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31
03
2012

Wilson Kiprop (KEN) mit Fernsehkommentator René Hiepen von n-tv ©Helmut Winter

Der kleine Bruder des Berlin-Marathons wird langsam erwachsen – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Wenn sich am Sonntagmorgen um 10:45 auf der Karl-Marx-Allee knapp 30.000 Läuferinnen und Läufer auf eine Tour durch die Berliner City machen, ist der erste Rekord schon gefallen; auch die Anzahl der Finisher dürfte die Bestmarke aus dem Vorjahr 2011 deutlich übertreffen, wo 20.341 das Ziel (damit achtgrößter Lauf der Welt) erreichten.

Diese Zahlen sind auch insofern bemerkenswert als der Halbmarathon schon Anfang Januar ausgebucht war und Spätanmelder unangenehm überrascht wurden. Ohne Zweifel nähert sich diese Veranstaltung im Frühjahr immer mehr dem großen Bruder Ende September an.

Und ähnlich wie beim Berlin-Marathon, der in den letzten beiden Dekaden Garant für Leistungen von absoluter Weltklasse war, will man auch auf der halben Distanz eine ähnliche Rolle spielen. Der Ruf Berlins als eine Stadt mit den schnellsten Strecken der Welt ist ungebrochen, fast alle Weltrekorde im Straßenlauf von 25 km bis zum Marathon wurden in den letzten Jahren hier erzielt.

Beim Halbmarathon sieht das anders aus, der aktuelle Streckenrekord der Männer aus dem Jahr 2007 mit 58:56 von Patrick Makau – der sorgte im Marathon an gleicher Stelle im Vorjahr mit seinem Sieg über Haile in Weltrekordzeit für Furore – ist eine internationale Klassezeit, neunmal lief man aber schon schneller und der Weltrekord von Zersenay Tadese (ERI) von 58:23 liegt deutlich unter der Berliner Bestmarke.

Bei den Frauen befindet sich Berlin mit 67:16 von Edith Masai aus dem Jahr 2006 mit Platz 16 ebenfalls nicht in der Spitzengruppe.

Ob sich diese leistungssportliche Bilanz am Sonntag maßgeblich ändert, ist eher unwahrscheinlich. Zwar ist mit Wilson Kiprop aus Kenia der amtierende Weltmeister über diese Stecke am Start, der im Oktober 2010 in einem packenden Finale den Weltrekordler Tadese im chinesischen Nanning bezwingen konnte. Und was Tadese (durch Krankheit etwas geschwächt lief der letzte Woche in Lissabon „nur" 59:34) als einziger Läufer schon neunmal geschafft hat, nämlich den Halbmarathon in unter einer Stunde zu absolvieren, das haben sich die Eliteathleten in Berlin am Sonntag gleichfalls fest vorgenommen.

Bei der Präsentation der Topathleten auf der Pressekonferenz am Freitag durch den bekannten Moderator Andy Edwards/London sowie Race Director Mark Milde wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Männer das Rennen in 14 Minuten für die ersten 5 km (2:48 pro km) anlaufen wollen, da ist übrigens exakt die Siegessäule erreicht.

Falls man dieses Tempo bis in Ziel halten könnte, ergibt das eine Endzeit um die 59 Minuten und mit einem schnellen Finale wäre sogar der Streckenrekord in Gefahr. Dass dieses Unterfangen sicher nicht einfach umzusetzen sein wird, belegt schon ein Blick in die Liste der Starter, in der neben Kiprop mit 59:39 als Sieger in Lille 2010 nur noch Leonard Langat mit 59:52 als Dritter im Vorjahr in Ras Al Khaimah mit einer Zeit von unter 1 Stunde notiert ist. Sehr knapp an dieser Schallmauer lief allerdings schon Pius Kirop (1:00:04, Lago Maggiore 2011). Langat war auch im letzten Jahr dabei, wurde aber nur etwas enttäuschend 13. in 63:25. Auf der Pressekonferenz erklärte er dieses schwache Ergebnis mit seinem unmittelbar zuvor erfolgten Start über die gleiche Strecklänge in Lissabon.

Eine besondere Rolle – und deshalb wurde er auch auf der Pressekonferenz präsentiert – könnte der erst 18jährige Kenianer Denis Koech spielen, der bei seinem ersten Auftritt außerhalb seines Landes die Weltklasse düpierte und bei stürmischem Wind im Februar den Ras Al Khaimah Halbmarathon in 60:34 gewann. Der Schützling von Manager Gerard van de Veen trainiert zusammen mit dem aktuell weltweit besten Marathonläufer, Geoffrey Mutai, und dürfte bei entsprechenden Bedingungen das geplante Tempo problemlos umsetzen können.

Nach den warmen Frühlingstagen sind in Berlin die Temperaturen wieder deutlich gesunken, zum Zeitpunkt des Starts werden Temperaturen um die 5°C vorhergesagt, das ist noch akzeptabel. Ein größeres Problem dürfte der Westwind mit 15 km/h darstellen, den die Läufer allerdings im zweiten Teil dann im Rücken hätten. Auf dem ersten Part soll der nicht weiter ausgewiesene Tempomacher Simtowo Suleiman die Spitze der Männer unterstützen.

Die deutschen Farben muss nach der Absage von Stefan Koch der Lokalmatador Robert Krebs aus Berlin vertreten, der mit einer Bestzeit von 65:04 an den Start geht, damit wurde er in Berlin im letzten Jahr 21. Der 22 Jahre alte Robert – 2008 von den German Road Races (GRR) mit dem Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet – ist soeben aus dem Trainingslager im kenianischen Iten zurück und sieht seinen Auftritt am Sonntag als letzten Test vor seinem Marathondebüt in Rotterdam am 15. April, wo es auf eine Zeit unter 2:15 gehen soll.

Bleibt zu hoffen, dass er trotz dieser Konstellation in Berlin ein gutes Resultat abliefert, denn die Akzeptanz der Medien dürfte ihm sicher sein. Der Nachrichtensender n-tv überträgt den Lauf live im Internet sowie in einer Zusammenfassung am Sonntag ab 17:10 Uhr. Nach den Problemen mit dem Wetter und der Technik bei den letzten beiden Berlin-Marathon Übertragungen haben René Hiepen und sein Team diesmal hoffentlich mehr Glück und die sehr gut konzipierte Übertragung kommt ohne Defizite über die Runden.

Alle Anhänger des Laufsports dürfen sich angesichts der dürftigen Medienpräsenz des Straßenlaufs im bundesdeutschen Fernsehen auf tollen Sport und tolle Bilder aus Berlin freuen.

Bei den Frauen ist Philes Ongori aus Kenia die große Favoritin, deren Hausrekord bei 67:38 steht. Philips verbrachte ab 2006 einige Zeit in Japan und gewann 2011 gleich ihren ersten Marathon in Rotterdam mit 2:24:20. Härteste Konkurrentin dürfte ihre Landsfrau Helah Kiprop sein, die mit 69:29 ebenfalls unter der 70 Minutengrenze blieb.

Ebenfalls unter dieser Grenze blieb die deutsche Melanie Kraus aus Leverkusen, aber das liegt schon 13 Jahre zurück, so dass eine vordere Platzierung der Leverkusenerin eine Überraschung wäre.

Den Startschuss für die Läufer wird Senator Frank Henkel um 10:45 Uhr geben und dann rennen die Elitemänner auch in einem Fernduell mit dem Prag Halbmarathon, der einen Tag zuvor über die Bühne ging, wo aber der groß angekündigte Weltrekordversuch wegen Erkrankung des Topstars Leonard Komon ausfallen muss.

 

Topathleten

 

Wilson Kiprop

KEN

59:39

Lille 2010

Leonard Langat

KEN

59:52

Ras Al Khaimah 2011

Pius Kirop

KEN

60:04

Lago Maggiore 2011

Denis Koech

KEN

60:34

Ras Al Khaimah 2012

Josphat Kamzee

KEN

60:43

Berlin 2009

Eliud Kiplagat

KEN

60:52

Berlin 2011

Gideon Kipketer

KEN

61:03

Egmond 2012

Joseph Kiptum

KEN

61:08

Luxemburg 2011

Ezekiel Chebii

KEN

61:40

Nizza 2011

Charles Kimeli

KEN

61:45

Udine 2011

Habtamu Fikadu

ETH

61:54

Paris 2011

Robert Krebs

GER

65:04

Berlin 2011

 

Topathletinnen

  

Philes Ongori

KEN

67:38

Birmingham 2009

Helah Kiprop

KEN

69:29

Nizza 2009

Melanie Kraus

GER

69:36

Luxemburg 1999

Karolina Jarzynska

POL

70:36

Marugame 2011

Krisztina Papp

HUN

70:53

Udine 2007

Emebet Bedada

ETH

70:54

Turin 2010

Andrea Mayr

AUT

72:03

Piacenza 2012

 

  

  

  

      

Weltrekord Männer: Zersenay Tadese (ERI)  58:23  Lissabon 2010

JWBL Männer: Stephen Kibet (KEN)  58:54  Den Haag 11.3.2012

Streckenrekord Männer Berlin: Patrick Makau (KEN)  58:56  2007

 

Weltrekord Frauen: Mary Keitany (KEN)  65:50  Ras Al Khaimah 2011

JWBL Frauen: Mary Keitany  (KEN)  66:42  Ras Al Khaimah 17.2.2012

Steckenrekord Frauen Berlin: Edith Masai (KEN)  67:16  2006

 

Die schnellsten Halbmarathonstrecken (Mittel der 10 schnellsten Zeiten)

1.

59:12.4

Rotterdam

2.

59:15.5

Lissabon

3.

59:18.3

Ras Al Khaimah

4.

59:19.4

Den Haag

5.

59:32.1

Berlin

 

Ranking der Bestzeiten

 

1

58:23

Lissabon

Zesenay Tadese

ERI

2010

2

58:33

Den Haag

Samuel Wanjiru

KEN

2007

3

58:46

Philadelphia

Mathew Kisorio

KEN

2011

4

58:52

Ras Al Khaimah

Patrick Makau

KEN

2009

5

58:55

Phoenix-Tempe

Haile Gebrselassie

ETH

2006

6

58:56

Berlin

Patrick Makau

KEN

2007

7

58:56

Newcastle – South Shields

Martin Mathathi

KEN

2011

8

58:58

Rotterdam

Sammy Kitwara

KEN

2009

 

 Helmut Winter

 

 

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author: GRR

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