Wilson Kiprop (KEN) mit Fernsehkommentator René Hiepen von n-tv ©Helmut Winter
Der kleine Bruder des Berlin-Marathons wird langsam erwachsen – Helmut Winter berichtet
Wenn sich am Sonntagmorgen um 10:45 auf der Karl-Marx-Allee knapp 30.000 Läuferinnen und Läufer auf eine Tour durch die Berliner City machen, ist der erste Rekord schon gefallen; auch die Anzahl der Finisher dürfte die Bestmarke aus dem Vorjahr 2011 deutlich übertreffen, wo 20.341 das Ziel (damit achtgrößter Lauf der Welt) erreichten.
Diese Zahlen sind auch insofern bemerkenswert als der Halbmarathon schon Anfang Januar ausgebucht war und Spätanmelder unangenehm überrascht wurden. Ohne Zweifel nähert sich diese Veranstaltung im Frühjahr immer mehr dem großen Bruder Ende September an.
Und ähnlich wie beim Berlin-Marathon, der in den letzten beiden Dekaden Garant für Leistungen von absoluter Weltklasse war, will man auch auf der halben Distanz eine ähnliche Rolle spielen. Der Ruf Berlins als eine Stadt mit den schnellsten Strecken der Welt ist ungebrochen, fast alle Weltrekorde im Straßenlauf von 25 km bis zum Marathon wurden in den letzten Jahren hier erzielt.
Beim Halbmarathon sieht das anders aus, der aktuelle Streckenrekord der Männer aus dem Jahr 2007 mit 58:56 von Patrick Makau – der sorgte im Marathon an gleicher Stelle im Vorjahr mit seinem Sieg über Haile in Weltrekordzeit für Furore – ist eine internationale Klassezeit, neunmal lief man aber schon schneller und der Weltrekord von Zersenay Tadese (ERI) von 58:23 liegt deutlich unter der Berliner Bestmarke.
Bei den Frauen befindet sich Berlin mit 67:16 von Edith Masai aus dem Jahr 2006 mit Platz 16 ebenfalls nicht in der Spitzengruppe.
Ob sich diese leistungssportliche Bilanz am Sonntag maßgeblich ändert, ist eher unwahrscheinlich. Zwar ist mit Wilson Kiprop aus Kenia der amtierende Weltmeister über diese Stecke am Start, der im Oktober 2010 in einem packenden Finale den Weltrekordler Tadese im chinesischen Nanning bezwingen konnte. Und was Tadese (durch Krankheit etwas geschwächt lief der letzte Woche in Lissabon „nur" 59:34) als einziger Läufer schon neunmal geschafft hat, nämlich den Halbmarathon in unter einer Stunde zu absolvieren, das haben sich die Eliteathleten in Berlin am Sonntag gleichfalls fest vorgenommen.
Bei der Präsentation der Topathleten auf der Pressekonferenz am Freitag durch den bekannten Moderator Andy Edwards/London sowie Race Director Mark Milde wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Männer das Rennen in 14 Minuten für die ersten 5 km (2:48 pro km) anlaufen wollen, da ist übrigens exakt die Siegessäule erreicht.
Falls man dieses Tempo bis in Ziel halten könnte, ergibt das eine Endzeit um die 59 Minuten und mit einem schnellen Finale wäre sogar der Streckenrekord in Gefahr. Dass dieses Unterfangen sicher nicht einfach umzusetzen sein wird, belegt schon ein Blick in die Liste der Starter, in der neben Kiprop mit 59:39 als Sieger in Lille 2010 nur noch Leonard Langat mit 59:52 als Dritter im Vorjahr in Ras Al Khaimah mit einer Zeit von unter 1 Stunde notiert ist. Sehr knapp an dieser Schallmauer lief allerdings schon Pius Kirop (1:00:04, Lago Maggiore 2011). Langat war auch im letzten Jahr dabei, wurde aber nur etwas enttäuschend 13. in 63:25. Auf der Pressekonferenz erklärte er dieses schwache Ergebnis mit seinem unmittelbar zuvor erfolgten Start über die gleiche Strecklänge in Lissabon.
Eine besondere Rolle – und deshalb wurde er auch auf der Pressekonferenz präsentiert – könnte der erst 18jährige Kenianer Denis Koech spielen, der bei seinem ersten Auftritt außerhalb seines Landes die Weltklasse düpierte und bei stürmischem Wind im Februar den Ras Al Khaimah Halbmarathon in 60:34 gewann. Der Schützling von Manager Gerard van de Veen trainiert zusammen mit dem aktuell weltweit besten Marathonläufer, Geoffrey Mutai, und dürfte bei entsprechenden Bedingungen das geplante Tempo problemlos umsetzen können.
Nach den warmen Frühlingstagen sind in Berlin die Temperaturen wieder deutlich gesunken, zum Zeitpunkt des Starts werden Temperaturen um die 5°C vorhergesagt, das ist noch akzeptabel. Ein größeres Problem dürfte der Westwind mit 15 km/h darstellen, den die Läufer allerdings im zweiten Teil dann im Rücken hätten. Auf dem ersten Part soll der nicht weiter ausgewiesene Tempomacher Simtowo Suleiman die Spitze der Männer unterstützen.
Die deutschen Farben muss nach der Absage von Stefan Koch der Lokalmatador Robert Krebs aus Berlin vertreten, der mit einer Bestzeit von 65:04 an den Start geht, damit wurde er in Berlin im letzten Jahr 21. Der 22 Jahre alte Robert – 2008 von den German Road Races (GRR) mit dem Nachwuchsförderpreis ausgezeichnet – ist soeben aus dem Trainingslager im kenianischen Iten zurück und sieht seinen Auftritt am Sonntag als letzten Test vor seinem Marathondebüt in Rotterdam am 15. April, wo es auf eine Zeit unter 2:15 gehen soll.
Bleibt zu hoffen, dass er trotz dieser Konstellation in Berlin ein gutes Resultat abliefert, denn die Akzeptanz der Medien dürfte ihm sicher sein. Der Nachrichtensender n-tv überträgt den Lauf live im Internet sowie in einer Zusammenfassung am Sonntag ab 17:10 Uhr. Nach den Problemen mit dem Wetter und der Technik bei den letzten beiden Berlin-Marathon Übertragungen haben René Hiepen und sein Team diesmal hoffentlich mehr Glück und die sehr gut konzipierte Übertragung kommt ohne Defizite über die Runden.
Alle Anhänger des Laufsports dürfen sich angesichts der dürftigen Medienpräsenz des Straßenlaufs im bundesdeutschen Fernsehen auf tollen Sport und tolle Bilder aus Berlin freuen.
Bei den Frauen ist Philes Ongori aus Kenia die große Favoritin, deren Hausrekord bei 67:38 steht. Philips verbrachte ab 2006 einige Zeit in Japan und gewann 2011 gleich ihren ersten Marathon in Rotterdam mit 2:24:20. Härteste Konkurrentin dürfte ihre Landsfrau Helah Kiprop sein, die mit 69:29 ebenfalls unter der 70 Minutengrenze blieb.
Ebenfalls unter dieser Grenze blieb die deutsche Melanie Kraus aus Leverkusen, aber das liegt schon 13 Jahre zurück, so dass eine vordere Platzierung der Leverkusenerin eine Überraschung wäre.
Den Startschuss für die Läufer wird Senator Frank Henkel um 10:45 Uhr geben und dann rennen die Elitemänner auch in einem Fernduell mit dem Prag Halbmarathon, der einen Tag zuvor über die Bühne ging, wo aber der groß angekündigte Weltrekordversuch wegen Erkrankung des Topstars Leonard Komon ausfallen muss.
Topathleten
Wilson Kiprop |
KEN |
59:39 |
Lille 2010 |
Leonard Langat |
KEN |
59:52 |
Ras Al Khaimah 2011 |
Pius Kirop |
KEN |
60:04 |
Lago Maggiore 2011 |
Denis Koech |
KEN |
60:34 |
Ras Al Khaimah 2012 |
Josphat Kamzee |
KEN |
60:43 |
Berlin 2009 |
Eliud Kiplagat |
KEN |
60:52 |
Berlin 2011 |
Gideon Kipketer |
KEN |
61:03 |
Egmond 2012 |
Joseph Kiptum |
KEN |
61:08 |
Luxemburg 2011 |
Ezekiel Chebii |
KEN |
61:40 |
Nizza 2011 |
Charles Kimeli |
KEN |
61:45 |
Udine 2011 |
Habtamu Fikadu |
ETH |
61:54 |
Paris 2011 |
Robert Krebs |
GER |
65:04 |
Berlin 2011 |
Topathletinnen
Philes Ongori |
KEN |
67:38 |
Birmingham 2009 |
Helah Kiprop |
KEN |
69:29 |
Nizza 2009 |
Melanie Kraus |
GER |
69:36 |
Luxemburg 1999 |
Karolina Jarzynska |
POL |
70:36 |
Marugame 2011 |
Krisztina Papp |
HUN |
70:53 |
Udine 2007 |
Emebet Bedada |
ETH |
70:54 |
Turin 2010 |
Andrea Mayr |
AUT |
72:03 |
Piacenza 2012 |
Weltrekord Männer: Zersenay Tadese (ERI) 58:23 Lissabon 2010
JWBL Männer: Stephen Kibet (KEN) 58:54 Den Haag 11.3.2012
Streckenrekord Männer Berlin: Patrick Makau (KEN) 58:56 2007
Weltrekord Frauen: Mary Keitany (KEN) 65:50 Ras Al Khaimah 2011
JWBL Frauen: Mary Keitany (KEN) 66:42 Ras Al Khaimah 17.2.2012
Steckenrekord Frauen Berlin: Edith Masai (KEN) 67:16 2006
Die schnellsten Halbmarathonstrecken (Mittel der 10 schnellsten Zeiten)
1. |
59:12.4 |
Rotterdam |
2. |
59:15.5 |
Lissabon |
3. |
59:18.3 |
Ras Al Khaimah |
4. |
59:19.4 |
Den Haag |
5. |
59:32.1 |
Berlin |
Ranking der Bestzeiten
1 |
58:23 |
Lissabon |
Zesenay Tadese |
ERI |
2010 |
2 |
58:33 |
Den Haag |
Samuel Wanjiru |
KEN |
2007 |
3 |
58:46 |
Philadelphia |
Mathew Kisorio |
KEN |
2011 |
4 |
58:52 |
Ras Al Khaimah |
Patrick Makau |
KEN |
2009 |
5 |
58:55 |
Phoenix-Tempe |
Haile Gebrselassie |
ETH |
2006 |
6 |
58:56 |
Berlin |
Patrick Makau |
KEN |
2007 |
7 |
58:56 |
Newcastle – South Shields |
Martin Mathathi |
KEN |
2011 |
8 |
58:58 |
Rotterdam |
Sammy Kitwara |
KEN |
2009 |
Helmut Winter
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