Wie auf den letzten Stationen in Vietnam und Nordkorea werden vor allem chinesische Unterstützer an der Strecke erwartet. Chinesische Medien, Zeitungsanzeigen und ein „Komitee zur Begrüßung der Flamme“ haben die Bevölkerung aufgerufen, dem Fackellauf beizuwohnen
Der Rahmen des Möglichen. Das olympische Feuer ist zurück in China, erste Station ist Hongkong. Wie frei wird der Fackellauf sein? Benedikt Voigt im Tagesspiegel
Die Schauspielerin Mia Farrow musste sich bei der Einreisekontrolle am Hongkonger Flughafen Chep Lap Kok eine Belehrung gefallen lassen. „Man hat uns erklärt, dass der Fackellauf für Hongkong eine große Ehre ist“, berichtet ihre Begleiterin Jill Savitt der „South China Morning Post“. Sie und Mia Farrow, beide Kritikerinnen des chinesischen Regimes, werden am Samstag im Hongkonger Foreign Correspondent Club einen Vortrag über die Darfur-Krise halten. „Wir haben gesagt, dass wir nicht vorhaben, den Lauf zu stören.“
Am Ende durften die Frauen die Kontrolle passieren. Doch zuvor hatten Hongkongs Sicherheitsbehörden sieben weniger prominenten Menschenrechtsaktivisten die Einreise verweigert.
Der heutige Fackellauf durch Hongkong ist zu einem Test der demokratischen Kultur der Stadt geworden. „Ein Land, zwei Systeme“ lautet das politische Prinzip Hongkongs, das am 1. Juli 1997 von Großbritannien an China zurückgegeben wurde. Im Gegensatz zu Festland-China garantiert die Sonderverwaltungszone Hongkong seinen Bürgern Meinungsfreiheit – eine freie Presse und eine ausgeprägte Demonstrationskultur zeugen davon. Dennoch, der politische Druck wegen des heutigen Fackellaufs ist groß. Denn auf chinesischem Boden sollen imageschädigende Bilder wie in London, Paris oder San Francisco vermieden werden.
Dort hatten Menschenrechts- und Tibetaktivisten den Lauf vehement gestört. Hongkongs Verwaltungschefsekretär Henry Tang Ying-Nian betonte, dass die Stadt die Verantwortung habe einen „würdigen, problemlosen und ordnungsgemäßen Lauf der olympischen Flamme sicherzustellen.“
Am Donnerstag bei der Willkommenszeremonie für die Flamme am Hongkonger Hafen sagte Henry Tang Ying-Nian: „Wir sind ungemein stolz, die erste chinesische Stadt zu sein, in der die Flamme nach ihrer Reise durch die Welt begrüßt wird.“ Er forderte die Bürger auf, morgen in Rot gekleidet zum Lauf zu kommen.
Wie auf den letzten Stationen in Vietnam und Nordkorea werden vor allem chinesische Unterstützer an der Strecke erwartet. Chinesische Medien, Zeitungsanzeigen und ein „Komitee zur Begrüßung der Flamme“ haben die Bevölkerung aufgerufen, dem Fackellauf beizuwohnen. Trotzdem ist die Angst der Behörden vor Demonstrationen oder Störungen groß. Eine 21 Jahre alte Studentin musste sich bei der Hongkonger Polizei melden, nachdem sie auf ihrer Internetseite zum Protest mit tibetischen Flaggen aufgefordert hatte.Und dass Menschenrechtlern die Einreise verweigert wurde, führte zu diplomatischen Verwicklungen.
Der dänische Generalkonsul verlangte eine Antwort darauf, warum der Bildhauer und Menschenrechtsaktivist Jens Galschiot und seine beiden Söhne am vergangenen Samstag sechs Stunden lang am Hongkonger Flughafen befragt und anschließend in ein Flugzeug zurück nach London gesetzt wurden. Neben drei Briten durfte auch ein tibetischer Mönch nicht einreisen. Laut dem Büro für Pekinger Beziehungen in Hongkong habe China keine schwarze Liste zur Einreiseverweigerung ausgegeben. „Jedes Land oder Region hat das Recht, einigen Personen die Einreise aus Sicherheitsgründen zu verweigern“, sagte der stellvertretende Bürodirektor Li Gang. „Ich denke, diese Entscheidung der Hongkonger Regierung basiert auf ihren eigenen Regularien.“
Morgen fliegt die olympische Flamme nach Macau weiter, am Sonntag startet sie in Sanya auf der Ferieninsel Hainan ihre Reise durch Festland-China. Dort dürfte sie bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking am 8. August von einer patriotischen Welle der Begeisterung getragen werden. Eine zweite Flamme wartet gegenwärtig im Basiscamp des Mount Everest, um in den nächsten Tagen bei geeignetem Wetter auf den höchsten Berg der Welt getragen zu werden.
Zu den 19 400 Fackelträgern in China wird auch der Deutsche Klaus Schormann zählen. Der Präsident des Weltverbandes der Modernen Fünfkämpfer hat sich nach Athen bereits zum zweiten Mal als Läufer gemeldet. „Es ist ein ganz besonderes Erlebnis und Gefühl, die Flamme zu tragen“, sagt Schormann. Die Fackel symbolisiere den Geist der olympischen Bewegung. Die aktuelle Politisierung des Laufs empört ihn: „Das ist alles von außen, auch von den Medien, aufgeladen worden.“
Doch trägt China eine Mitschuld an der Politisierung. Taiwan wollte bereits im vergangenen Jahr nicht Station des Laufes werden, da das Land seine politische Unabhängigkeit im Routenverlauf nicht ausgedrückt sah. „Wenn das Ausmaß eines Laufes so riesig ist, beginnt er eine politische Symbolik zu bekommen“, sagt Zhan Jiang, Dekan für Journalismus an der China Youth University für Politische Wissenschaften. Das soll künftig nicht mehr passieren. Nach den Spielen will sich das IOC mit den Ereignissen befassen – voraussichtlich wird es den internationalen Teil des Fackellaufs einfach wieder abschaffen. Benedikt Voigt, Peking
Benedikt Voigt – Der Tagesspiegel vom Freitag, dem 02. Mai 2008