Darmstädter Laufsteg zum Sehen und Gesehenwerden. ©wus-media UG
Darmstädter Stadtlauf 2014: Der Kenia-Express rollt einmal mehr durch Darmstadt – Ludwig Reiser berichtet
Eigentlich ist es wie immer – viele Läufer tummeln sich in der Darmstädter Innenstadt zu einem der spektakulärsten Läufe Deutschlands und am Ende sind die kenianischen Läufer die Tagesschnellsten. Dies ist nun bei der 37. Auflage nicht anders als bislang, denn mit Cynthia Kosgei und Charles Maina stehen kenianische Laufasse zum sechzehnten bzw. dreiundzwanzigsten Mal auf der Stadtlaufbühne am Luisenplatz auf dem ersten Platz.
Stadtlauf-Chef Wilfried Raatz ließ zwar im Vorfeld nichts unversucht, ein leistungsstarkes Starterfeld im Grand-Prix-Rennen der Männer und Frauen aus einem bunten Nationenmix auf die Beine zu stellen. So enterten erst am Vorabend mit Europas besten Marathonläufer des Jahres, Vitaly Shafar (Ukraine), der als Vierter in Boston 2:09:37 Stunden erzielte, oder der Boston-Sechsten Aliaksandra Duliba (Weißrussland) mit einer Bestmarke von 2:21:29 Stunden das ansehnliche Starterfeld, doch auch die beiden Spitzen-Marathonasse können den erneuten Siegeszug der Läufer aus dem kenianischen Hochland nicht stoppen.
Dabei kommt die 31jährigen Cynthia Kosgei auf der 5,5 km langen Strecke zum dritten Sieg in Folge und reiht sich in die Galerie der Seriensieger in eine illustre Reihe hinter ihren durchweg berühmten Landsfrauen Leah Malot (4 Siege) oder Tegla Loroupe (3 Siege), die Rekordmarke hält allerdings mit Darmstadts Vorzeigeläuferin Charlotte Teske, die in ihrer Heimatstadt gleich fünfmal erfolgreich war. Drei Runden lang leistet die nach ihrer Dopingsperre stark zurückkehrende Simret Restle-Apel (Kassel) tolle Gegenwehr, am Ende liegt Cynthia bei einer Siegerzeit von 18:23 Minuten exakt zwanzig Sekunden vor Simret, die aber dennoch völlig happy ist:
„Mir fehlt natürlich etwas Tempohärte, ich bin aber froh, dass ich den vielen Zuschauern eine gute Show haben bieten können!“ Hinter der Äthiopierin Melat Yisak Kejeta folgt mit Aliaksandra Duliba die erste weiße Läuferin, die mit einer leichten Erkältung jedoch ins Rennen gegangen ist. Als Fünfte unterstreicht die Frankfurter Juristin Tinka Uphoff, dass man auch als semiprofessionelle Läuferin Erfolg haben kann. „Eine tolle Veranstaltung, die muss ich mir einfach schon für das kommende Jahr wieder vormerken!“
Wenn der Kenia-Express ins Rollen kommt, da bleibt selbst für starke europäische Läufer nur wenig Spielraum für eine Podiumsplatzierung. So folgen im Grand-Prix der Männer über 7,6 km hinter den Kenianern Charles Maina (21:45) zunächst zwei Landsleute mit Abraham Yano (22:01) und Eliud Ngeny (22:05), aber schon in 22:07 und damit zeitgleich mit dem Äthiopier Tola Bane läuft mit dem Ukrainer Roman Romanenko der schnellste Europäer ein. „Die Afrikaner haben ein Höllentempo vorgelegt, das ich einfach nicht mitgehen wollte“, gesteht der Europacup-Sechste von Skopje. „Aber mit jeder Runde konnte ich Boden gut machen. Das stimmt mich zufrieden!“
Sichtlich enttäuscht zeigt sich Vitaly Shafar über Rang elf, übrigens direkt vor Joseph Katib aus Nürnberg, der damit bester Deutscher wird. Für Halbmarathon-Vizemeister Julian Flügel (Regensburg) bleibt Rang 17, direkt vor seinem Tübinger Nationalmannschaftskollegen Timo Göhler.
Aber der Darmstädter Stadtlauf ist natürlich nicht vorrangig den internationalen Laufassen vorbehalten, sondern die Stimmung machen die vielen Freizeitläufer aus der Region. Mit fast 1800 Läufern gibt es zudem eine zuletzt nicht mehr erreichte Resonanz beim zweitältesten deutschen Citylauf, die unterstreicht, dass es neben WM-Fußball auch noch anderen attraktiven Sport geben kann.
Und die „local heroes“ setzen sich entsprechend in Szene, entweder mit einem flotten Rennen oder einem Showlauf vor den Freunden und Arbeitskollegen, denn hier geht es natürlich vorrangig darum, Spaß zu haben und keinesfalls um Plätze oder Sekunden. Spaß jedenfalls hat auch Berglauf-Spezialistin Stefanie Rexhäuser, die zwar für den PSV Grün-Weiß Kassel startet, aber seit zwei Jahren in Darmstadt lebt und mit Freude den Anstieg zur St. Ludwigskirche als „Berg“ bezeichnet und hier ihre Stärken zum Sieg über die 5 km lange Strecke vor ihren Trainingskolleginnen beim ASC Darmstadt Sylvie Müller und Alexandra Behrens nutzt.
Spaß hat übrigens auch der in Seattle lebende Uli Steidl, mehrfacher Masterssieger beim berühmten Boston-Marathon, in seinem Start-Ziel-Sieg der „Über Vierzigjährigen“ auf der 5 km langen Stadtlaufschleife, wie übrigens seine Frau und ausgewiesene Trailspezialistin Trisha, die auf dem Weg zum (Hochgebirgs-)Zermatt-Marathon einmal kurz in Darmstadt Station machen.
Der Heimvorteil für den gastgebenden ASC Darmstadt schlägt sich natürlich quer durch alle Wettbewerbe trotz starker Konkurrenz nieder bis hin zu den Bambinis, die um 19.00 Uhr den Stadtlaufreigen über 1300 m eröffnen, denn hier laufen mit Hennes, Tom, Jakob und Levin gleich vier ASCler vorweg über die Ziellinie.
Wie heißt es so schön in der mit 90.000 Exemplaren herausgegebenen Stadtlaufzeitung „Gäbe es den Stadtlauf in Darmstadt nicht, dann müsste er schnellstens erfunden werden“. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Darmstadts Bürgermeister und Sportdezernent Rafael Reißer lobt vor großer Kulisse entsprechend auch den Stadtlauf als Beleg für die Sportstadt Darmstadt, die sich nicht alleine durch die Profi-Fußballer des SV 98 definiert.
Die 38. Auflage des einstmals als „Pizzalauf“ gegründeten Darmstädter Stadtlaufes findet übrigens am 24. Juni 2015 statt.
Ludwig Reiser