
2005 World Marathon Majors Boston Boston, Ma January 23, 2005 Photo: Victah@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1685
„Das ist schon ein gewisser Rufmord“ – Andreas Müller von der Esslinger Zeitung im Interview mit Horst Milde
Esslingen – Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat beschlossen, dass ab dem Jahr 2016 die Verbandsabgabe von Laufveranstaltungen einheitlich einen Euro betragen soll. Dagegen wehrt sich seit Monaten die Interessenvereinigung German Road Races e.V. (GRR). Horst Milde, der mit dem Berlin-Marathon die erfolgreichste Laufveranstaltung aus der Taufe gehoben und organisiert hat, ist Vorsitzender der GRR und sagt über den DLV: „Kritik ist unerwünscht.“
Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"
Was ist eigentlich so schlimm an der Erhöhung der Verbandsabgabe, es geht ja nur um einen Euro, und schließlich wurde auch bisher eine Gebühr erhoben im Bereich zwischen 20 und 50 Cent?
Milde: Tatsächlich ist ein Euro „nicht schlimm“ – zumindest für viele Teilnehmer an Laufveranstaltungen. Aber in der Menge summiert sich das für Laufveranstalter. Pro Finisher müssen Veranstalter ab 2016 – ausgenommen Jugendliche – eine Verbandsgebühr von einem Euro abführen, bisher waren es 20 Cent bis maximal 50 Cent. Es gibt viele Veranstalter, Lauftreffs und Vereine, die bei ihrem Lauf vier Euro Startgeld nehmen, jetzt müssen sie fünf Euro vom Läufer kassieren und davon einen Euro an den Verband abführen. Diese Veranstalter sehen sich in ihrer Existenz gefährdet.
Für viele kleine Veranstalter – es gibt 3400 Laufveranstaltungen in Deutschland – ist es eine Erhöhung um 300 bis 400 Prozent. Sie sehen es nicht ein, dass sie mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit Haushaltslöcher des DLV oder des Landesverbandes stopfen sollen. Sie sind auch, wie wir auch aus vielen Berichten wissen, verbittert über die Art, wie der Verband mit ihnen umgeht, schlecht – oder gar nicht – informiert, sehen sie sich als „cash-cow“ des Verbandes, weil sie auch nicht wissen, was mit ihrem erarbeiteten Geld passiert. Es herrscht keine Transparenz.
Sie als Vertreter von GRR fahren seit Monaten eine Kampagne gegen diese Festlegung. Mit welchem Erfolg?
Milde: German Road Races „fährt keine Kampagne“, sondern gibt denen eine Stimme, die allein zu schwach sind, sich gegen das Diktat eines Verbandes zu wehren. Unsere GRR-Mitglieder sind auch gegen die Einführung der „DLV-Laufmaut“, so beschlossen bei dem Jahrestreffen in Hamburg. Durch GRR sind viele der Veranstalter auf die Erhöhung aufmerksam gemacht worden. GRR hat – erstmalig in der deutschen Sportlandschaft – eine Online-Petition „Stoppt die DLV-Laufmaut“ gestartet, die inzwischen schon über 5000 Petenten gefunden hat, bei vielen Läufen liegen Unterschriftslisten aus, Protest-Postkarten können bei GRR angefordert werden und an den DLV geschickt werden.
Der Verbandstag in Mecklenburg-Vorpommern hat beschlossen, dass die Verbandsgebühr im Jahr 2016 auf dem alten Niveau von 25 Cent bestehen bleibt. Das zeigt, die Einheitsfront der Befürworter der Maut ist jetzt aufgebrochen. Bei einer Gesprächsrunde mit Veranstaltern und Vereinen in Duisburg, zu der der Westdeutsche Verband WFLV eingeladen hatte, wurde beschlossen, dass es zu einer „Ad-hoc-Kommission“ kommt, die für NRW einen Kompromissvorschlag erarbeiten soll. Es tut sich eine ganze Menge, das wäre alles nicht passiert, wenn sich GRR nicht so massiv gegen die DLV-Laufmaut eingesetzt hätte.
Bei den Laufveranstaltern ist die Aktion „Laufmaut“ sicher schon längst angekommen. Ist sie das auch bei der Kundschaft, also den Läufern in gleichem Maße?
Milde: Wir haben bei vielen Gesprächen auf den Laufmessen festgestellt, dass nicht nur bei Veranstaltern ein großes Informationsdefizit herrscht, das beruht auf der sehr schlechten Informationspolitik des Verbandes, der jeweiligen Landesverbände und der jeweiligen Volkslaufwarte, noch viel weniger weiß es die Kundschaft, also der Läufer.
Der Streit zwischen GRR und dem DLV scheint zu eskalieren. Sie und ein weiterer GRR-Vertreter sind vom DLV-Bundesausschuss Laufen von Ihren Aufgaben entbunden worden. Wie wollen Sie auf diesen Rauswurf reagieren?
Milde: Mit Gelassenheit. Das zeigt aber auch die Kritikunfähigkeit des Verbandes. Kritik ist unerwünscht, statt auf Kritik einzugehen, werden diese Personen – ohne viel Federlesens – „rausgeschmissen“, das ist „gelebte Demokratie beim DLV“. Man wird gefeuert wegen „verbandsschädigenden Verhaltens“, man arbeite zum „Schaden der Leichtathletik“ und leiste „Brandstiftertum“, das ist schon „starker Tobak“, weil man sich DLV-Politik nicht angeschlossen hat.
In einem offenen Brief hat Jürgen Scholz, der Präsident des Württembergischen Leichtathletik-Verbandes, den Vorwurf erhoben, GRR sei das Sprachrohr meist kommerziell ausgerichteter Laufveranstaltungen. Deren Hauptaugenmerk liege auf der Gewinnmaximierung. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf?
Milde: Der Großteil der Mitglieder sind Veranstalter, die die Laufbewegung in Deutschland auf die Beine gestellt haben, wie der Essen-Marathon, der Schwarzwald Marathon oder der Paderborner Osterlauf, das ist schon ein gewisser Rufmord, wenn einem Drebber Marathon mit 80 Marathonläufern Gewinnmaximierung unterstellt wird.
Der DLV stellt sich offensichtlich stur und hat bisher keine Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen. Schließen Sie den Gang vor ein ordentliches Gericht aus?
Milde: GRR wird nicht vor Gericht ziehen, da dazu das Geld nicht reicht. Es liegt aber eine Stellungnahme einer Anwaltskanzlei vor, die besagt, dass der Verband die Gebührenerhöhung nicht einfach durchsetzen kann, wie er will.
Was empfehlen Sie Laufveranstaltern bei der teilweise jetzt schon beginnenden Planung für das Jahr 2016? Sollen sie die Gebühr bei der Ausschreibung jetzt schon einpreisen und zur Gegenfinanzierung das Startgeld erhöhen?
Milde: Wir gehen davon aus, dass der DLV aus allen Landesverbänden zur Zeit soviel Gegenwind erfährt, dass er die Laufmaut in dieser Form 2016 nicht durchsetzen kann, wenn er nicht Gefahr laufen will, dass viele Vereine, Veranstalter und Lauftreffs den DLV verlassen, ihre Veranstaltung gar nicht mehr anmelden oder zu anderen Verbänden wechseln.
Ein Szenario, das sich keiner wünscht. Insofern muss der DLV von seiner Forderung abrücken, wenn er nicht schweren Schaden erleiden will.
Das Gespräch führte Andreas Müller- Esslinger Zeitung, Sonnabend, dem 16. Mai 2015
Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT:
Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"
German Road Races e.V. (GRR) auf facebook:
https://de-de.facebook.com/germanroadraces
German Road Races e.V. (GRR) auf twitter:
https://twitter.com/germanroadraces
Alle Beiträge und viele Verlautbarungen (als links) zu diesem Thema sind hier auf der GRR-Website zu finden:
Themengleich:
DLV-„Laufmaut" kommt auf den Prüfstand – Wolfgang Temme in der Westfälischen Zeitung
Bericht zur "Lauf-Maut" in der ZDF Mediathek – Eindrücke vom METRO GROUP Marathon Düsseldorf
GRÜNINGS KLARTEXT: Jetzt kommt die Lauf-Maut – Martin Grüning in RUNNERS WORLD
HEUTE: Die DLV-Laufmaut im Deutschlandfunk – PRO & CONTRA
AktRechtliche Grundlagen für die Erhebung von Finisher-Gebühren durch den DLV bei Volks- und Straßenläufen – RA Markus Grigat – Eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Finisher-Gebühr existiert nicht.
Der Aufkleber zum Protest gegen die 1-Euro-Maut
Starke Verärgerung in der deutschen Laufszene über die geplante DLV-Laufmaut ab 2016!
DLV bestätigt Beschluss zu Genehmigungsgebühren – Einführung der DLV-Laufmaut ab 1.1.2016
Kommentar zur neuen DLV Gebühr ab 2016: Hast Du mal einen Euro? Klaus Duwe von Marathon4you.de
German Road Races (GRR) e.V. präzisiert Vorstellungen zur geplanten DLV-Gebührenerhöhung
Weitere Beiträge zur DLV-Laufmaut in Zeitungen:
Leichtathletik-Verband Vereine sind verärgert über höhere Gebühr
Laufmaut erzeugt Protestaufschrei
DLV-Gebühr – Geplante „Lauf-Maut“ verärgert
Leichtathletik-Vereine protestieren gegen „Finisher-Euro“
Sportler zahlen bei den Läufen drauf – Der DLV bittet Wettkampf-Veranstalter zur Kasse.
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