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04
07
2008

Bei der WM 2007 in Osaka lief er erstmals bei einer Meisterschaft für die USA. Dort gewann er die 1 500 Meter - und danach die Dorfmeisterschaft von Kaptel: Denn über 5 000 Meter siegte der Nandi Bernard Lagat (USA) vor dem Nandi Eliud Kipchoge (Kenia).

Der Dorfmeister von Kaptel – Bernard Lagat strebt bei den Olympischen Spielen das Double über 1 500 und 5 000 Meter an – Jens Weinreich in der Berliner Zeitung

By GRR 0

EUGENE. Miika war auch da. Miika ist immer dabei, wenn Papa läuft. Und wenn Bernard Kipchirchir Lagat eine Pressekonferenz gibt, brabbelt Miika Kimutai Kipchirchir Lagat gern laut dazwischen. Die beiden gaben ein entzückendes Bild ab. "Nicht eine Minute will ich ohne Miika sein", sagt Bernard Lagat. "Laufen und meine Familie, mehr brauche ich nicht."

Man muss sich einen glücklichen Menschen wohl vorstellen wie Bernard Lagat. Seiner Familie geht es bestens – auch seinen Eltern, den neun Geschwistern und den vielen Verwandten in Kenia. "Ich bete zu Gott", sagt Lagat, "sie haben die Unruhen alle glücklich überstanden." Bernard Lagat, 33, ist in Kaptel aufgewachsen, einem Dorf im kenianischen Rift Valley. Seit 1996 lebt er in den USA, studierte an der Washington State University in Pullman. Sieben Jahre hatte er eine Green Card, bis er im Sommer 2004 amerikanischer Staatsbürger wurde.

Medaillen für Kenia

Zweimal war er für Kenia bei den Olympischen Spielen, im Herbst 2000 in Sydney (Bronze über 1 500 Meter) und im August 2004 in Athen (Silber über 1 500 Meter). In Peking läuft er unter US-Flagge. In Eugene hat er sich zunächst über die 5 000 Meter für die Sommerspiele qualifiziert. Über die 1 500 Meter ist die Konkurrenz zwar härter, aber das wird er auch meistern. "Im vergangenen Jahr hatte ich Rückenprobleme und habe zwei Mal bei der WM gewonnen", sagt er. "In diesem Jahr tut mir nichts weh. Warum soll ich das also nicht auch in Peking versuchen?" Was Paavo Nurmi (Finnland/1924) und Hicham El Guerrouj (Marokko/2004) geschafft haben, soll Lagat ebenfalls gelingen: Das Doppel über 1 500 und 5 000 Meter. "Sie sind die Ersten, denen ich das hier verkünde", sagt er feierlich.

Bei der WM 2007 in Osaka lief er erstmals bei einer Meisterschaft für die USA. Dort gewann er die 1 500 Meter – und danach die Dorfmeisterschaft von Kaptel: Denn über 5 000 Meter siegte der Nandi Bernard Lagat (USA) vor dem Nandi Eliud Kipchoge (Kenia). Beide stammen aus Kaptel. "Nicht ich und Eliot haben Gold und Silber gewonnen, sondern mein Dorf", sagte Lagat. Und auf der Tribüne rief Helmut Digel, Council-Mitglied des Weltverbandes IAAF: "Bernard! Tübingen gewinnt die Goldmedaille!"

Denn Lagat, der in Tucson (Arizona) lebt, verbringt im Sommer mitunter einige Zeit in Tübingen. Das ist praktisch zwischen den Meetings, sein Manager James Templeton, ein Australier, hat dort einige Läufer zusammengebracht. Kaptel, Tucson, Tübingen, Eugene, Osaka, Peking – so klein ist die Welt. Sein Trainer James Li, Chefcoach der Arizona Wildcats, ist Chinese. Verheiratet ist Lagat mit der Kanadierin Gladys Tom, deren Eltern ebenfalls Chinesen sind. Kurzum: Die Geschichte des Bernard Lagat ist völlig normal in dieser Szene.

Lagat war Kapitän der kenianischen Auswahl. Den Bruch mit seinem Verband gab es im August 2003, als ihm bei einer Trainingskontrolle in Tübingen Epo nachgewiesen wurde. Er durfte nicht an der WM in Paris teilnehmen. Doch die B-Probe war negativ, weil von Bakterien angegriffen. Lagat fühlte sich ungerecht behandelt und von den Funktionären im Stich gelassen. Gegen den Weltverband IAAF klagte er vergeblich auf Schadenersatz.

Neue Taktik

Letztlich hat sich für ihn alles bestens entwickelt. Woran vor ein paar Jahren, als der Marokkaner Hicham El Guerrouj auf seinen Strecken regierte, nicht zu denken war. Sicher, Lagat hat El Guerrouj bei einigen Meetings geschlagen, aber nie bei Meisterschaften. "Ich habe mich zu sehr an ihm orientiert", sagt Lagat. "Im Nachhinein sagt mein Trainer, ich hätte viel besser sein können, wenn ich mehr an mich geglaubt hätte." Früher dachte er, Rennen ließen sich nur von vorn mit brutalem Tempo entscheiden, so wie es El Guerrouj vormachte. Inzwischen weiß er, dass er auch von hinten das Feld aufrollen kann oder von einer mittleren Position. Daran findet er Gefallen.

Manchmal denkt Bernard Lagat darüber nach, was gewesen sein könnte, hätte er sein taktisches Repertoire eher ergänzt. Andererseits, was hätte es gebracht, sich gegen El Guerrouj lässig zurückfallen zu lassen. Nichts, natürlich. Lagat muss lachen.

Es ist, wie es ist. Es gibt nichts zu bereuen. Dieser Mann ist mit sich im Reinen.

Jens Weinreich in der Berliner Zeitung, Donnerstag, dem 3. Juli 2008

author: GRR

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