Ein neues Konzept mit der Beantwortung vieler ungelöster Fragen zum „wie weiter“ blieb im Hintergrund. Dafür wurde schon wieder eine neue Bewerbung für eine EM in Berlin ins Gespräch gebracht obwohl die angedachten Reformen aus der Vergangenheit noch immer dringlich auf eine Lösung warten.
Der DLV hat sich beim Verbandstag für ehrgeizige Ziele neu aufgestellt – Wenn DLV-Präsident Prokop den 4. Platz bei Olympia 2012 will müssen alle Disziplinen ihren Beitrag leisten. Ein Kommentar von Lothar Pöhlitz.
22. Dezember 2009 – An der Schwelle zum neuen Jahr ist es nun sicher mit etwas Abstand an der Zeit, zu den zum Teil euphorischen Berichten vom 45. DLV-Verbandstag im November in Berlin u.a. auch bei leichtathletik.de, einige sachliche Anmerkungen, einige Gedanken anzufügen. Vielleicht finden auch sie in den besinnlichen Tagen zwischen den Jahren einmal Ruhe darüber nachzudenken.
Von Ovationen, von der WM als Werbung für die Leichtathletik in mustergültiger Weise und der guten Partnerschaft rund um die Ausrichtung der WM, als eine gute Gelegenheit sich im Sport zu positionieren, von spürbarer Aufbruchstimmung in Berlin und dass die deutsche Leichtathletik geeint und nach vorn gebracht wurde, wurde berichtet. In der Tat, es war ein schönes Fest. Wir sind gut davongekommen.
Ein neues Konzept mit der Beantwortung vieler ungelöster Fragen zum „wie weiter“ blieb im Hintergrund. Dafür wurde schon wieder eine neue Bewerbung für eine EM in Berlin ins Gespräch gebracht obwohl die angedachten Reformen aus der Vergangenheit noch immer dringlich auf eine Lösung warten. An der Spitze die nächste große Bewährung für den DLV bei den Olympischen Spielen 2012 in London mit einem vom Präsidenten angestrebten 4. Platz in der Nationenwertung (!). Obwohl das ganz nahe ist, die Wege und erforderlichen Lösungswege für dieses anspruchsvolle Ziel blieben leider im Nebel.
Scouts suchen Talente und kompetente Trainer bilden sie aus
Wohltuend sachlich formulierte der alte und neue Präsident Dr. Clemens Prokop im Gegensatz zu den Medien: „Wir haben keinen Anlass zur Überheblichkeit, aber Anlass zum Feiern. Die Leichtathletik hat sich in diesem Jahr lebendig, attraktiv und zukunftsorientiert gezeigt.“ Und wertete zugleich die „Perspektiven der Leichtathletik in der Schule“ über die Prof. Dr. R. Prohl referierte als „eine der zentralen Herausforderungen unserer Sportart“.
Die Organisation eines Deutschen Schulstaffeltages ab 2010 muss man als eine sicher wirksame Idee loben, die bestimmt landesweit einen großen Schritt in Richtung Annäherung an die Schulen in kurzer Zeit ermöglicht, vorausgesetzt das verantwortliche Personal engagiert sich allerorts entsprechend. Die Suche von Talenten, Hochbegabten und die Ausbildung und Qualifizierung von Trainern die sie ins Weltniveau führen können sollte für die Olympische Leichtathletik trotzdem Vorrang und oberste Priorität haben. Aber ein Bekenntnis zu den DOSB – Eliteschulen des deutschen Sports steht noch immer aus.
8 – Punkteprogramm erfordert den Einsatz aller, beim DLV und den LV
Vor seiner Wahl hatte Dr. Prokop den Delegierten aus den zwanzig Landesverbänden ein ambitioniertes Acht-Punkte-Programm für „sofort“ vorgestellt, mit dem er die deutsche Leichtathletik voranbringen möchte:
„Wir stehen in den kommenden vier Jahren vor nicht einfachen Zeiten, viele Probleme zeichnen sich ab. Die Rahmenbedingungen haben sich teilweise dramatisch verändert. Wir haben es aber nicht geschafft, eine umfassende Reform vorzunehmen. Aber ich stehe für Reformen“.
Dabei setzte er sich u.a. mit den Problemen der Vereine intensiv auseinander und will eine wirtschaftliche Absicherung der Top-Athleten erreichen. Auch dies ist wohl im Zusammenhang mit einer notwendigen Aufarbeitung von Defiziten im Bereich hauptamtlicher Qualitätstrainer und einer erforderlichen Konzentration der Kräfte eine Hauptaufgabe. Gesagt ist aber noch nicht getan. Dass ist doch die Erfahrung aus dem letzten Jahrzehnt. Wer macht was? Wer in Zukunft dafür verantwortlich ist muss festgelegt werden.
In diesem Aufgabenfeld muss auch die Gewinnung und Qualifizierung von Übungsleitern „damit jedes Kind und jeder Jugendliche im Verein Leichtathletik trainieren und erleben kann“ als dringlichst für die Landesverbände angesehen werden, wenn die Leistungs – Leichtathletik im nächsten Jahrzehnt überleben soll. Diese Aufgabe ist dringender als die Einführung einer C – Jugendklasse mit in den letzten Jahren bereits unwirksamen Inhalten. Erst kürzlich wurde bei einem Kommunikationsforum diskutiert, dass die in die Vereine drängenden Kinder mangels Trainern vielerorts nicht versorgt bzw. aufgenommen werden können. In diesem Zusammenhang muss man sich doch die Frage stellen, warum die Lehre (Lehrwarte) in der Vergangenheit diese Aufgabe nicht lösen konnte(n)?
„Die höchste Priorität gilt weiter der Förderung des Leistungssports. Wir wollen den Aufwärtstrend fortsetzen. Unser ehrgeiziges Ziel ist es, bei den Olympischen Spielen 2012 in London zu den besten vier Nationen zu zählen.“ (Dr. Clemens Prokop 2009)
Auch Lauf / Gehen ist Teil der Olympischen Leichtathletik
Dieses ehrgeizige Ziel erfordert die Erschließung von Reserven in allen Disziplinbereichen, auch im Bereich Lauf / Gehen, der gegenwärtig wohl die größten Hilfen brauchte. Für die Neubesetzung für den Bereich Leistungssport innerhalb der Olympischen Leichtathletik des DLV mit dem Vize-Präsidenten für Leistungssport Günther Lohre und Sportdirektor Thomas Kurschilgen sollte man dem DLV nicht nur gratulieren, sondern die Hoffnung verbinden, dass sich zukünftig langjährige Praxis – Erfahrung mit Mut zu echten Reformen und Maßnahmen verbinden, die Trainern und Athleten die notwendigen Bedingungen für internationale Konkurrenzfähigkeit für den Nachwuchsleistungsbereich und das Hochleistungstraining schaffen, sondern auch den Wunsch vielfältiger Unterstützung durch die Funktionäre bei den Landesverbänden.
Zumindest machen die bisher veröffentlichten Interviews Hoffnung wenn man von hohen Zielen, Leistungseliten, Top-Teams in Spitze und Nachwuchs, Medaillen und Endkampfplätzen, von einer Philosophie des Gewinnen – Wollens, von mehr Trainings- und Trainerqualität, von sportfachlicher Personalverantwortung und dem Wunsch das alle Beteiligten Führungsaufgaben übernehmen um auch die schwächeren Disziplinen an die internationale Leistungsspitze heranzuführen.
Auch wenn sicher nicht mehr als 10 % der etwa 900.000 Mitglieder des DLV diesen Bereich zuzuordnen sind, die Weltmeisterschaft in Berlin hat gezeigt, dass Deutschland und seine internationale Leistungsfähigkeit in der Welt über seine Besten, seine Aushängeschilder, beurteilt, gelobt oder auch kritisiert wird.
Zum Jahreswechsel möchte man dem neuen Personal Gesundheit, eine glückliche Hand, Durchsetzungskraft, alles Gute und eine Konzentration auf die Hauptaufgaben, von denen hoffentlich eine Strukturreform für den Bereich Lauf / Gehen ganz vorn rangiert, wünschen, damit auch weiterhin in der Welt von der deutschen Leichtathletik mit Respekt und Hochachtung gesprochen wird.
Dem DLV-Präsidenten kann man nur wünschen, beim Verbandstag im Herbst 2012 allen Beteiligten voller Stolz für ihre gute Arbeit (4. Platz in der Nationenwertung) Lob und Anerkennung aussprechen zu können. Er möge aber darauf achten, dass bis dahin dieses anspruchsvolle Ziel immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller bleibt. Nehmen Sie bitte die Aufbruchstimmung vom Verbandstag nicht nur ins neue Jahr mit.
Lothar Pöhlitz