Doch dann trauten sich weltweit immer mehr Athleten und Trainer, die Geschwindigkeit des Tempodauerlaufs immer länger aufrechtzuerhalten – bis sie schließlich auf 20 Kilometer kamen.
Dehnen auch Sie Ihre Tempodauerläufe Stück für Stück aus. Ihre Geschwindigkeit darf dabei mit jedem zusätzlichen Kilometer, den Sie zurücklegen, ein paar Sekunden mehr über Ihrem Marathon-Renntempo liegen.
„Je länger Sie einen Tempodauerlauf durchhalten, desto mehr springt am Ende dabei heraus“, verspricht Joe Vigil, Trainer der US-Marathonrekordlerin Deena Kastor.
7. Her mit den Kohlenhydraten!
Um gesund zu bleiben und optimal zu regenerieren, müssen Sie Ihren Körper effizient versorgen. Dazu sollten Sie erstens schon während eines langen, anstrengenden Trainings eine geringe Menge an Kohlenhydraten in Form von Gel oder Sportgetränken zu sich nehmen. Zweitens sollten Sie möglichst bald nach dem Training eine größere Menge an Kohlenhydraten als feste oder flüssige Nahrung zu sich nehmen. Das ist wichtig, um die Glykogenspeicher in Ihrer erschöpften Beinmuskulatur wieder aufzufüllen.
Achten Sie außerdem auf einen gewissen Eiweißanteil, denn dieser trägt zur Wiederherstellung der Muskulatur bei.
8. Eisen nicht vergessen
Keiner der von Jason Karp befragten Läufer, die sich für das Ausscheidungsrennen qualifiziert hatten, bezeichnete sich selbst als Vegetarier. Zufall? Vielleicht. Aber mit vegetarischer Kost fällt es schwerer, den durch das Schwitzen und den ständigen Aufprall beim Laufen ausgelösten Eisenverlust auszugleichen. Man muss sicher kein Fleisch essen, um ein schneller Marathonläufer zu sein, genug Eisen sollte man aber auf jeden Fall zu sich nehmen.
Lassen Sie am besten während der Marathonvorbereitung noch einmal beim Arzt Ihre Ferritin-Werte bestimmen.
9. Verletzungen vorbeugen
Vor Kurzem habe ich den zweimaligen Olympiateilnehmer (1984, 1988) im Marathonlauf Peter Pfitzin-ger gefragt, was er heute anders machen würde, wenn er noch mal 22 Jahre alt wäre. Er sagte, er würde Übungen zur Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur in seinen Trainingsplan einbauen: „Ich bin überzeugt, dass eine stabile Rumpfmuskulatur dazu beiträgt, dass Läufer bis zum Ende eines Rennens eine gute Haltung und Geschwindigkeit beibehalten können“, sagt Pfitzinger, der jetzt als Leiter der Academy of Sport in Neuseeland arbeitet.
10. Zwei bis drei Wochen Tapering
Viele Läufer hassen die Tapering genannte Reduktion der Trainingsumfänge vor dem Wettkampf. Aber eine Studie der Ball State University (USA) zeigte, dass vor allem die anpassungsfähigen schnellen, aerobischen Muskelfasern vom Typ II a nach einer dreiwöchigen Taperingphase an Kraft zulegen.
Von Amby Burfoot in RUNNERS WORLD