Weltrekordler ist weiterhin der Kenianer Stephen Cherono (7:53,63 Minuten) - Foto: Victah Sailer
Der Hindernislauf: Brechen die Äthiopier die kenianische Vorherrschaft? – KLAUS BLUME fragt Patriz Ilg
Mit seinem Triumph bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-Stadt hat der Kenianer Amos Biwott über 3000 Meter Hindernis bei Olympia und bei Weltmeisterschaften eine Siegesserie eingeläutet, die ihres gleichen nicht so schnell finden wird.
Doch verblüffen würde es niemanden, wenn bei den Spielen jetzt in Tokio auf den ersten drei Plätzen drei Äthiopier einlaufen würden. Denn Conseslus Kipruto, 2016 in Rio de Janeiro Olympiasieger und einer der ganz Großen in dieser Disziplin, wird auf keinen Fall starten.
Denn er darf wegen „gesetzlicher Vergewaltigung“ eines minderjährigen Knaben derzeit Kenia gar nicht verlassen.
Dennoch: die Kenianer haben nun einmal die Maßstäbe über 3000 Meter Hindernis gesetzt. Von Anfang an und gleich mit einer ungewöhnlichen Technik beim Überqueren des Wassergrabens: Sie verzichteten auf den üblichen Fußabdruck am Balken und überlaufen ihn somit am Wassergraben direkt. Diese Technik erfordert freilich eine hohe Laufgeschwindigkeit – was allerdings fast alle kenianische Spitzenläufer auf dem Effeff beherrschen.
Aber eine Zeit lang auch die Deutschen. Auf diese Weise gelang bei den Weltmeisterschaften 1983 in Helsinki Patriz Ilg, dem Fachlehrer für Werken und Sport von der Oberalb, ein sensationeller Sieg. Gekrönt von einem demütigen Kniefall.
Ilg verkörperte aber auch noch andere Tugenden. „Wenn ich am Start stand“, erzählt er, „musste ich wissen: Ich gewinne. Ich und kein anderer. Wer sich im Geiste damit zufrieden gibt, daß er nur vielleicht Erster werden kann, hat schon verloren.“
Patriz Ilg (r.) – Foto: DPA – picture alliance
Oft wurde Ilg wegen seines demütigen Kniefalls – nach seinem unerwarteten Erfolg – in Helsinki gelobt, doch im Grunde war Ilg niemals demütig, wenn er irgendwo an den Start ging. Er erinnert sich: „Im Gegenteil: Die anderen mussten das Zittern kriegen, wenn sie mich nur sahen.“ Aber dann gibt es auch noch einen Tipp für die Läufer von heute: „Bei mir stand immer die Qualität im Mittelpunkt des Trainings. Ich war immer ein Athlet, der relativ geringe Umfänge, aber dafür sehr intensive und hochdosiertem Einheiten absolviert hat.“
Zum Nachahmen empfohlen?
Erster Olympiasieger auf der 3000-Meter-Hindernisstrecke war 1956 im australischen Melbourne übrigens (noch) kein Afrikaner, sondern der Engländer Chris Brasher, der längst verstorbene Vater des traditionellen London Marathon.
Zu ähnlicher Bedeutung brachte es zwischen 1991 und 1995 der Kenianer Moses Kiptanui, ein Ausnahmeläufer, dessen Bandbreite noch heute alle Welt verblüfft: die 1500-Meter-Distanz durcheilte er in 3:34 Minuten, die Hindernisdistanz in fabelhaften 7:56, 16 Minuten und 1997, beim großen ASV-Meeting in Köln, die 5000 Meter in noch immer legendären 12:54,58 Minuten. Da reichen seine jetzt in Tokio um Medaillen kämpfenden Landsleute Abraham Kibiwott und Amos Kirui auch nicht annähernd heran.
Aber dennoch: Kenia bleibt im Hindernislauf weiterhin ganz weit vorne. Vor allem in den Statistiken. Weltrekordler ist weiterhin der Kenianer Stephen Cherono (7:53,63 Minuten); geführt wird er in den Annalen allerdings als Saif Saaeed Shaheen aus dem Wüstenstadt Katar.
Was viel Geld gekostet haben soll.
Sich auf diese Weise mit fremden Federn zu schmücken, hat leider Schule gemacht.
Klaus Blume
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