Wir werden bis zum letzten Moment versuchen, die IOC-Mitglieder von den Vorzügen unserer Bewerbung zu überzeugen
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich – „Das Ziel in Durban heißt heute: Gold Medal“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
An diesem Mittwoch kämpft er in Durban um den Münchner Zuschlag für die Winterspiele 2018. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich spricht zuvor mit der F.A.Z. in seinem ersten Interview als „Sportminister" über Vertrauen, Finanzen und Vorbilder.
Hans-Peter Friedrich ist seit März Innen- und damit auch Sportminister. Der Oberfranke vom Jahrgang 1957 ist Wirtschaftswissenschaftler, promovierter Jurist und profilierter Politiker der CSU. An diesem Mittwoch wird er sich, gemeinsam mit Bundespräsident Christian Wulff, bei der Session des Internationalen Olympischen Komitees in Südafrika seiner ersten internationalen sportlichen Herausforderung stellen: Er vertritt die deutsche Bewerbung um Olympische Winterspiele 2018 in München.
Hand aufs Herz: Sind Sie als Minister zum ersten Mal bei dieser Weltmeisterschaft zum Frauenfußball gegangen?
Ich war vor Jahren schon mal bei einem Frauenfußballspiel, und im März beim Pokalendspiel zwischen Frankfurt und Potsdam. Das spielerische Niveau und auch die sonstige Entwicklung des Frauenfußballs sind beeindruckend. Wie weit die Frauen gekommen sind, zeigt schon der Umstand, dass sie mittlerweile ihr eigenes Pokalfinale haben und nicht mehr bloß als Vorprogramm der Männer spielen.
Und nun sind Sie verpflichtet, der deutschen Nationalmannschaft Glück zu bringen…
Ich besuche ihre Spiele, wann immer ich kann. Und ich drücke der Mannschaft die Daumen. Aber das würde ich auch tun, wenn ich nicht Minister wäre.
Und an diesem Mittwoch gilt es in Durban, die deutsche Olympiabewerbung zu einem Erfolg zu bringen…
Ich fliege mit einem guten Gefühl dorthin. Wichtig ist, dass wir wissen, wir haben alles getan; die Politik auf allen Ebenen, die Bewerbungsgesellschaft und die Athleten, die sich in vorher nie erlebter Art und Weise engagiert haben. Es spricht sehr viel für unsere Bewerbung. Deutschland ist eine der tragenden Säulen des Wintersports. Wir sind ein überaus wintersportbegeistertes Volk. Rund fünfzig Prozent der Sponsorengelder der internationalen Wintersportverbände kommen aus Deutschland. Und wir hatten seit nunmehr fünfundsiebzig Jahren keine Olympischen Winterspiele in Deutschland mehr.
Und doch liegt in den Prognosen Pyeongchang mit dem Sponsor Samsung vorn.
Wir werden bis zum letzten Moment versuchen, die IOC-Mitglieder von den Vorzügen unserer Bewerbung zu überzeugen. Am Ende wird jedes Mitglied seine eigene Motivationslage haben und danach entscheiden.
Verursachen die Berichte über Korruption in den großen Sportverbänden nicht Hemmungen im Umgang mit deren Vertretern?
Nein, solche Hemmungen habe ich nie empfunden. Der Zufall wollte es, dass ich schon wenige Stunden nach meiner Ernennung zum Innenminister in München die Evaluierungskommission des IOC getroffen habe. Dort, wie auch bei späteren Treffen habe ich schnell einen guten persönlichen Draht zu den IOC-Mitgliedern gefunden. Ich bin von Haus aus kein misstrauischer Mensch, sondern gehe erst einmal mit viel Vertrauen auf jeden zu. Ich glaube, das war auch hier richtig.
Gilt das auch für Vertreter des internationalen Fußballs?
Grundsätzlich ja. Man darf nicht von einzelnen auf alle schließen. Und ich glaube, dass es im ureigenen Interesse des internationalen Fußballs ist, die Vorwürfe der vergangenen Wochen aufzuklären.
Können Sie sich vorstellen, mit der besten Bewerbung angetreten zu sein, aber als Zweiter nach Hause zu fliegen?
Bei drei Bewerbern ist alles möglich, das kennt man aus der Politik. Unsere sachlichen Argumente – hervorragendes Organisationsmanagement, Begeisterung des Publikums, Spiele der Athleten, nachhaltiges und umweltgerechtes Gesamtkonzept – haben mich jedenfalls sehr überzeugt. Im Januar hat die Skiläuferin Viktoria Rebensburg bei der Klausurtagung der CSU in Kreuth die Bewerbung vorgestellt. Sie hat mich sofort begeistert. Seitdem weiß ich, dass der Funke auch auf andere überspringen wird. Von daher: Das Ziel heißt „Gold Medal".
Ist Olympia politisch?
Olympia gibt einem Land die Gelegenheit, sich der Welt zu präsentieren, dem Tourismus einen Impuls, dem Breitensport einen Anstoß zu geben. Insofern hat Olympia natürlich eine politische Dimension.
Haben Sie den Eindruck, dass die Spiele in Peking China geöffnet haben?
Ich habe, als ich 2008 drei Wochen vor Beginn der Spiele in Peking war, gesehen, mit welchem Stolz die chinesische Bevölkerung gesagt hat: Jetzt schaut die Welt auf uns, toll.
Hilft das, Freiheit und Demokratie durchzusetzen?
Es ist immer ein bisschen schwierig, die eigenen politischen Maßstäbe eins zu eins auf andere zu übertragen. Aber eins ist klar: Je mehr sich ein Land öffnet und seine Bevölkerung mit Menschen aus anderen Ländern zusammenbringt, umso mehr gibt es demokratische Impulse und entsteht ein Bewusstsein für Freiheit. Dass die Chinesen eine ganz andere Kultur und Mentalität haben als wir, ist eine andere Frage.
Sie fördern den Spitzensport mit reichlich 130 Millionen Euro. Warum?
Wir sind als Bund zuständig für die internationale Dimension des deutschen Sports, also insbesondere dafür, deutschen Sportlerinnen und Sportlern die Teilnahme bei Welt- und Europameisterschaften und natürlich bei Olympischen und Paralympischen Spielen zu ermöglichen. Wir stellen den Spitzensportlern, die wir als Botschafter unseres Landes und als Vorbilder unserer Kinder wollen, Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung. Wir helfen diesen jungen Leuten, die mit ungeheurem Idealismus und großer Disziplin ans Werk gehen, damit sie am Ende ihrer Karriere nicht mit leeren Händen da stehen.
Sind Olympiasiege Verdienste, die jemand für sein Vaterland erwirbt?
Jeder Olympiateilnehmer tritt natürlich für sich, aber eben auch für sein Land an. Schon die Tatsache, dass bei der Siegerehrung die Nationalhymne gespielt wird, gibt dem Erfolg eine politische Dimension. Deswegen finde ich es normal, dass die Bevölkerung eines Landes auf ihre Olympiateilnehmer und vor allem ihre Olympiasieger stolz ist. Sie haben einen Beitrag geleistet zum Wohlbefinden und Ansehen eines sportbegeisterten Landes. Man kann durchaus sagen, dass das verdienstvoll ist für das Vaterland.
Wäre nicht ebenso wichtig wie Spitzensportförderung, sich auch um den darbenden Schulsport und um sportliche Angebote für die wachsende Zahl der Senioren zu kümmern?
Um diese Bereiche kümmern sich meine Kolleginnen und Kollegen in den Ländern, so will es das Grundgesetz. Wo es etwa um die gesellschaftliche Integration Behinderter oder um Jugendförderung geht, engagiert sich aber auch der Bund schon heute im Bereich des Breitensports.
Sie sind mitten in Ihrer Marathon-Vorbereitung Minister geworden. Haben Sie Ambitionen aufgeben müssen?
Ich gehöre zu der Kategorie derjenigen, die irgendwann erkennen, dass es an der Zeit ist, mit dem Rauchen aufzuhören und stattdessen zu laufen. Mittlerweile macht mir das großen Spaß: Frühmorgens zu laufen, wenn die Sonne aufgeht und die Luft frisch ist, das ist gigantisch. Das ist viel mehr als nur nicht zuzunehmen – das ist Lebensqualität.
Ärgern Sie sich nicht, dass aus dem Hamburg-Marathon nichts geworden ist?
Schon. Ich hatte drei Wochen vor meiner Ernennung mit dem Training begonnen und bin tatsächlich jede Woche sechzig, siebzig Kilometer gelaufen. Das musste ich dann abbrechen. Auf der anderen Seite: Marathon zu laufen soll gar nicht so gesund sein, dafür das Training für den Marathon umso mehr.
Sie gelten als der Mann, der der Nationalen Anti-Doping-Agentur, der Nada, zwei Millionen Euro Zuschuss kürzt. Warum?
Hier geht es nicht um Kürzen, sondern um die Hilfestellung des Bundes. Der Bund hat für den Großteil des Stiftungsvermögens gesorgt, rund 11 von 13 Millionen Euro. In diesem Jahr fließt, wie vereinbart, die letzte Tranche, eine Million. Darüber hinaus hatte der Bund, weil die Sportverbände die Dopingkontrollen nicht vollumfänglich bezahlen konnten, eine vierjährige Anschubfinanzierung für das Dopingkontrollsystem der Nada von ebenfalls einer Million pro Jahr vereinbart. Der Bund hat in dieser Zeit also mehr geleistet, als er eigentlich müsste. Mit großen Anstrengungen ist es durch eine Umschichtung im Haushalt meines Ministeriums noch einmal gelungen, der Nada auch im kommenden Jahr eine Million Euro zusätzlich für das Kontrollsystem zur Verfügung zu stellen. Das zeigt, wie wichtig uns die Dopingbekämpfung ist. Für die Jahre danach sind aber der Sport und die übrigen Akteure im Anti-Dopingkampf gefragt. Beispielsweise müssen auch die Länder ein Interesse daran haben, dass wir den Kampf gegen Doping weiter auf diesem hohen Niveau führen können.
Hat der Sport Kürzungen zu erwarten?
Das neue Haushaltsaufstellungsverfahren, das sich aus der Haushaltsbremse ergibt, funktioniert so, dass der Finanzminister jedem Ressort eine bestimmt Summe zur Verfügung stellt. Wir haben mit 131,7 Millionen Euro für den Sport ein ganz gutes Niveau, und das soll auch so bleiben.
Wollen Sie nicht auch die Zuschüsse an die Welt-Anti-Doping-Agentur beschränken?
Die Wada wollte in diesem Jahr erneut ohne Begründung die Zuschüsse um vier bis fünf Prozent erhöhen. Daraufhin haben alle Staaten des Europarates gesagt: Wir zahlen weiter auf dem bisherigen Niveau, bis wir erfahren, wofür mehr Geld gebraucht wird.
Wird sich an der praktischen Politik etwas ändern?
Nein. Man muss den Druck aufrecht erhalten auf die Verbände und die Sportler. Fairness bedeutet, dass man Regeln nicht nur einführt, sondern sie auch beachtet und Verstöße sanktioniert. Das Signal muss sein: Wir setzen diese Regeln durch. Unser Elan lässt nicht nach.
Teilen Sie den Eindruck, dass Fußball in der öffentlichen Wahrnehmung immer größer wird und andere Sportarten marginalisiert?
Wir versuchen Sportarten, die nicht im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen, durch unsere Förderung zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu geben. Mir fallen abseits von der Frauen-WM auf Anhieb sieben sportliche Großereignisse in diesem Jahr ein, die bei uns stattfinden oder schon stattgefunden haben: Die Hockey-Europameisterschaft in Mönchengladbach, die Turn-EM in Berlin, die Ringer-EM in Dortmund, die Weltmeisterschaften im Eisschnelllauf in Inzell, im Bobfahren am Königssee und in Ski alpin in Garmisch-Partenkirchen sowie die Schwimm-EM der Menschen mit Behinderung in Berlin.
Sollten Ihre optimistischen Erwartungen sich nicht erfüllen – sollte München 2018 noch einmal antreten?
Ich bin der Überzeugung, dass wir gewinnen.
Das Gespräch führte Michael Reinsch. Frankfurter Allgemeine Zeitung,Mittwoch, dem 6. Juli 2011