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11
09
2009

Spätestens seit Untersuchungen aus den 20-er Jahren ist bekannt, daß körperliche Belastung den Blutzuckerspiegel im Blut senkt. Dazu ist Insulin notwendig. Ohne Insulin kann die Glucose, der Brennstoff des Körpers, nicht in die Muskelzellen kommen.

Diabetes und Ausdauersport – Beitrag zum 2. Münsteraner Marathon-Medizin-Symposium – PD Dr. med. Anton Gillessen, Münster

By GRR 0

Diabetes und Ausdauersport – Diabetiker können wie Gesunde Sport treiben.

So lautet eine plakative Formulierung aus einer Behandlungsleitlinie für Diabetiker.
Damit Sie mit gutem Gefühl auch Marathon und andere Ausdauersportarten betreiben können, sind einige wichtige Voraussetzungen nötig: Wesentlich ist zunächst eine langfristig stabile Blutzuckereinstellung. Diabetiker, bei denen der Blutzucker heftig schwankt, immer wieder Entgleisungen vorkommen, der HB-A1c-Wert, der die langfristige Blutzuckereinstellung hinweist sollte unter 7,5, besser unter 7% liegen, bevor man mit dem Marathontraining loslegt.

Folgeschäden des Diabetes an Herz, Nieren, Blutdruck, Augen sind nicht vorhanden oder ebenfalls unter ärztlicher Kontrolle. Der Blutzucker sollte vor und bei längeren Läufen während des Laufs regelmäßig gemessen werden. Hierzu eignen sich neue mobil einsetzbare Messgeräte besonders gut. Bei Ausgangsblutzuckerwerten über 250 mg/dl darf auf keinen Fall gestartet werden, wenn nicht zuvor ein Test auf Keton im Urin eine schwere Entgleisung ausschließt und der zu hohe Blutzuckerwert vorsichtig korrigiert wird.

Grundsätzlich ist es zwar günstig mit einem etwas erhöhte BZ-Wert von 150-200 zu starten um nicht alle Kalorien beim Lauf zu sich nehmen zu müssen, aber über 250 ist zuviel. Dann kann’s also mit dem Marathon-Training losgehen.

Spätestens seit Untersuchungen aus den 20-er Jahren ist bekannt, daß körperliche Belastung den Blutzuckerspiegel im Blut senkt. Dazu ist Insulin notwendig. Ohne Insulin kann die Glucose, der Brennstoff des Körpers, nicht in die Muskelzellen kommen. Gleichzeitig liefert der Körper aus Speichern in Leber und Muskel neu Glucose nach. Diese Freisetzung von Blutzucker (Glycogenolyse) geschieht bei trainierten Menschen schneller und hält länger an als bei Untrainierten. Die Lipolyse ist der Vorgang bei dem aus Körperfett Energie zur Verfügung gestellt wird.

Übrigens schon zu Beginn der Belastung, allerdings zu einem geringen Anteil.


Darstellung des Anteils am Energieverbrauch bei langer Muskelarbeit

Nun kann die Blutzuckereinstellung bei Diabetikern, die Insulin spritzen durch eine Veränderung der Nahrungsaufnahme, also durch zusätzliche schnell oder langsam wirkende Kohlenhydrate (BE) und zusätzlich durch Reduzierung der Insulingabe erfolgen. Meist ist bei langen Läufen beides erforderlich. Die erforderlichen Veränderungen bei der Reduzierung der Insulindosis und Aufnahme von BE’s ist individuell sehr verschieden und jeder Läufer muss hier seine eigene Erfahrung sammeln.

Das geht nur mit häufigem Messen vor, während und auch noch bis zu 48 Stunden nach dem Lauf. Denn gerade bei sehr langen Läufen droht der Blutzuckerspiegel auch noch viele Stunden nach dem Lauf zu sinken, weil die Glucosespeicher mit dem Blutzucker aus der Nahrung wieder aufgefüllt werden. Insbesondere in der Nacht nach dem Marathon sollte eine nächtliche Kontrolle des BZ Sicherheit schaffen.

Faustregeln für die Korrekturen können etwa folgendermaßen sein:

  • Vor, während und auch nach dem Lauf besonders häufig BZ messen und korrigieren
  • Insulindosisreduktion: – 1 I.E: Normalinsulin je 20 min. (moderater) Sport morgens stärker als abends reduzieren. Individuell bis zu 80% weniger Insulin!
  • Kurzwirksames und langwirksames Insulin (Basalrate) reduzieren
  • Schutz vor Unterzuckerung pro Std. mittlere Belastung 30 – 40 g Glucoseäquivalente (= 3 – 4 Kohlenhydratportionen)
  • Schnell wirksame BE‘s beim Laufen immer griffbereit haben.

Bei den vielen Läufern, deren Diabetes mit Tabletten behandelt wird, sog Typ-2-Diabetikern, sollte genauso der Blutzucker kontrolliert werden. Auch bei diesem Typ der Blutzuckerkrankheit ist ein zu hoher Zuckerwert (über 250 mg/dl) gefährlich, da er beim Laufen nicht unbedingt abfällt, sondern bei entgleister Stoffwechsellage sogar weiter ansteigen kann. Daher gilt:

BZ über 250 = nicht starten. Zuerst Keton im Urin messen und BZ ausgleichen !

Bei den Medikamenten muss beachtet werden, dass einige davon nach Absprache mit Ihrem Arzt vor dem Lauf in der Dosis angepasst werden sollten. Besonders die Medikamente die Insulinfreisetzung stimulieren bergen die Gefahr der Unterzuckerung während des Laufs.

Angepasst werden sollten:

Sulfonylharnstoffe,Glinide, Glitazone, Alpha-Glucosidase-Hemmer

Ideal bei Diabetes ist eine engmaschige Betreuung von einem darin erfahrenen Diabetesberater und Arzt und sehr hilfreich ist auch die Betreuung im Wettkampf durch erfahrene Diabetologen mit Vorplanung, Absprache der Kontrollen und Messstationen an der Strecke, wie es beim Berlin-Marathon seit Jahren erprobt ist.

Insgesamt gilt, dass Ausdauersport wie der Langlauf gerade für Diabetiker eine sehr empfehlenswerte und für ihre Erkrankung förderliche Sportliche Betätigung ist. Betroffene Diabetiker sollten sich durch die genannten Empfehlung zur Optimierung ihres Blutzuckers nicht abhalten lassen diese gesunde und zudem wunderschöne Sportart für sich zu wählen, denn:

Diabetiker können Alles schaffen.

 

PD Dr. med. Anton.Gillessen
Herz-Jesu-Krankenhaus
Münster
02501-172441
Diabetes(at)Herz-Jesu-kh-ms

Infos bei:
Ulrike Thurm; Bernhard Gehr:

Diabetes- und Sportfibel
2. überarbeitete Auflage 2005
Kirchheim-Verlag 19,90 Euro

 

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author: GRR

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