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20
05
2008

Fußarbeit: wer beim Halbmarathon gesund ins Ziel kommen will, sollte auf der Ferse landen und über den ganzen Fuß abrollen.

Der Laufstil – locker, effizient und beschwerdefrei – Der Laufexperte Herbert Steffny weiß, wo es langgeht. Bis zum Stuttgarter-Zeitung-Lauf am 22. Juni gibt er in drei Kolumnen Tipps rund ums Laufen. Heute: der optimale und ökonomische Laufstil. Stuttgarter Zeitung

By GRR 0

Wer sieht sich schon selbst laufen? Elegant sollte es sein, am besten leichtfüßig, locker und flüssig. Aber nicht nur die Optik zählt. Der empfehlenswerte Laufstil hat auch mit einer freien Atmung und effizienter Laufökonomie zu tun. Wie man joggt, hängt von einigen Faktoren ab.

Es hat mit dem Körperbau jedes einzelnen zu tun, mit möglichen Fehlstellungen, dem Gewicht und den Hebelverhältnissen, aber vielleicht auch mit der Verletzungsgeschichte, möglichen Schon- und Fehlhaltungen beim Beruf und selbstverständlich auch mit dem Training von Beweglichkeit, Kraft und Koordination.

Eine Video-Laufstilanalyse mit einem versierten Trainer könnte helfen, Schwachstellen aufzudecken. Sehr häufig lassen sich stilistische Mängel auf gymnastische Defizite zurückführen. Wer nicht aufrecht läuft, schränkt die freie Atmung ein. Wer nach vorne hängt, hat oft eine zu schwach ausgeprägte Rumpf- und eine verkürzte Beinmuskulatur. Das führt auch zu einem hochfrequenten Trommelschritt, und man ¸¸sitzt" regelrecht vor Steifheit beim Laufen. Für einen Sprint oder Mittelstreckenlauf ist ein großer, kraftvoller Schritt richtig. Leistungsläufer verbessern ihren Laufstil durch Tempo-, Sprung- und Koordinationsläufe.

Für einen Halbmarathon oder Marathon wäre es aber ein Fehler, einen raumgreifenden Schritt einzuüben. Hier ist wie beim Radfahren die weniger kraftraubende und kleinere Übersetzung mit etwas kürzerer Schrittlänge ökonomischer. Da die orthopädische Belastung mit der Schrittlänge und der Geschwindigkeit ansteigt, ist es für übergewichtige Fitnesseinsteiger beim normalen Joggingtempo besser, eher etwas schleichend zu laufen. Es mag nicht so spektakulär aussehen, reicht für Gesundheitstraining und Abnehmen aber vollkommen aus. Den Kalorien, dem Blutdruck und dem Herzmuskel ist ihr Laufstil vollkommen egal.

Die meisten Menschen, auch Läufer, sind im Oberkörper sehr verspannt. Viele klagen zwar über Nackenbeschwerden, tun aber nichts dagegen. Die sichtbaren Konsequenzen sind beim Laufen nach innen pendelnde Arme oder schlimmer, der ganze steife Oberkörper wird zum Ausgleich der Beinbewegung nach innen rotiert. Die Arme machen keine Eigenbewegung, sondern werden vor dem Bauch nur passiv mitgedreht. Statt die Laufrichtung nach vorne zu unterstützen, verpufft der Bewegungsimpuls dann völlig unökonomisch zur Seite. Übungen wie Armkreisen, Dehnen der Brustmuskulatur und Kräftigung des oberen Rückens würden Abhilfe schaffen.

Der Laufstil sagt auch viel über den Seelenzustand eines Sportlers aus: Wer vom Kopf her zu verbissen läuft, ballt häufig unbewusst die Hände zu Fäusten. Das führt zum Verkrampfen der Muskeln bis in die Schultern. Für eine ökonomische Armarbeit sind die Hände entspannt und die Daumen auf der Oberseite. Die Arme schwingen ungefähr im rechten Winkel gehalten im Schultergelenk locker neben dem ruhig bleibenden Oberkörper in Laufrichtung nach vorne.

Auch die Fußarbeit ist eine nähere Betrachtung wert. Man unterscheidet den Fersen- oder Rückfußlauf und den Ballen- oder Vorfußlauf. Beim Fersenlauf wird mit leicht gebeugtem Knie außen auf der Ferse gelandet und über den ganzen Fuß abgerollt. Beim dynamischer aussehenden Ballenlauf erfolgt die Landung gleich auf dem Ballen. Dazwischen gibt es den Mittelfußlauf, bei dem leicht auf der Außenkante des Fußes gelandet wird.

Was zu empfehlen ist? Statt wie manche Biomechaniker im Labor auf Computermodelle und Druckmessplatten zu vertrauen, schauen wir lieber praxisnäher den Weltklasseläufern beim Wettkampf auf die Füße. Wenn es um Kraftentfaltung wie bei Sprintern, Mittelstrecklern und Bergläufern geht, ist der Vorfußlauf am besten. Bei Langstreckenläufern hat sich dagegen der dabei viel ökonomischere Fersenlauf durchgesetzt. Beim Marathon über die 42,195 Meter findet man in der Weltspitze keinen Vorfuß- und nur wenige Mittelfußläufer.

Nachdem der Äthiopier Haile Gebrselassie seinen von der Bahn zunächst mitgenommenen Vorfußlauf auf einen leichten Rückfußlauf umstellte, lief er den Marathon noch schneller und mit 2:04,26 Stunden sogar 2007 zum Weltrekord in Berlin. Dazwischen lag gewissermaßen als Lehrgeld eine Operation der Achillessehne. Der Rückfußläufer rollt ökonomischer, denn er gewinnt in einer stabilen Position mit Bodenkontakt in der sogenannten Standphase beim Abrollen von der Ferse zur Fußspitze rund 30 Zentimeter, seine Fußlänge eben.

Da beim Ballenläufer Lande- und Abdruckpunkt identisch sind, hat er diesen Raumgewinn nicht und muss höher und weiter springen. Das ist nicht nur ein hoher Kraftaufwand, sondern belastet orthopädisch mehr und gleich zweimal den Vorfuß, aber auch die Wadenmuskulatur und die Achillessehne. Wer mit Übergewicht beim Fitnessjogging glaubt, wie ein Hirsch durch den Wald auf dem Vorfuß tänzeln zu müssen, geht ein hohes orthopädisches Risiko ein – er riskiert Verletzungen.

Im Training variiert man am besten alle Laufarten. Vom Standardstil Fersenlauf wechselt man bei Tempo- oder Berganpassagen auf den Vorfuß. Das bietet nicht nur wirksame und abwechslungsreiche Trainingsreize, sondern verteilt die Belastung besser und birgt dadurch ein geringeres Verletzungsrisiko, als nur dogmatisch eine Stilart zu laufen.

Anmeldungen zum StZ-Lauf unter www.stuttgarter-zeitung-lauf.de oder stuttgarter-zeitung.de/stz-lauf. Ausführlichere Informationen und detaillierte Halbmarathonpläne finden Sie in Herbert Steffnys Bestseller ¸¸Das große Laufbuch". Die nächste Kolumne von Steffny erscheint am 12. Juni 2008. Die bisherigen Folgen sind im Internet unter www.stuttgarter-zeitung.de abrufbar.

Quelle:
STEFFNYS KOLUMNE in der Stuttgarter Zeitung, Dienstag, 20. Mai 2008

author: GRR

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