"Lauf doch mal beim Nachbarn - in Polen"!: Der 3. Orlen Warsaw Marathon am 26. April 2015 - Lukas Plewnia berichtet © FEMBI https://www.facebook.com/ffembi
Der 3. Orlen Warschau Marathon am 26. April 2015 – „Lauf doch mal beim Nachbarn – in Polen“! – Lukas Plewnia berichtet
(Warschau, LP) Der Himmel ist bewölkt, leichter Nieselregen prasselt auf uns herunter. Es ist kurz vor 9:30 Uhr, ich stehe an der Startlinie des Orlen Warsaw Marathon.
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Über uns kreisen zwei Hubschrauber. Die Teilnehmer sind gelassen, konzentriert, einige leicht angespannt.
Die Marathonläufer haben rote Laufhemden und die 10-km-Läufer weiße übergestreift, damit wirkt es von oben so, als wenn eine große polnische Flagge ungeduldig auf das Startsignal warten würde. Dann geht es los, zuerst startet der 10-km-Lauf und kurz darauf der Marathon. Einige tausend, überwiegende männliche Läufer setzten sich in Bewegung. Schnell vergesse ich das schlechte Wetter, letztes Jahr schien noch die Sonne.
Die Veranstalter des Orlen Warsaw Marathon bezeichnen das Ereignis als größte Laufveranstaltung in Polen. Und tatsächlich bewegt sich an diesem Sonntag eine nicht endend wollende Menschenmenge über die Startlinie des 10-km-Laufes und des Marathons, der mit 42,195 km zur Königsdisziplin nahezu aller Freizeitläufer gehört.
Am Ende kommen dann auch 7.358 Marathonläufer und 13.238 10-km-Läufer ins Ziel.
Mit dem Startschuss bewegt sich der Orlen Warsaw Marathon somit schon zum dritten Mal dem Ziel entgegen. Zum ersten Mal wurde die Laufveranstaltung, deren Motto “Nationaler Feiertag des Laufens” ist, im April 2013 organisiert. Damit hat Warschau zwei große Laufveranstaltungen – der geschichtsträchtige PZU-Marathon findet im September zum Ende der Sommerlaufsaison statt.
Viele Medien berichten live, einige Sender lassen zusätzliche Drohnen über den Profis und Freizeitsportlern kreisen. Es scheint als wenn ganz Polen mit fiebert.
Euphorie nach dem Start
Kurz nach dem Start ist die Euphorie zum Greifen nahe. Die Startlinie durchquert, sind wir schon auf der Świętokrzyski-Brücke und orientieren uns danach schnell gen Süden. Der Marathon führt nämlich nicht durch den Stadtkern der Weichselmetropole, was schade ist, denn viele geschichtsträchtige Orte bekommen wir so nicht zu sehen.
Meine zu Hause getroffenen Vorsätze sind auf der imposanten Brücke schon über Bord geworfen. Eigentlich wollte ich auf den ersten 20 Kilometer einen Puls von rund 150 laufen, um noch Reserven für die letzten Kilometer zu bunkern. Leider ist nichts draus geworden. Egal, die Stimmung trägt. Ein älterer Mann hält uns am Wegesrand ein Pappschild entgegen: “Ihr seid alle Irre” steht drauf. Wir lachen und winken ihm beherzt, zustimmend zu. Und dann kommt auch schon die erste Live-Band – am Wegesrand spielen alle paar Kilometer junge Gruppen meistens Hardrock. Leider bleibt zur Würdigung der Künstler wenig Zeit. Es geht weiter, noch ist das Ziel weit entfernt.
Kilometer 20 – jetzt geht es nur noch bergab
Ist die Hälfte erst einmal geschafft, ist man schon fast am Ziel! Dieser Gedanke hält mich bis zur 20-Kilometer-Marke fest im Griff. Wohl ein psychologischer Schutzmechanismus, der vergessen lässt, dass es zum Ende hin immer schlimmer wird und der richtige Kampf erst nach 30 Kilometern beginnt.
Vielleicht kommt der Hammer auch bei Kilometer 35?
Aber solche Gedanken beunruhigen mich nicht, denn sie wirken unrealistisch: Ich und aufgeben? Nie! Allgemein bemerke ich bei Kilometer 20, dass ich immer weniger denke und das Erinnerungsvermögen doch stark nachlässt. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, wie lang wohl der Marathon ist: Sind es 41,195 Kilometer oder doch 42,195? Alles Blödsinn!
Zum Glück lenken die Zuschauer am Wegesrand ab. Viele sind es leider nicht, was man bei diesem Wetter niemandem verübeln kann. Meist sind es wohl Familienangehörige und Bekannte von Teilnehmern: Sie halten Plakate mit den Namen ihrer Liebsten hoch. Drei Kinder haben T-Shirts an, auf denen steht, dass sie ihren Vater lieben. Auf dem T-Shirt der dazugehörige Mutter steht, dass sie ihren Mann liebt. Ich erlebe allerhand lustiges. Neben mir applaudiert eine Gruppe von Läufern den Zuschauern zu – ich schließe mich diesem an und mein Puls ist jetzt beständig bei über 170.
Bei Kilometer 29 kommt leichte Müdigkeit auf, ich ertappe mich immer häufiger bei dem Gedanken einfach mal aufzuhören und mich am Straßenrand hinzusetzen. Ein Energy-Gel hilft, sofort durchströmt Energie meinen Körper.
Das Ende naht – der Verstand schaltet ab
Mit jedem Kilometer wird die Strecke schwieriger, doch ich schaue nach vorne, mit jedem Schritt komme ich dem Ziel näher. Bei Kilometer 35 sind es nur noch 5 Kilometer und danach ist es ein Katzensprung bis zum Ziel – kaum der Rede wert. Gott sei Dank wird auch das Tempo meiner Mitläufer langsamer, ich spare Energie. Ablenkung ist das Gebot der Stunde: Ich mustere meine Umgebung, singe ein Lied über Warschau, das gerade über die Kopfhörer in mein Gehirn eindringt und stelle mir vor, wie ich über die Ziellinie laufe und alles endlich vorbei ist. Schön, dass es nieselt!
Neben mir machen immer mehr Läufer schlapp. Einige liegen gebrochen am Wegesrand, hin und wieder sind die Sirenen eines Krankenwagens zu hören. Doch ich bin motiviert, es hilft, dass meine Freundin an der Ziellinie wartet. Bloß nicht enttäuschen! Jetzt ist mein Puls schon bei über 180 und die Zielmarke nur noch 3 Kilometer entfernt. Das Gehirn setzt aus – alles um mich herum kommt mir verschwommen, geradezu unwirklich vor.
Ein letztes Energy-Gel sorgt für die noch nötige Kraft – und plötzlich durchströmt mich reine Euphorie. Auf den letzten Kilometern gebe ich richtig Gas. Das Ziel kommt immer näher, ich schreie vor Glück und die Zielmarke ist hinter mir. Schnell die Medaille mitgenommen und dann liege ich schon in den Armen meiner Liebsten. Ich bin glücklich. Mein nächster Gedanke: Wann geht es wieder los?
Meckern gehört auch in Polen zum Volkssport
Zum Schluss: Meckern gehört zu Polen wie das Lila zur Milka-Kuh. So wurde der Warschauer Marathon überschattet von unzufriedenen Autofahrern, die teilweise mehrere Stunden vor Absperrungen warten mussten. Nicht, dass vorher schon bekannt war, welche Strecke für den Lauf reserviert war.
Nein, solche Planungen überforderten wohl einige nach Freiheit dürstende Auto-Besitzer.
So war auch der Bericht in der Hauptnachrichtensendung von tvn24 über den Marathon ein Schau über unzufriedene Autofahrer, die am liebsten das gesamte Ereignis in einen Wald oder auf ein Feld verlagert hätten.
Aber mit solcher Kritik müssen Sportereignisse wohl in einem Land rechnen, in dem eine gesunde Lebensweise noch nicht zum Leitmotiv gehört. Mal schauen, wie das in einigen Jahren aussieht.
Der Orlen Warsaw Marathon startete am 26. April 2015 zum dritten Mal – die Veranstalter bezeichnen das Event als größte Laufveranstaltung in Polen. Ein Teilnehmerbericht von Lukas Plewnia, der auch die Internetseite Polen-heute.de betreibt.
Der Marathon brachte 2015 mit der Zeit von 2:07:57 einen beeindruckenden Streckensieger hervor: Lemi Hayle Berhanu. Am 24.4.2016 findet der Lauf das nächste Mal statt. Wem das zu spät ist, der kann Ende September noch auf den zweiten Marathon der polnischen Hauptstadt setzen.
Lukas Plewnia
Fotonachweis: FFEMBI
Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT:
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