Blog
29
06
2009

Trainer kann man lernen, Erfolge erarbeiten, indem man ständig um neue Erkenntnisse ringt, sich mit den besten Talenten umgibt und 365 Tage im Jahr besessen für diesen schönen Job lebt.

Claudio Berardelli: ein bemerkenswertes Interview Trainer kann man lernen – junge Läufer muss man zum Leistungssport erziehen – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

By GRR 0

(© Lothar Pöhlitz) – Ein knapp 30 jähriger Italiener – Schüler des bekannteren Dr. Rosa – hat unter den erfolgreichen Trainern der Welt bereits einen Spitzenplatz erobert. Im Mittelstreckenlauf, in der Langstrecke und im Marathon trainiert er Weltmeister und Olympiasieger.

In einem bemerkenswerten Interview in Leichtathletik* Nr. 24 vom 17.6.2009 rundet er unser Wissen um das trainingsmethodische Vorgehen in Kenia ab, ohne ihm eigentlich neue Erkenntnisse hinzuzufügen. Trotzdem möchte ich mit einigen Hervorhebungen und Anmerkungen hier einmal unser Anliegen der Trainerfortbildung vor allem für die „jungen Kollegen“ unterstreichen und sie zu individuell eigenen Konsequenzen in ihrer Arbeit und etwas noch mehr frischen Wind anregen.

Die Frage, warum Dr. Rosa und er ähnlich spektakuläre Ergebnisse in ihrer Heimat Italien nicht erzielen, bleibt weitgehend unbeantwortet. Dabei ist klar, dass die gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen in Afrika und die inzwischen vielen Dutzend laufender Vorbilder ausreichende Anreize zum mitmachen für die Kinder und Jugendlichen dort bieten.

Die letzten 3 Zeilen des Interviews sollte man nicht zu ernst nehmen, wenn Berardelli sagt: „Bei den Kenianern besteht ein großer Unterschied zwischen dem was sie erzählen und dem was sie wirklich trainieren“, schließlich hat man derzeit das Gefühl, dass jeder Kenianer noch schneller läuft, als unsere Besten. Und nicht selten habe ich auch in Trainerseminaren bei den Referenten deutliche Differenzen zwischen Theorie und Praxis feststellen können.

  • Trainer kann man lernen, Erfolge erarbeiten, indem man ständig um neue Erkenntnisse ringt, sich mit den besten Talenten umgibt und 365 Tage im Jahr besessen für diesen schönen Job lebt. Die erzielte eigene sportliche Leistung ist dafür unbedeutend. „Es ist außerordentlich wichtig jeden Tag für den Athleten da zu sein und für ihn die beste Situation (Trainingsumfeld) zu organisieren“
  • Wichtig ist die Trainingszusammenhänge zu verstehen, die Individualität jedes Athleten zu erkennen und sie so zu f ü h r e n, dass sie mental und körperlich bereit sind immer 100 % zu geben. Sie müssen mental zu jedem bevorstehenden Training bereit sein. „Du bist der Coach, sie sind die Athleten“
  • Reden bringt Silber – Schweigen kein Gold ! Auf diese Kurzform könnte man das „Allerwichtigste“ zusammenfassen, das trotz Hierarchie in der Berardelli-Gruppe zu den Erfolgen geführt hat. Bei unterschiedlicher Herkunft, die Athleten so zu behandeln wie sie sind, jedem auf seinem Niveau, individuell, aber ehrlich und immer gesprächsbereit.
  • Nutzen Sie die Möglichkeiten die in den Trainingsmitteln stecken, in Abhängigkeit vom Zeitpunkt im Jahr und der individuellen Verfassung der Athleten, beispielsweise: „ein Longrun über 35 km kann langsam, schnell oder progressiv gelaufen werden, aber der Coach entscheidet“.
  • Das wahre Geheimnis der Kenia-Erfolge liegt in ihrer hohen Intensität, das hat uns schon Pater O´ Connel vor Jahren bei seinem damaligen ehrlichen Auftritt in Deutschland vermittelt, als er über das Jugendtraining in Iten berichtete. Die Programme sind allen bekannt – sie stammen ja seit Jahrzehnten von europäischen Trainern – leider ist bei uns das komplexe Training etwas in Vergessenheit geraten und man liest immer wieder „Vorsicht, nicht zu schnell“ und bei den Langstrecklern ist Dr. v. Aaken noch im Gespräch. Im Winter laufen 800 m Läufer in Kenia in Leistungs-Gruppen in einem 80 – 90 Minuten – Fahrtspiel bis zu 14 x 1´mit 1´Trabpause. In der Saisonvorbereitung sind sie 4 – 5 x pro Woche „intensiv“ auf der Bahn und laufen dazwischen ruhige Dauerläufe von 50 – 55 Minuten. „In den letzten 3 Wochen vor einer großen Meisterschaft halbiere ich das Volumen, aber die hohe Intensität bleibt. Das bringt die Topform.“
  • Was deutsche Marathonläufer mit 130 – 140 km in der Woche erreichen haben wir in den letzten Jahren beobachten können, deshalb sollte man eher vorsichtig damit umgehen, wenn Kibet und Kwambi die 2:04:27 von Rotterdam mit 130 – 140 km in der Woche vorbereitet haben sollen. Dabei wird nicht darauf hingewiesen, dass alles ganzjährig unter den Bedingungen mindestens mittlerer Höhen und in der Regel im stark profilierten Gelände abläuft. Leider erfährt man auch nichts zu den Trainings- Geschwindigkeiten und es wird auch nicht berichtet was die beiden im „kenianischen Winter“ getrieben haben. Zumindest erfährt man noch nebenbei, dass die anderen auch um die 200 km trainieren und von den Kenianern im Ausland weiß man, dass da auch schon mal 240 km absolviert werden.

Zum Schluß möchte ich noch einmal betonen, dass diese Zeilen vor allem für Trainer gedacht sind, Anregung sein sollen, ihre eigene Philosophie zum wiederholten Male zu überdenken.

Ich fand dieses Interview bemerkenswert und zu Denkanstößen herausfordernd. Prüfen sie vor allem ob sie die für Spitzenleistungen erforderlichen Talente um sich geschart haben und mit Herz und Verstand versuchen „sie täglich ein wenig besser zu machen“, aber Vorsicht, versuchen sie es nie mit bis zu 11 Co-Trainern, sondern überzeugen sie ihre Athleten allein in mehr als bisher entscheidenden Trainingseinheiten immer 100 % zu geben, dabei lassen sie nie Zweifel aufkommen, dass sie der Coach sind!

© Lothar Pöhlitz in "Leichtathletik Coaching-Academy"

Leichtathletik Coaching-Academy

author: GRR

Comment
0

Leave a reply