Die Olympischen Ringe - Foto: Horst Milde
Bundeshaushalt 2024: Backpfeife für den Sport – Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Zehn Prozent weniger Förderung im Olympia-Jahr: Das schmerzt nicht nur den Spitzensport, sondern lässt auch die Regierungsformel von der „gesellschaftlichen Aufgabe“ als Phrase erscheinen.
Knapp zehn Prozent weniger Förderung im Jahr der Olympischen Spiele von Paris: Das ist eine Backpfeife für den Sport in Deutschland. Auf 303,289 Millionen Euro beläuft sich Titelgruppe 02 des Bundesinnenministeriums – Sport – in diesem Jahr. Auf ein Minus von gut 27 Millionen kommt, wer den Haushalt des kommenden Jahres dagegenhält, den das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat: 276,077 Millionen Euro.
Hat sich Finanzminister Lindner mit dem Diktum durchgesetzt, dass die Zeit der Wünsche vorbei sei? Holt den Sport seine vermeintliche Erfolglosigkeit ein? Zehn Olympiasiege in Tokio, insgesamt 37 Medaillen und Platz neun im Medaillenspiegel, da ist trotz anhaltender Spitzensportreform nicht mehr drin. Sportfreunde? Die ganz persönliche Spitzensportförderung von mehr als tausend Top-Athleten mittels hauptberuflicher Beschäftigung beim Militär, bei der Bundespolizei und beim Zoll wird wie üblich nicht als Teil der Spitzensportförderung ausgewiesen. Man darf sie auf einen Gegenwert von mindestens fünfzig Millionen Euro im Jahr veranschlagen.
Deutschlands Sport braucht einen neuen Goldenen Plan: Stattdessen wird gespart
Enttäuschend ist dennoch, dass der Bund den Athleten einen kalten Winter zumuten will. Dem auf Olympia-Stützpunkte und Leistungszentren zurollenden Anstieg der Energiekosten begegnet er – mit Kürzungen um 25 Prozent. Für die schlecht bezahlten Trainerinnen und Trainer ist auch im kommenden Jahr keine Lohnerhöhung drin: Stagnation beim Posten Zentrale Maßnahmen. Besonders bitter wirkt, dass der Anspruch der Regierung, nicht nur Spitzensport zu fördern, sondern Sport als gesellschaftliche Aufgabe von nationaler Bedeutung neu zu erfinden, sich als Phrase erweist. 25 Millionen gab’s für den Neustart des Vereinssports nach Corona. Der Schuss ist verhallt, wer nicht auf die Beine gekommen ist, kann nicht mit weiterer Unterstützung rechnen.
Grund genug für einen neuen Goldenen Plan
Das Programm der Bauministerin für die Sanierung kommunaler Einrichtungen dümpelt mit 240 Millionen Euro (Vorjahr 228 Millionen) weiter dahin, obwohl nicht nur die Sanierung veralteter Sportstätten Milliardeninvestitionen notwendig macht, sondern auch die energetische Modernisierung von Hallen und Bädern Grund genug für einen neuen Goldenen Plan wäre. Selbst die Sportprogramme von Auswärtigem Amt und Entwicklungshilfe, Leuchttürme von Frieden und Respekt, von Selbstermächtigung und Demokratie, sollen um ein Drittel gekürzt werden.
Torsten Burmester, der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes, macht aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Das Parlament müsse nachbessern, fordert er. Die Abgeordneten werden darauf hinweisen, dass für 2022 und 2023 Großsportspektakel wie European Championships München und Special Olympics World Games Berlin mit zusammen 61,7 Millionen Euro allein vom Bund gefördert wurden und dass auch die vorgesehene Ausstattung der Universiade 2025 an Rhein und Ruhr mit 7,3 Millionen Euro (nach 6,9 Millionen im vergangenen und 3,4 Millionen in diesem) luxuriös ist.
Noch dazu fallen 57,8 Millionen Euro nicht verbrauchte Selbstbewirtschaftungsmittel an den Staat zurück. Sie wären, beließe man sie dem Sport, immerhin ein Tropfen auf den heißen Stein.
Ein Kommentar von Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Mittwoch, dem 5. Juli 2023