Übergewicht
Bewegung statt Schlankheitskuren – Mit Gefühl und individueller Beratung zum Normalgewicht – Dr. med. Willi Heepe
Übergewicht und Adipositas (Fettsucht) sind bei einer globalen Betrachtung eher ein gesamtgesellschaftliches Phänomen als ein Problem der Läuferschar.
Hierzulande sind gegenwärtig über SO % der Frauen und über 60 % der Männer übergewichtig.
Man berechnet das Übergewicht mit dem sehr kritisch zu wertenden Body-Mass-Index. Die Formel dazu lautet: Gewicht (kg) dividiert durch das Quadrat der Körpergröße (m) x zwei. Dabei trennt man Übergewicht und Adipositas. Bei einem BMI von 25 bis 30 spricht man von Übergewicht. Bei einem BMI von über 30 spricht man von Fettsucht.
Nach Erhebungen des Robert-Koch-Instituts liegt der Anteil an Übergewichtigen und Adipösen unter Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr bei ca. 15 % davon sind ca. 40 % adipös. Interessanterweise gibt es regional erhebliche Unterschiede. Man kann sagen, es gibt ein Nord-Süd-Gefälle.
Die Region mit den meisten Übergewichtigen ist Mecklenburg-Vorpommern. Inwieweit die Durchschnittszahlen der Bevölkerung auf die Laufgemeinde zu übertragen sind, kann nicht präzise gesagt werden, da es keine Erhebungen gibt.
Eine Tatsache ist mehr als bemerkenswert: Ist ein Jugendlicher erst einmal adipös, ist seine Prognose äußerst kritisch zu werten. Nach derzeitiger Analyse liegt die Heilungschance bei etwa 3 bis 5 %. Alle Diät- und Fitnessprogramme sind mehr oder weniger erfolglos.
Eine Trendwende ist dazu nicht erkennbar. Das Gegenteil ist der Fall. Man sieht es schon an der Tatsache dass es über 300 Diäten gibt, die das „ Wunder" einer schnellen Gewichtsreduktion versprechen und nie halten können. Die Ursachen liegen vor allem im Bewegungsmangel, in Fehlernährung, mangelndem Wissen und letztlich gezieltem industriellen Produktmarketing mit z. T. zweifelhaften oder gar verlogenen Versprechungen
Zuckerkrankheit wird meist erworben
Mangelnde Bewegung führt in der Muskulatur zum Abbau von Muskeleiweiß und lagert stattdessen Fett in die Muskelzelle ein. Da die Muskulatur nicht nur Grundlage aller Bewegungsabläufe des Menschen ist, sondern auch ein wichtiger Energiespeicher, insbesondere für Kohlenhydrate, speichert der gesunde Mensch die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate mittels Insulin in der Muskulatur und in der Leber.
Wird Muskeleiweiß als Energiespeicher durch Bewegungsmangel abgebaut, wird die aufgenommene Energie auch durch Insulin in Fett gewandelt und in dieser ehemaligen Muskelzelle als Fett abgelagert. Zu diesem Prozess wird immer mehr Insulin benötigt. Das geht so lange gut, bis die Insulinproduktion erschöpft ist und damit die Zuckerkrankheit oder Diabetes mellitus Typ II beginnt.
Damit ist diese Krankheit keine schicksalhafte, wie häufig behauptet, sondern kann realistisch von jedermann durch Inaktivität und Fehlernährung erworben werden. Wichtig dabei ist zu wissen, dass nach jeder Insulinausschüttung mit Umlagerung der gegessenen Kohlenhydrate ein Blutzuckertief folgt, in dem der Betroffene in logischer Konsequenz erneut Kohlenhydrate aufnimmt und damit den Teufelskreis ordentlich ankurbelt.
In der Frühphase der Entstehung der Zuckerkrankheit ist der Inaktive und Übergewichtige häufig an einer hohen Insulinproduktion erkennbar. Will der Betroffene seinen Weg ändern, wird er sehr häufig falsch beraten. Sie bzw. er sucht eine Fitnessinstitution auf und fängt an, intensiv zu trainieren.
Was geschieht dabei: Meistens wird im anaeroben Bereich trainiert. Dabei werden die Kohlenhydratspeicher, die ohnehin schon reduziert sind, entleert. Betroffene sind nach einer bis anderthalb Stunden unterzuckert, haben Hunger und essen erneut Kohlenhydrate – der Teufelskreis setzt sich fort.
Der richtige Ansatz liegt für unsere Übergewichtigen im Folgenden: Konsequente Ernährungsumstellung nach sorgfältiger Analyse und Individualberatung.
Gewichtsabnahme kommt vor „Loslaufen"
Grundsätzlich sollte eine sorgfältige Leistungsdiagnostik erfolgen, wenn Betroffene ihre Lebensweise mit sportlichem Training ändern wollen. Dabei muss individuell genau erläutert werden, in welchem Leistungssegment überwiegend Fette abgebaut („verbrannt") werden.
Die Fettverbrennung ist kein Strohfeuer, sondern ein trainierbarer, viel Zeit kostender, steigerungsfähiger Prozess, dessen wichtigste Grundlagen Geduld, Geduld und Regelmäßigkeit sind. Laufen mit Übergewicht muss aus orthopädischer Sicht besonders kritisch gesehen werden, da Überlastungsschäden der Gelenke sowie des gesamten Muskel-und Skelettsystems nicht ausgeklammert werden dürfen.
Für viele Betroffene wäre Gehen oder besser Nordic Walking vorerst die bessere Alternative, bevor ein Gewicht erreicht ist, welches das Laufen unbedenklich( er) erscheinen lässt.
Aus sportkardiologischer Sicht besteht die Gefahr darin, dass Übergewichtige häufig in zu hohen Belastungsbereichen laufen und daher nur anaerobe Komponenten trainieren. Die Herz-Kreislauf-Anpassung kommt dabei meistens zu kurz. Eine spezifische Beratung benötigen Übergewichtige, die gezwungenermaßen Medikamente für das Herz- Kreislauf-System einnehmen müssen.
Eine Reihe von Medikamenten ist nicht sportgeeignet und ist häufig auch demotivierend und leider auch dem Übergewicht zuspielend. Wichtig für jeden Betroffenen ist immer eine sorgfältige individuelle Diagnostik.
Wer erfolgreich mit Sport abnehmen will, sollte grundsätzlich den Weg über eine qualifizierte Leistungsdiagnostik mit qualifizierter Beratung einschlagen. Natürlich auch mit Ernährungsberatung. Nur so besteht die Chance, den 97 % Misserfolgen ein Schnäppchen zu schlagen.
Fatalen Folgen vorbeugen
Für sämtliche diätetischen „Wundermittel" inklusive „Fettburner" etc. gibt es nicht den geringsten Wirkungsnachweis. Das Wunder liegt in uns selbst, unserem konsequenten Tun und dem Wissen, dass in einem Kilogramm Fett über 8.000 kcal ruhen und nur durch Bewegung „verbrannt" werden können.
Die Folgen des Übergewichts sind fatal: Diabetes mellitus für jeden immobilen Übergewichtigen; Gelenkschäden im Sinne von Überlastung mit garantierter massiver Wirbelsäulensymtomatik; Bluthochdruck mit den Folgen Schlaganfall, Herzinfarkt etc. und nicht zuletzt psychische Beschwerden (Depressionen, Benachteiligungen im Berufsleben, Mobbing, Beziehungsprobleme, Störungen der Sexualfunktion und, und, und „.
Ein kleiner Trost: Fett und Fit: das Risiko sinkt, aber abnehmen ohne Fitness: das Risiko bleibt.
Fazit: Übergewicht und Adipositas sind ein enormes gesellschaftliches Problem mit einer düsteren Prognose für das Gesundheitssystem und einer nicht absehbaren Kostenlawine, die in den nächsten Jahrzehnten auf uns zu rollt, wenn nicht mehr Menschen in regelmäßige sportliche Bewegung kommen.
Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT&CONDITION 3/2016
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Dr. Willi Heepe ist praktischer Arzt und Sportmediziner.
Seit über dreißig Jahren liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt in der medizinischen Betreuung von Menschen, denen ein Leben in Bewegung Herzensangelegenheit ist. Hierzu gehören professionelle Ausdauersportler, aber auch Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Dr. Heepe ist Fachbuchautor; seine Artikel zum Ausdauersport erscheinen regelmäßig in aktuellen Zeitschriften (beispielsweise Runners World und Laufzeit/Condition). Er ist außerdem ein geschätzter Dozent zu den Themen Sportmedizin, Ausdauertraining und Kardiologie.
Willi Heepe war viele Jahre lang Medizinischer Direktor des Berlin-Marathon/Berliner Halbmarathon. Er ist fünfzigmaliger Marathonfinisher und auch im Alter von 70 Jahren ein aktiver Repräsentant jener »Laufkultur«, für deren Entwicklung er sich in Deutschland schon so lange engagiert.
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