Blog
10
01
2010

Ein gezielter Formaufbau für ein Frühjahrsrennen sollte sich auf ca. 6-8 Wochen beschränken. In den meisten Trainingsplänen sind bei längerem Aufbau ohnehin vier Wochen Voraufbau drin, ehe die härtere Belastungsphase kommt.

Das Lauftraining im Winter – Manfred Steffny in SPIRIDON

By GRR 0

In der Theorie und von der Methodik her stellt das Lauftraining im Winter den einfachsten Part der vier Jahreszeiten dar, in der praktischen Durchführung oder sogar Durchführbarkeit wird es dann zum schwierigsten Teil des Jahrestrainings, für manche sogar zum schwarzen Loch.

Bei schlechtem Wetter und Dunkelheit helfen da vor allem eine mental positive Einstellung und feste Ziele als Ansporn für die nächste Saison.

Was ist das Einfache am Wintertraining?

Ganz klar, die Variationsbreite des Trainings ist eingeschränkt. Grundlagen- oder Basistraining ist angesagt, Kilometer werden angesammelt, das Tempo wird sekundär. Das ist Chance und Gefahr zugleich. Der Dauerlauf in seiner langsamen Spielart wird zum Brottraining.

Ehe wir die Spielarten des Trainings durchgehen, kommen wir zu den Gegebenheiten des Winters. Der kürzeste Tag des Jahres in Mitteleuropa ist der 21. Dezember mit gerade acht Stunden. Das ist gegenüber den langen Juni-Tagen eine Lichtkürzung um 50%. Diese Fakten verändert auch kein Klimawandel, der uns zu den dunklen Tagen noch ein eher winteruntypisches Schmuddelwetter beschert. Schnee und Eis sind seltener geworden. Die paar Grad mehr und Nieselregen statt Schneeflocken sind läuferunfreundlich und stellen u.a. höhere Anforderungen an die Ausrüstung des Läufers.

Auch Kleider machen Läufer

Feste Laufschuhe mit einem starken Profil, möglichst wasserundurchlässig und eine halbe Nummer größer als der leichtere Sommerlaufschuh ,sind da vonnöten. Außerdem braucht man bei Nässe sowieso ein Ersatzmodell, da ein Laufschuh erst mal innerhalb von ca. 48 Stunden möglichst schonend trocknen soll statt sich auf der Heizung liegend zu verformen. Hilfreich sind da die Heizgeräte in Form eines Schuhleistens, wie sie von den Skifahrern verwendet werden. Warum eine Nummer größer?

Erstens weil man auf unsicherem Boden auch im Schuh mehr rutscht und zweitens weil man mit einer dickeren Socke mehr Raum benötigt. Die ausgefeilte Technik der führenden Sockenmarken mit Passform, mehreren Lagen und schweißdurchlässig hat zwar ihren Preis, ist aber dennoch oft rentabler als die Anschaffung eines teuren Schlachtschiffs von Schuh. Bei der Kleidung hat sich Mikrofaser gegen Baumwolle durchgesetzt.

Unterwäsche oder Trikots, die Schweiß transportieren, haben bei jedem längeren Lauf den Vorteil, dass man nicht klatschnass ankommt. Die Verdunstungskälte macht sich nicht nur unangenehm bemerkbar, sondern kann auch zu Rücken- und Ischiasbeschwerden führen. Die verschiedenen Mischgewebe wie Polyurethan, Polyester, Sympatex sind da ein Gewinn für Läufer gegenüber dem traditionellen Naturstoff Baumwolle. Allerdings ist die Geruchsbelästigung stärker und nicht jeder verträgt Kunststoff auf dem Körper. Wenn es juckt oder man Blasen auf der Haut hat, sollte man den jeweiligen Stoff genau auf seine Bestandteile prüfen und beim nächsten Lauf ausschließen.

Anders als Baumwolle, die Nässe aufnimmt und speichert, leitet Wolle Schweiß weiter. Zum Laufen ist Wolle meistens zu schwer, doch feine Merinowolle vereinigt die Vorteile von Natur- und Chemiefaser, ist aber auch nicht billig. Für einen einstündigen Lauf reicht aber auch das Zwiebelprinzip in seiner einfachsten Form: zwei Baumwoll-T-Shirts übereinander. Anfangs entsteht so ein wärmender Luftstrom und sollte es später tatsächlich „kleben“, dann saugt das obere Baumwollhemd einen Teil der Nässe auf. Die Textil-Hersteller bieten uns das Mehrlagen-Prinzip in der Oberbekleidung in ausgefuchsterer Form als mit zwei 5-€-T-Shirts von den beiden letzten Läufen an. Das hat allerdings einen Preis.

Wichtig ist die möglichst regenundurchlässige Oberbekleidung in Form einer Jacke, die nicht zu knapp geschnitten sein darf. Vorreiter ist hier Goretex, doch gibt es inzwischen auf dem Markt eine Reihe Anbieter ähnlicher Materialien bis hin zum Discounter. Weit und lang sollte die Jacke sein, denn erstens fühlt man sich schnell eingezwängt und zweitens sollten Hüften und Gesäß ganz bedeckt sein. Als Hosen hat sich das schwerere und wenig flexible wasserabweisende Material im Laufbereich nicht durchgesetzt. Tights aus Mikrofaser verschiedener Länge und mit beweglichen oder wärmenden Einsätzen haben sich als besser erwiesen. Im klassischen Trainingsanzug geht beinahe nur der Nachbar zum Bierholen.

Wie trainieren?

Die Uhr ist im Winter unwichtig. Wie schnell man läuft und wie viele km man tatsächlich abgespult hat, hat eine geringere Bedeutung als in der Vorbereitungszeit auf einen wichtigen Lauf. Wichtiger ist im Winter, sich an der Gesamt-Laufzeit zu orientieren und dies auch so in den Trainingskalender einzutragen. Wer will, weil er die Wochen-km zählt, kann dies dann umrechnen oder überschlagen. Hier ist natürlich eine GPS-Uhr vorteilhaft. Das Führen eines Trainingsbuchs ist wichtig, einmal zur Eigenkontrolle und als Ansporn, dann aber auch zum Vergleich mit früheren Läufen und Jahren. So kann man seinen Trainingsaufbau überprüfen und verbessern, Fehler in der Vorbereitung erkennen und abstellen. Man muss sich dabei durchaus nicht auf ein starres Programm festlegen.

Im Vordergrund als Trainingsmittel steht der Dauerlauf mit seiner langsamen und mittleren Spielart. Die Belastung sollte dabei sowohl tempo- wie pulsmäßig zwischen 60 und 75% liegen. Der Herzfrequenzmesser ist da hilfreich, denn dies sind auch die Prozentzahlen des Maximalpulses. Die Pulskontrolle ist wichtig, wenn man:
• nach einer Pause wieder anfängt
• schwere Kleidung trägt
• bei Wind- und Wettereinflüssen

Nur nicht zu schnell!

In allen diesen Fällen versagt oft auch bei versierten Läufern der Laufinstinkt. Man droht zu schnell zu laufen und in den schnellen Dauerlauf auszubrechen, der im Winter nur selten als Trainingsmittel eingesetzt werden soll.

Der maximale Pulsschlag sollte bekannt sein, die nur bedingt wirksame einfachste Formel heißt Maximalpuls 220 minus Lebensalter. Vor allem bei vielen über Jahre hinweg trainierenden Leuten liegen die Werte höher. Aus dem Maximalpuls lässt sich dann der wünschenswerte Belastungspuls errechnen. Neben dem Maximaltest ist auch die Festlegung der sogenannten Own-Zone nach Polar ein Indikator für die Belastung.
Diese Belastung kann man sich natürlich auch individuell selber ausrechnen an Hand seiner 1.000-m-Bestzeit. Wer die nicht weiß, kann auch seine 10-km-Zeit durch zwölf dividieren und kommt auf einen Hilfswert.

Beim langsamen Supersauerstofflauf (SSL) sind das ca. 50% (1.000-m-Bestzeit 3 min = 6 min), beim langsamen Dauerlauf (LDL) ca. 60-65% gleich bei 3 min = ca. 5:00 min, beim mittleren Dauerlauf (MDL) ca. 70-75% gleich bei 3 min = ca. 4:30 min). Bei 3:30 min sind das dann grob: SSL 7:00 min, LDL 6:00 min, MDL 5:30 min). Wer langsamer ist über 1.000 m oder die 10 km nicht unter 50 min schafft, sollte sich bei einem einstündigen Training mit einem km-Schnitt von 6:00 min und darüber begnügen und im Frühjahr an der Verbesserung der 10-km-Zeit arbeiten.

Wer einige Zeit ausgesetzt hat, ein Winterpäuschen eingelegt hat, sollte seinen Lauf extrem langsam beginnen, wirklich warten, bis sozusagen der Motor wieder anspringt und die Gelenke geschmiert sind. Ein einziger zu schneller Trainingslauf Anfang des Winters zur Unzeit kann einen eine volle Woche zurückwerfen. Ein machomäßiger Einstieg ins Wintertraining ist so ungefähr das Falscheste, was man machen kann. Mit drei leichten Einheiten ist man dagegen im Aufbau schon eine Woche weiter.

Bei dreimaligem Training in der Woche – dies ist das Minimum, sogar für Formerhaltung auf kleiner Flamme – sollte ausschließlich der langsame Dauerlauf eingesetzt werden. Bei viermaligem Training in der Woche kann eine über die andere Woche im Wechsel neben einstündigen Standards entweder ein etwas schnellerer Dauerlauf von 45 min durchgeführt werden oder ein längerer von 90 bis 120 min Dauer als langer langsamer Dauerlauf. Erst wer fünfmal und mehr in der Woche trainiert, ist stabil genug, im Winter auch andere Trainingsmittel wie Fahrtspiel oder dem Long Jog von 25+ anzuwenden. Diese Hard-Core-Läufer beiderlei Geschlechts können bei gutem Wetter und Helligkeit schon mal ein Crescendo-Dauerlauf mit ansteigendem Tempo einstreuen.

Die langsamen Läufe aber bilden den Mörtel zwischen den Steinen, von Leistungsdiagnostikern oft als unwirksam verschrien. Der Leistungszuwachs ist nicht messbar, spielt er sich doch im peripheren Kreislauf mit besserer Durchblutung, Bildung von kleinen feinen Bluthaargefäßen als Sauerstofftransporteuren (Stichwort Kapillarisierung) ab und als Anpassung des Stoffwechsels an die bei Läufen ab 25 km eminent wichtige Fettverbrennung.

Verzicht auf Tempoläufe

Schnelle 1.000-m-Tempoläufe im Renntempo, wie sie sogar in manchem unsinnigen Trainingsplan für jugendliche 3.000-m-Läufer empfohlen werden, sind in diesem Jahresabschnitt die Vorboten von Verletzungen und Formeinbrüchen. Stattdessen dienen Crossläufe und Winterserien der Unterbrechung des winterlichen Trotts.

Ein gezielter Formaufbau für ein Frühjahrsrennen sollte sich auf ca. 6-8 Wochen beschränken. In den meisten Trainingsplänen sind bei längerem Aufbau ohnehin vier Wochen Voraufbau drin, ehe die härtere Belastungsphase kommt. Statt Tempoläufe einzublenden ist im Winter allgemeine Fitness angesagt. Das gilt für den Nachwuchs wie für Altersläufer. Kräftigungsgymnastik, Zirkeltraining, moderates Training im Studio, Ballspiele zur Förderung der Koordination und Flexibilität haben da absolute Priorität vor Knüppeleien auf der Bahn.

Allein oder in der Gruppe

Gerade im Winter läuft es sich in der Gruppe leichter. Wenn einige eine Läuferlampe dabei haben, sind die Wege einigermaßen gut ausgeleuchtet. Als Gruppe nimmt man sich auch den Wind weg, es ist wärmer, man fühlt sich einfach geborgener. Die Gefahr ist, dass unterschiedlich starke Läufer zusammengedrängt laufen und oft die stärkeren den schwächeren ihr Tempo aufdrängen. Dann leiden die langsameren Läufer und werden überfordert. Beim Training allein, das am besten am Wochenende vom Wohnhaus aus durchgeführt wird, kann man sich individuell besser belasten, doch fällt oft die Laufmotivation schwerer.

Im Winter spielen Licht- und Bodenverhältnisse eine große Rolle. Straße bzw. Asphaltboden und Parks treten in den Vordergrund, Waldwege und Sportplätze in den Hintergrund. Wiesenboden wird zu nass und ist höchstens bei Glatteis eine Alternative. Bei Nässe sind leichte Sandböden fast immer noch belaufbar.

Freaks können bei unmöglichen Verhältnissen in Park- und Hochhäuser ausweichen, wenn sie sich nicht von Hausmeistern erwischen lassen.

Manfred Steffny in SPIRIDON

author: GRR

Comment
0

Leave a reply