Plötzensee 2017 - Ausgabe der Startnummern ©Horst Milde
Bis nächstes Jahr? Impressionen vom vierten Berliner Gefängnislauf 2017 – von Dr. Erdmute Nieke
Es gibt Dinge im Leben, die tut man auch zum zweiten Mal! Gestern war das so. Kurz nach 14 Uhr stand ich wieder vor der Pforte I der JVA Plötzensee, mit mir eine Gruppe von Läufer*innen und Helfer*innen, die Einlass ins Gefängnis begehrten.
In Zehnergruppen wurden wir durch die Schleusen des Einlasses geleitet. Da ist es wieder – das beklemmende Gefühl, wenn das erste schwere Eisentor hinter einem ins Schloss fällt. Die Justizangestellten sind die gleichen vom letzten Jahr, diesmal noch freundlicher und wir erhalten Besucherausweise bei der Abgabe des eigenen Ausweises. Irgendwie ein gutes Gefühl, sich diese grüne Karte „Besucher" anzustecken zu können.
Auf dem Gefängnishof angelangt, schon fast Routine. Ich begrüße Oda und Manfred, Joanna, Sabine und Horst Milde, John Kunkeler und unsere Siegerin der drei letzten Läufe ist auch schon da und auch wieder genauso aufgeregt, wie im letzten Jahr.
Doch es gibt auch Veränderungen. In diesem Jahr sehe ich etliche Menschen mit Kameras und sogar ein Filmteam. Die Presse ist eingeladen und auch zahlreich erschienen.
Viel Zeit zum Schwatzen bleibt nicht, ich werde bei der Startnummernausgabe gebraucht und eingewiesen. Die Starterliste ist dieses Jahr länger geworden. Neu ist, dass jede*r interne Läufer*in eine Fotoerlaubnis unterschreiben muss oder – wenn er oder sie das nicht möchte – einen orangen Punkt auf die Startnummer geklebt bekommt.
Wir kleben viele Punkte. Das ist ein Unterschied zum Draußenwettkampf!
Freuen wir uns nicht hinterher über jedes Läuferfoto, das wir erhalten, nach dem Motto: Stimmt die Laufhaltung auch bei km 40 noch? Bei der Frage nach dem Fotografiert-werden-wollen schaue ich in viele Augenpaare, die mir sofort und deutlich sagen, bloß nicht! Da wird mir klar, ein Mensch, der im Gefängnis ist, freut sich vielleicht nicht über sein Foto in der Zeitung! So schmücken viele orange Punkte die Startnummern.
Die Schlange an der Startnummernausgabe wird schwungweise länger. Da reisen an: Tegel, Heidering, Plötzensee, Moabit, so steht es auf den Starterlisten… Knapp 50 Interne und 15 Externe.
Julia vom SCC und ich arbeiten uns schnell ein. Es macht Spaß die aufgeregten überwiegend männlichen Läufer zu erleben. Sie freuen sich, wenn sie ihren Namen schneller als ich auf der Starterliste finden, wenn ich ihre Namen richtig ausspreche und ihnen einen guten Lauf wünsche.
Dann ist es 15 Uhr, der letzte steckt noch die Startnummer an und schon wird runtergezählt, die Kampfrichter sind im Einsatz, eine Gefängnisband spielt und John Kunkeler feuert am Mikrofon wieder alle an.
Für uns bleibt keine Zeit zum Zuschauen, wir schreiben die Urkunden vor. Über 60 Namen schreiben wir auf schöne vorgedruckte Kartonurkunden. Das rettet uns nach dem Wettkampf, die gleiche Schlange wie vor dem Lauf entsteht an unserem Stand. Die handgeschriebene Liste vom Kampfrichter erhält noch eine Korrektur. Platz 3 verschiebt noch alle Plätze, er wurde leider falsch vergeben.
Nach der Siegerehrung warten alle mit viel Geduld auf ihre Urkunde mit der Eintragung ihrer Zielzeit und dem Rang, den sie erlaufen haben. Die Läufer freuen sich total über diese Urkunde und halten sie gemeinsam mit ihrer Startnummer voller Stolz in den Händen. Die Begleiter sind froh über unser zügiges Arbeiten, denn in den letzten Jahren konnte wohl nicht jeder Läufer auf seine Urkunde warten.
Da ist wieder ein Unterschied, ich kann nach einem Wettkampf allein entscheiden, wann ich nach Hause gehe und wie lange ich mich noch mit anderen Läufer*innen über den Lauf austausche, esse und trinke. Hier warten die Bediensteten und die grauen Transporter mit der blau-weißen Aufschrift „Justiz" auf die „Heimfahrt" der Athleten.
Beim Abschied – wieder ein Unterschied. „Bis nächstes Jahr!" ist ein typischer Satz nach einem schönen Wettkampf. Wünsche ich das den internen Läufer*innen? Sie wissen es meist ziemlich genau.
Einer sagt stolz: „Ich – nächstes Jahr nicht mehr!" Meine Antwort: „Vielleicht läufst Du als Externer mit?"
Was bleibt: Liebe Organisatoren der 4. Berliner Gefängnislaufes, DANKE, vor allem im Namen der internen Läufer*innen, für diese besondere Laufveranstaltung und BITTE macht unbedingt weiter mit diesem so wichtigen Lauf!
Ich habe in so viele stolze Augenpaare sehen dürfen! Zehn Kilometer Laufen, genau wie die Leute hinter den Mauern mit Startnummer, Zeitmessung, Zielbanane, Urkunde, Schweiß und Endorphinen. Der Gefängnislauf ein absolut wichtiger Beitrag zur Resozialisierung – die Vorbereitung für das Leben nach der Haftzeit!
Gut fand ich übrigens auch die Anwesenheit der Presse, denn die Menschen „draußen" sollen erfahren, dass „drinnen" ganz normale und – eben auch gern laufende – Menschen leben! Gern helfe ich Euch wieder beim 5. Berliner Gefängnislauf 2018.
Dr. Erdmute Nieke
Beitrag im rbb am 13. Oktober 2017: rbb – 4. Berliner Gefangenenlauf – "Ich habe kurz vergessen, wo ich bin" – VIDEO:
Gefängnislauf in der JVA Plötzensee
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Downloads
Der Flyer für den 4. Berliner 10 Kilometer Lauf für Gefangene
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