Dehnen im Laufsport: – Eine Befragung zu Dehngewohnheiten und Verletzungen –
1.Zielsetzungen der Studie
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine Bachelor-Arbeit, die von Carsten Becker unter der Betreuung von Prof. Dr. Klaus Bös am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe durchgeführt wurde. Die Arbeit verfolgte drei Ziele:
1.Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zu den Dehnwirkungen
2.Beschreibung der derzeitigen Dehnpraxis im Laufsport
3.Untersuchung einer möglichen verletzungsprophylaktischen Wirkung von Dehnen
2. Aktueller Forschungsstand
Die Vergrößerung der Bewegungsreichweite in den Gelenken nach einer Dehnanwendung konnte bisher gesichert nachgewiesen werden.Entgegen der landläufigen Meinung kann „dehnen“ allerdings Muskelkater nicht verhindern. Im Gegenteil: Es gibt in der Literatur zahlreiche Befunde, die eine Verschlimmerung von Muskelkater durch Dehnübungen belegen. Schon intensives Dehnen allein kann Muskelkater hervorrufen.Sehr uneinheitlich sind die Forschungsergebnisse in Bezug auf eine verletzungsprophylaktische Wirkung des Dehnens Die Mehrheit der Studien kann aber keinen Zusammenhang nachweisen.Bezüglich einer Steigerung von Kraft- und Schnellkraftleistungen zeigen die Studienergebnisse zwei Tendenzen: Dynamisches Dehnen wirkt sich nicht oder minimal auf die Leistungsfähigkeit aus, statisches Dehnen wirkt leistungsmindernd. Nicht zu unterschätzen sind die psychischen Wirkungen einer Dehnung. Dehnen bewirkt neben dem subjektiven Gefühl eine bessere Leistung zu erbringen für eine spürbare Entspannung der Muskeln und entwickelt ein spezielles Körpergefühl.
3. Untersuchungsdesign der Studie
Stichprobe: 176 Freizeitläufer (109 Männer, 67 Frauen); Datenerhebung mittels Fragebogen; März bis Juni 2007; Ort der Datenaufnahme: Raum Karlsruhe, Raum Pforzheim, Raum Bruchsal
4. Studienergebnisse
Dehnen ist in Läuferkreisen immer noch sehr weit verbreitet. 82,4 % gaben an sich (regelmäßig oder unregelmäßig) zu dehnen.Die Methode der Wahl ist die statische (gehaltene) Dehnung (Stretching). 137 Läufer wenden diese Dehnmethode an. Nur 17 Personen dehnen auch/ oder dynamisch. Verletzungen am Muskel-Band-Apparat zogen sich 30,7 % beim Laufen zu. Erwartungen die Läufer an das Dehnen haben, sind bis auf die Verbesserung der Beweglichkeit nicht wissenschaftlich begründet.
Spezielle Fragestellungen der Untersuchung
Aufgrund der Untersuchung spezieller Fragestellungen können folgende Aussagen über die Stichprobe getroffen werden:Frauen unterscheiden sich nicht von Männern hinsichtlich der Anwendung von Dehnungen.Es gibt keine altersbedingten Unterschiede hinsichtlich der Anwendung von Dehnungen beim Laufen.Es besteht kein Unterschied zwischen verschiedenen Läufertypen (Vielläufer, Durchschnittsläufer, Gelegenheitsläufer) hinsichtlich der Anwendung von Dehnungen.Es besteht kein Unterschied zwischen den verschiedenen Läufertypen hinsichtlich ihren bisherigen Verletzungen am Muskel-Band-Apparat.Läufer verschiedener Altersgruppen unterscheiden sich nicht im Verletzungsaufkommen am Muskel-Band-Apparat.Läufer die angaben, sich zu dehnen, unterschieden sich nicht von Läufern die nicht dehnen in Bezug auf das Auftreten von Verletzungen am Muskel-Band Apparat. Anmerkung: Aufgrund der Datenlage lässt sich sogar eine verletzungssteigernde Wirkung annehmen.Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Dehnregelmäßigkeit eines Läufers und dem Auftreten von Verletzungen beim Laufen.Das Auftreten von Verletzungen unterscheidet sich nicht je nach verwendeter Dehnmethode. • Läufer, die regelmäßig vor einer Laufeinheit Dehnübungen durchführen, unterscheiden sich hinsichtlich des Verletzungsaufkommens nicht von Läufern die nur gelegentlich vorher oder nur danach dehnen.Anmerkung: Hier ist eine Tendenz erkennbar, dass Dehnen vor der Laufeinheit die Verletzungswahrscheinlichkeit steigert.
Zusammenfassung
Bei vielen Läufern ist immer noch eine unzureichende Kenntnis über die Dehnwirkungen (Stichwort: Muskelkater, Leistungssteigerung) und einzusetzende Methoden (vor dem Laufen wenn überhaupt eher dynamisch statt statisch dehnen) vorhanden.Eine Steigerung der Beweglichkeit konnte durch andere Studien wissenschaftlich gesichert nachgewiesen werden.Dadurch ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten: Gezielte Dehnungen im Sport sind besonders dann sinnvoll, wenn durch einseitige Beanspruchungen die Beweglichkeit eingeschränkt ist. Hier haben auch statische Methoden ihre Berechtigung.
Eine Verletzungsprophylaxe durch Muskeldehnung ist nach Meinung der meisten Sportwissenschaftler und auch nach den Ergebnissen der durchgeführten Untersuchung nicht möglich. Es gibt sogar Tendenzen, dass regelmäßiges Dehnen vor der Laufeinheit das Risiko eine Verletzung zu erleiden steigert. Die Ergebnisse dieser Untersuchung reichen allerdings noch nicht aus, um diese These zu belegen.
Quelle: Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe