Vom Dehnen hält Degreif im Hinblick auf den reinen Ausdauersport nicht allzu viel. Wichtiger seien Erholungsphasen zwischen den Einheiten: „Der Körper muss zur Ruhe kommen.“
Der Eßlinger Zeitung Lauf – Bloß kein falscher Ehrgeiz – Die zehn Teilnehmer am Trainingsprogramm „Von null auf zehn in 20 Wochen“ bekommen Expertentipps – Michael Panzram in der Eßlinger Zeitung
Esslingen – Die zehn Teilnehmer des Trainingsprogramms „Von null auf zehn in 20 Wochen“ haben sich viel vorgenommen: Sie wollen bis zum 11. Juli richtig fit werden, um am zehn Kilometer langen Eßlinger Zeitung Lauf um den Sport-Flöss-Pokal teilzunehmen.
Dass der Weg für die überwiegend ungeübten Läufer steinig werden kann und was sie dafür tun müssen, um maximalen Trainingserfolg zu haben, machte ihnen eine Expertenrunde in der Apotheke am Theater in Esslingen deutlich.
Denjenigen Teilnehmern, die sich vielleicht noch bis zuletzt Hoffnungen gemacht hatten, dass das Training für den Eßlinger Zeitung Lauf nicht ganz so anstrengend werden könnte, nahm Jürgen Degreif, Chefarzt der Orthopädie am Klinikum Esslingen, die Illusionen mit einem einzigen Wort. Wo es denn am Körper weh tun könne, wurde Degreif von Moderator und EZ-Sportredakteur Andreas Müller gefragt.
„Überall“ lautete die Antwort des Mediziners. Gleichzeitig beruhigte er die Teilnehmer mit dem Hinweis und einem Augenzwinkern: „Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Laufen gut tut. “Beim Training in den winterlich frostigen Tagen empfiehlt Degreif nicht zwingend spezielles Schuhwerk, etwa mit Spikes. Eis sei zwar gefährlich, Schnee dagegen ziemlich unproblematisch, sagt er. Der am besten geeignete Untergrund ist für Degreif ein befestigter Weg. Wie die Belastung für den Einzelnen auf unterschiedlichen Belägen sei, hänge vom Laufstil ab.
Grundvoraussetzung sei jedoch der richtige Laufschuh. „Bei den großen Marken ist man ganz gut aufgehoben. Der Schuh ist für den Läufer das Spezifische – da darf er auch mal 120 Euro kosten“, sagt Degreif. Dass gewisse Körperpartien nach dem Training schmerzen könnten, sei eigentlich kein Problem. Bedenklicher werde es, wenn der Läufer vorher starke Schmerzen verspüre und trotzdem trainiere. Degreif warnt vor „falschem Ehrgeiz“. Schon viele Läufer seien gerade in den ersten Trainingseinheiten „zu hart rangegangen“, hat der Experte festgestellt.
Vom Dehnen hält Degreif im Hinblick auf den reinen Ausdauersport nicht allzu viel. Wichtiger seien Erholungsphasen zwischen den Einheiten: „Der Körper muss zur Ruhe kommen.“ Neben dem übertriebenen Ehrgeiz sei Trainieren trotz einer „körperlichen Hypothek“ der größte Fehler, den ein Läufer begehen könne.Beim Stichwort Motivation muss Degreif kurz überlegen. Da gebe es keinen Trick, sagt der Arzt. „Es kommt aus einem, oder es kommt nicht“, bringt er das Laufen auf eine einfache Formel. Wer sich immer wieder überwinden müsse, sollte irgendwann darüber nachdenken, „etwas anderes zu machen“.
Für Degreif ist Laufen so etwas wie „Meditieren“. Unterwegs könne er die „Gedanken laufen lassen“, alles sei so schön im Rhythmus. Wer solche Gefühle beim Laufen nicht kenne, sei eventuell in der falschen Sportart. Die Alternative Laufband im Fitnessstudio empfindet Degreif „als noch viel langweiliger“. Beim Training sei das Schönste, dass man in der Natur ist.
„Wenn man friert, ist es nichts“
Bei der Kleidung rät der Chefarzt dazu, immer so dick angezogen zu sein, dass man ein bisschen schwitze. Dabei gelte die Faustregel: „Wenn man friert, ist es nichts.“
Bei der Frage nach dem Krafttraining als unterstützende Wirkung zum Laufen scheiden sich in der Expertenrunde die Geister. Degreif hält den zusätzlichen Muskelaufbau für nicht notwendig. Stefan Rath vom Physiocentrum Rath und Neigenfind hingegen empfindet das Krafttraining als „elementar wichtig“. Besonders das Rumpfkrafttraining verhelfe zu mehr Stabilität: „Bei wem das fehlt, kann es sich im Laufe der Zeit negativ auswirken“, gibt der Phyisotherapeut zu Bedenken.
Einem Läufer, der umgeknickt sei, rät Rath zur sogenannten PECH-Regel: Pause – Eis – Compression – Hochlegen. Sollte der Knöchel blau anlaufen, „gehen Sie am besten gleich zum Arzt“. Am Anfang sollten die Teilnehmer nicht zu sehr an den Details ihrer Lauftechnik feilen. Grundsätzlich sei es aber wichtig, stabil und aufrecht im Oberkörper zu sein. Außerdem sollten sich die Läufer angewöhnen, ihre Füße bei jedem Schritt direkt unter dem Körper aufzusetzen und nicht ein Stück davor.
Wenig Apfelsaft mit viel Wasser
Die Expertin für Ernährung in der Runde, Gerlinde Steffan von der AOK, rät den zehn Teilnehmern am Trainingsprogramm zu Kohlehydraten: „Brot, Kartoffeln und Nudeln sind gut, Fleisch wird dagegen meistens überschätzt.“ Von einer klassischen Diät hält Steffan nichts. Die sei oft sehr einseitig, außerdem könne man dem Körper nicht gleichzeitig das Training und die gezielte Gewichtsabnahme zumuten. Vernünftig sei ein Verlust von etwa ein bis zwei Kilogramm pro Monat.
Beim Thema Trinken rät Steffan zu Mineralwasser mit wenig Kohlensäure. Ebenfalls sehr empfehlenswert sei die Mischung Apfelsaft und Wasser im Verhältnis eins zu drei. „Auf isotonische Getränke kann man getrost verzichten“, schickt die Ernährungsexpertin hinterher.
Gastgeber Christof Mühlschlegel, Inhaber der Apotheke am Theater, rät bei Krankheit wie etwa Schnupfen und Husten oder einer Grippe zu einer Trainingsunterbrechung von ein bis zwei Wochen. „Lassen Sie sich Zeit“, ist der Ratschlag des Apothekers. Zu früh mit dem Training wieder zu beginnen, könne „lebensgefährlich sein“. Auch von Schmerzmitteln hält er nichts: „Entweder man ist fit und kann laufen, oder eben nicht.“
Und noch einen Rat gibt Mühlschlegel den Läufern mit auf den Weg: „Es geht darum, dass Sie ihren Spaß haben.“
Anmeldungen zum Eßlinger Zeitung Lauf am 11. Juli sind ab 12. März unter www.ez-online.de möglich.
Michael Panzram in der Eßlinger Zeitung, dem 4. Februar 2010