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08
07
2023

Symbolbild - Schwimmstadion im Olympiapark Berlin - Foto: Horst Milde

Deutsche Olympia-Bewerbung: Auf der Suche nach den Gründen – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Nach sieben gescheiterten Versuchen regt der DOSB eine Bewerbung für die olympischen Spiele in Deutschland an. Stellt sich bloß die Frage, warum man das tun sollte?

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) regt eine Olympiabewerbung Deutschlands an. Von diesem Freitag an sucht er nach Gründen dafür. Ein „involvierendes Dialogkonzept“, zu dem auch Aktivitäten auf verschiedenen Internet-Plattformen gehören, soll ihm über die Sommerpause Antwort auf die Frage liefern: Warum?

Im September soll feststehen, ob sich Deutschland mit Hamburg, Berlin, Leipzig, Nordrhein-Westfalen oder München um Sommer- oder Winterspiele, ja, ob das Land sich überhaupt um Olympische Spiele oder besser um European Games, wie sie gerade in Krakau stattfanden, oder um Olympische Jugendspiele bewerben soll. Zwei bis vier der Städte und Regionen sollen sich gemeinsam bewerben, dazu kommen Standorte fürs Segeln, Wildwasser-Kanu und womöglich die Reiterwettbewerbe.

Am Ende des Jahres soll die Mitgliederversammlung des Dachverbandes ihre Bereitschaft zur Bewerbung erklären. Im Mai 2024 soll das Konzept stehen. Logo der Kampagne sind drei leere Sprechblasen in schwarz-rot-gold, der Slogan lautet „Deine Idee. Deine Spiele.“

In einem Interview, das der DOSB verbreitet, sagt DOSB-Präsident Thomas Weikert, am wichtigsten sei die gesamtgesellschaftliche Antwort auf die Frage: Warum wollen wir Olympische und Paralympische Spiele in Deutschland? Der Verband setze ausschließlich auf vorhandene Sportstätten: „Deutschland hat zwei funktionstüchtige Olympiastadien. Warum sollten wir noch ein neues bauen?“

Allein ein Schwimmbecken mit zehn Bahnen soll temporär in einer Messehalle oder einem Stadion errichtet werden. Ein, zwei oder drei olympische Dörfer könnten der Beitrag Olympias zur Linderung der Wohnungsnot sein.

Seit den Sommerspielen von München 1972 hat sich Deutschland mit Berchtesgaden, München, Berlin, Leipzig und Hamburg sieben Mal um Olympische Spiele beworben oder bewerben wollen. Die letzten Versuche scheiterten an Volksentscheiden in München und Hamburg.

Für die Sommerspiele 2036 – hundert Jahre nach den von Adolf Hitler eröffneten, von der Diktatur der Nationalsozialisten vereinnahmten und geprägten ersten Olympischen Spielen in Deutschland in Garmisch-Partenkirchen (Winter) und Berlin (Sommer) – oder 2040, für die Winterspiele 2038 oder 2042 soll in dem Verfahren „Leitplanken der deutschen Gesellschaft“ eine Bewerbung aufgestellt werden.

Von Mai 2024 an soll das Thema nach den Plänen des DOSB „emotionalisiert“ werden. Im Herbst 2024 – nach der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und den Olympischen Spielen in Paris – soll es in den Bewerberstädten ein Bürgervotum geben. Gehe eines negativ aus, sagt Stephan Brause, Leiter der für die etwaige Bewerbung und deren Vorbereitung eingerichteten Stabsstelle beim DOSB, komme die Bewerbung nicht zustande. Der Verband teilt mit, Marktforschung zeige deutschlandweit die stetige Zustimmung zu einer Olympiabewerbung von rund siebzig Prozent. Die von Brause geleitete Stabsstelle Olympia kooperiert mit der Abteilung Sport des Bundesinnenministeriums.

Winterspiele? Keine Chance

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter hat eine Bewerbung der bayerischen Landeshauptstadt auf Olympische Winterspiele am Freitag de facto ausgeschlossen. Dem Bayerischen Rundfunk sagte der SPD-Politiker, er sehe „keine Chance“ für Winterspiele in München. Seiner Ansicht nach könnten Winterspiele in und um München und den bayerischen Alpen schwerlich nachhaltig sein. Der Deutsche Olympische Sportbund hatte am Freitag seine jüngste Kampagne zum Anlauf auf eine Olympiabewerbung lanciert und dabei betont, in einem „Dialogprozess“ ergebnisoffen über die Frage diskutieren zu wollen, ob sich der Dachverband überhaupt um Olympia bewerben solle – und ob es dabei eher um Sommer- oder Winterspiele gehen solle.

Mit der von Reiter zum Kampagnenstart gebrachten Ablehnung von Winterspielen dürfte damit eine wesentliche Frage des Dialogprozesses beantwortet sein. Der DOSB hat fünf Großräume (Berlin, Hamburg, Leipzig, Rhein-Ruhr und München) als mögliche Austragungsorte zur Debatte gestellt. (F.A.Z.)

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 7. Juli 2023

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

author: GRR