Die Gegend von Fairplay ©Julie Bullock
«Burro Racing» mit 70-jähriger Tradition – Paarlauf mit Esel – Von Jürg Wirz
Es gibt nichts, was es nicht gibt. Im walisischen Dorf Llanwrtyd Wells wird seit 1980 ein Marathon «Mann gegen Pferd» ausgetragen; zweimal gewann bisher ein Läufer, sonst immer das Pferd (mit Reiter).
Es gibt den Médoc-Marathon in Pauillac, wo Weingläser die sonst üblichen Trinkbecher ersetzen. Es gibt die extremen Marathons im Gebiet des Everest und am Nordpol.
Die vielleicht ungewöhnlichsten finden aber in der einstigen Goldgräber-Hochburgen der Rocky Mountains statt. Hier läuft man zusammen mit einem Esel.
Die Kleinstadt Fairplay iim US-Bundesstaat Colorado wurde in den frühen Tagen des Goldrauschs im Jahre 1859 gegründet. Die Siedler hatten den Namen gewählt, um auf die misslichen Arbeitsbedingungen in den Gold- und Silberminen aufmerksam zu machen.
Seit der Mitte des letzten Jahrhunderts hat das Rattern und Rumpeln in den Bergwerken aufgehört, Fairplay ist zu einem verschlafenen Nest geworden, in dem bei der letzten Volkszählung im Jahre 2010 noch 679 Menschen lebten.
Im Sommer verwandelt sich Fairplay allerdings für zwei Tage in ein grosses Festzelt. Mehr als 10.000 Menschen werden am 29./30. Juli erwartet, wenn zur Erinnerung an die glorreichen Goldgräbertage zum 69. Mal die Burro-Days gefeiert werden. Es hat Kunstgewerbestände, Fressbuden, es gibt Umzüge, Wettbewerbe, Musik und Tanz, einen Cowboy-Gottesdienst, aber im Mittelpunkt stehen die Burro-Races.
Die Läufer müssen die ganze Strecke mit einem «Burro», dem spanischen Wort für Esel, zurücklegen. Nicht auf des Esels Rücken, sondern vor, neben oder hinter dem Grautier, das an einem Strick geführt wird.
Der Esel muss mit einem Sattel und Goldgräber-Utensilien bepackt sein, das heisst mit einem Pickel, einer Schaufel und einer Pfanne; alles zusammen soll mindestens 15 Kilogramm wiegen. Verpflegungsposten gibt es nicht. Die Läufer tragen Wasser, etwas Essbares und einen Regenschutz mit.
Sie können zwischen zwei Streckenlängen wählen: die kürzere führt über 24 Kilometer, die längere über 47 zum 4020 Meter hoch gelegenen Mosquito-Pass und zurück.
Ein Esel darf getragen werden…
Die Regeln sind klar umschrieben: Jede Abkürzung wird mit Disqualifikation bestraft, ebenso jede Behinderung eines gegnerischen Teams und jede Art von Tierquälerei: Nadelstiche, Stromstösse, das Verwenden von Schmerzmitteln, Knüppeln oder Peitschen. Gleiches gilt, wenn der Läufer beim Reiten ertappt wird. «Der Esel darf nur gestossen, gezogen oder getragen werden.» (Letzteres wird bei einem Tiergewicht von gegen 200 Kilogramm allerdings kaum vorkommen.)
Genau beschrieben ist auch, was ein Esel ist. Nicht dass jemand plötzlich auf die Idee kommt, ein klein gewachsenes Pferd anstelle der oft eigenwilligen Grautiere einzusetzen.
Was die Entstehung der «Burro Races» betrifft, haben sich im Laufe der Zeit Dichtung und Wahrheit vermischt. Die Legende besagt, dass zwei alte Goldgräber in einem Saloon ein paar Whiskeys herunterkippten, bis einer der beiden zu prahlen begann, er würde die gut 20 Kilometer von Leadville nach Fairplay mit seinem Esel schneller schaffen als der andere.
Melville Sutton gewann die Wette tatsächlich und damit die 500 Dollar. In den 1960er Jahren versuchten sich auch bestandene Marathonläufer in diesem ungewöhnlichen Teamwettbewerb, allerdings ohne Erfolg. «Es kommt nicht darauf an, wie schnell du als Läufer bist oder wie schnell dein Esel. Es ist ein richtiges Teamwork», sagt John Vincent, ein 57-jähriger Veteran, von Beruf Schweinezüchter.
Inzwischen gibt es immer mehr, die mit ihren Eseln ein richtiges Trainingsregime durchführen und dann in diesem westlichen US-Bundesstaat Colorado von einem Burro-Rennen zum nächsten ziehen.
Infos zum Pack Burro Race
Falls Sie sich dazu entschliessen, einmal selbst an einem Pack Burro Race teilzunehmen, müssen Sie sich zuerst einen Esel beschaffen. Den werden Sie in der Gegend von Leadville/Fairplay mieten können. Rechnen Sie ein paar Tage ein, damit Sie sich an das Grautier gewöhnen können – und dieses sich an Sie.
Es gibt Eselrennen in zahlreichen alten Bergbau-Städtchen in den Rocky Mountains im US-Bundestaat Colorado, so in Georgetown, Cripple Creck und Idaho Springs, die bedeutendsten finden in Fairplay, Leadville und Buena Vista statt. In Fairplay, einem Nest, das kaum 1000 Einwohner hat, wird sogar um die Weltmeisterschaft gekämpft.
Das Startgeld beträgt 40 US-$; dazu müssen Sie ein Teilnahmeformular ausfüllen, in dem Sie sich verpflichten, die Regeln einzuhalten und die Verantwortung für allfällige Unfälle zu übernehmen. Zwei Strecken stehen zur Auswahl: eine kurze über 24 Kilometer und eine lange über 47 Kilometer. Diese hat es in sich, geht es doch vom Start in Fairplay auf 3033 m ü.M. auf den 4020 Meter hoch gelegene Mosquito-Pass – und wieder zurück. In Ami-Englisch heisst das dann: «Get yur Ass up the Pass».
Immerhin können Sie auch etwas Geld verdienen und damit einen Teil der Reisekosten hereinholen. Für die ersten Drei auf der langen Strecke gibt es 1000, 800 und 500 Dollar, auf der Kurzstrecke 500, 350 und 250. Und falls Sie gewinnen, dürfen Sie sich Pack Burro World Champion nennen.
Allgemeine Infos finden Sie bei der Western Pack Burro Association (www.packburroracing.com) und zur Burro-Weltmeisterschaft auf www.burrodays.com
Störrische Esel?
Der Mensch erwartet von den Eseln immer eine Leistung. Kaum macht der Esel nicht vorwärts, gilt er als störrisch. Dabei sind Esel sehr sanftmütige, genügsame Tiere. Sie reagieren nur dann widerwillig, wenn man ihren eigenen Rhythmus missachtet.
Stehen Esel unter grossem Druck oder Stress, bleiben sie einfach stehen, anders als Pferde, die als Fluchttiere bei Gefahr das Weite suchen. Esel sind auch keineswegs faul. Sie bewegen sich sehr gerne.
Jürg Wirz in LAUFZEIT & CONDITION
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