Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT & CONDITION - Bewegung kontra Massenphänomen - Sport und Diabetes mellitus ©privat
Bewegung kontra Massenphänomen – Sport und Diabetes mellitus – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT & CONDITION
Die Krankheit Diabetes mellitus ist mit all ihren Facetten inzwischen in Deutschland ein Massenphänomen geworden mit beängstigenden Zuwachsraten.
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Historisch leitet sich der Name sowohl aus dem Lateinischen wie aus dem Griechischen aus dem süßen Durchfluss ab. 1675 wurde die Krankheit erstmals von Thomas Willis anhand einer Geschmacksprobe des Urins diagnostiziert.
Dieses Verfahren mussten Ärzte noch bis spät in das 19. Jahrhundert zur Diagnose anwenden.
Die Krankheit beginnt immer mit einer Überzuckerung des Blutes und setzt ursächlich am Insulin an; dem Hauptregelungshormon des Zuckerstoffwechsels. Dabei spielt ein absoluter Insulinmangel, ein relativer Insulinmangel, verursacht durch eine abgeschwächte Wirksamkeit des Insulins, oder beides zusammen eine entscheidende Rolle.
Die Einteilung der verschiedenen Arten von Zuckerkrankheit wurde mehrfach modifiziert, zuletzt nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) 2009. Im Wesentlichen unterscheiden wir einen Typ I Diabetes mellitus und Typ II Diabetes mellitus.
Im Verdauungsapparat wird die mit der Nahrung aufgenommene Kohlenhydratmenge (Obst, Getreideprodukte, Kartoffeln, Mais, Reis etc.) zu Traubenzucker abgebaut und durch die Darmwand und das Blut den Zellen zur Energiegewinnung übermittelt.
Eine weitere Funktion des Insulins besteht darin, die aufgenommenen Zucker in Form von Glycogen in der Leber und in der Muskelzelle als Energievorrat zu speichern. Die Speicherfunktion ist eine Grundlage, dass der Blutzucker in engen Grenzen variiert und stabil bleibt. Grundsätzlich sind beim Diabetes mellitus diese Funktionen gestört und der Blutzucker bleibt im Blut und damit beginnt die Kaskade der zum Teil schweren Folgeschäden durch die Zuckerkrankheit.
Produziert wird das Insulin in den Betazellen der Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse. Sind diese Zellen zerstört, entweder durch eine Autoimmunerkrankung oder idiotisch (unbekannte Ursache), sprechen wir vom Typ I Diabetes.
Beim Typ II Diabetes handelt es sich um unterschiedliche Kombinationen aus Insulinresistenz, Hyperinsulinismus, relativem Insulinmangel und schwerpunktmäßig einer gestörten Speicherfunktion in der Muskulatur oder der Leber.
Sport als Therapie
Der letzte Punkt ist von der Wissenschaft bis in die Gegenwart vernachlässigt worden. Gerade an dieser Stelle kann Sport die Krankheit ganz wesentlich positiv beeinflussen und sogar heilend wirken. Dazu später.
Die Epidemiologie ist erschreckend, im Jahre 2007 lagen nach Schätzungen ca. 7 Millionen Menschen im diabetischen Stoffwechselbereich. Wir müssen in diesem Jahr von über 10 Millionen Erkrankten ausgehen. Davon sind Typ I Diabetiker nur ca. 5 Prozent.
Nicht verwunderlich ist eine Altersprogredienz der Krankheit.
Im Jahre 2007 waren ca. 15 .000 Kinder und Jugendliche an Diabetes Typ I erkrankt in Deutschland. Die jährliche Zuwachsrate liegt bei ca. 3 Prozent. Über die Ursachen wird wissenschaftlich weiter diskutiert die Typ I Erkrankung kann in jedem Lebensalter auftreten.
Sie ist unabhängig von der Sozialisation. Die Typ II Erkrankung ist den unteren Sozialschichten deutlich häufiger vertreten als in höheren Einkommensschichten. Die Diagnostik erfolgt im Wesentlichen durch Blutzuckerbestimmungen.
Die Messung ist unkompliziert und kann von jedem Betroffenen selbst durchgeführt werden. Die Selbstmessung ist Grundlage für jeden Erkrankten, um in Kombination mit einem medikamentösen Cocktail und einen dosierten und gezielten Körpertraining eine optimale Einstellung und nicht selten auch eine Heilung zu erzielen.
Grundsätzlich bedarf jeder Diabetiker einer vertrauensvollen Partnerschaft zu einem Diabetologen bzw. einer Diabetologin. Besonders trifft dies für Sportler mit Typ I Diabetes zu.
In Ergänzung zur ärztlichen Führung gehört eine erfahrene Ernährung und Sportberatung. Logischerweise muss bei dieser Erkrankung die fehlende Insulinproduktion durch eine gezielte Zufuhr von Insulinpräparaten ausgeglichen werden. Bei dieser Erkrankung kann Sport sehr gut die üblichen Folgeschäden an Blutgefäßen und verschiedenen anderen Organen verhindern oder erheblich mindern.
Medikament Bewegung
Anders sieht die Welt des Diabetes Typ II Betroffenen aus. In den meisten Fällen ist der übergewichtig. In beinahe allen Fällen absolut unsportlich. Wir wissen sportphysiologisch, dass körperliche Inaktivität sehr zügig zum Abbau von Muskeleiweiß führt und die Zelle alternativ Fett einlagert.
So mancher ehemalige Kraftsportler zeigt noch einen attraktiven Körper, hat aber längst anstelle funktionsfähigen Muskeleiweißes erhebliche Mengen Fett eingelagert und damit seine Speicherfähigkeit für Glykogen erheblich gestört. Damit ist der Grundstein für die Zuckerkrankheit gelegt.
Die Betroffenen benötigen mehr Insulin, um die aufgenommene Kohlenhydratemenge abzubauen und liefern damit den Grundstock für die Erkrankung. Für diesen Typus ist Sport geradezu das Wichtigste aller Medikamente.
Die Betroffenen bedürfen eines sorgfältigen Muskelaufbautrainings, sowie eines dosierten Dauerleistungstrainings um das Wechselspiel Energiespeicherung Energieverwertung wieder in die Norm zu bringen. Mit diesem Prinzip habe ich selbst zahlreiche Diabetiker Typ II geheilt – das ist vielleicht zu mutig ausgesprochen jedoch wurde ihren Stoffwechsel wieder völlig normalisiert.
Was mit Sicherheit vielen Ärzten fehlt, ist sportmedizinisches Grundlagenwissen über Trainingswirkungen und eine exakte Empfehlung für jeden erkrankten. Jeder Erkrankte ist schließlich ein Individuum und bedarf immer einer individuellen Beratung und insbesondere einer individuellen Trainingsempfehlung.
Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT & CONDITION 5/2015
Diabetes in Deutschland – Zahlen und Fakten
Verbreitung
Mehr als sechs Mio. Menschen mit Diabetes in Deutschland, 2012 (mehr als neun Prozent der Bevölkerung). Anstieg um 38 Prozent seit 1998 (altersbereinigt +24 Prozent). Rund 95 Prozent leiden an Typ 2, ca. fünf Prozent an Typ l (entspricht 300.000 Menschen). Mindestens 1,3 Mio. Menschen haben einen unerkannten Diabetes.
Rund 750 Neuerkrankungen pro Tag, mehr als 270.000 Neuerkrankungen pro Jahr. Erhebliche regionale Unterschiede, besonders hoch ist die Verbreitung im Nordosten Deutschlands (z. B. Brandenburg, Halle:12-13 Prozent)
Jede Stunde sterben drei Menschen an Diabetes.
Begleit- und Folgeerkrankungen
Rund 90 Prozent der Betroffenen sind übergewichtig, 83 Prozent der Typ-2-Diabetiker leiden am „Metabolischen Syndrom" (rumpfbetontes Übergewicht+ Fettstoffwechselstörungen + Bluthochdruck + erhöhter Nüchternblutzucker).
Mehr als 2.300 dialysepflichtige Patienten pro Jahr durch Diabetes (Nierenersatztherapie). 2.000 Erblindungen jedes Jahr durch Diabetes. Diabetes verkürzt das Leben, im Schnitt um etwa 4,5 bis 6,5 Jahre.
Therapie
Etwa ein Viertel der Menschen mit Diabetes werden ohne Medikamente behandelt (Ernährungsumstellung und mehr Bewegung mit dem Ziel der Gewichtsabnahme). Knapp die Hälfte der Diabetespatienten erhalten ausschließlich orale Antidiabetika. Rund 30 Prozent der Diabetespatienten werden ausschließlich oder in Kombinationstherapie mit Insulin behandelt. Die Tendenz ist steigend.
Nach Diagnosestellung vergehen durchschnittlich 9 bis 10 Jahre, bis von oralen Antidiabetika auf Insulintherapie umgestellt wird.
Versorgung
2012 haben knapp 3,8 Mio. Patienten mit Typ 2 und 156.000 mit Typ l an einem Disease-Management-Programm (DMP) teilgenommen.
Diabetes wird im Schnitt acht bis zehn Jahre zu spät diagnostiziert. Diabetespatienten werden zu 90 Prozent hausärztlich und zu 10 Prozent in Diabetes- Schwerpunktpraxen und Krankenhausambulanzen versorgt: Ein Hausarzt betreut ca. 1OO Diabetespatienten, eine diabetologische Schwerpunktpraxis betreut rund 600 Diabetespatienten.
Stationär werden ca. 127.000 Patienten Typ 2, 35.000 Patienten Typ l versorgt (2007).
Kinder und Jugendliche
Mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche unter 19 mit Typ-1-Diabetes. Jedes Jahr erkranken 2.100 bis 2.300 Kinder unter 15 Jahren neu an Typ-1-Diabetes, von 2005 bis 2020 wird eine Verdopplung der Erkrankungsfälle bei Kindern unter fünf Jahren erwartet. Ca. 1.600 Kinder und Jugendliche leiden an Typ-2- Diabetes, meist bedingt durch starkes Übergewicht.
Kosten
Direkte Kosten Diabetes und Folgekrankheiten: 48 Mrd. Euro pro Jahr (2009), inflationsbereinigt +24 Prozent seit 2000), obwohl die Kosten pro Patient sinken (inflationsbereinigt 3 Prozent).
(Quelle: Geschäftsbericht Deutsche Diabeteshilfe 2013)
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Dr. Willi Heepe ist praktischer Arzt und Sportmediziner.
Seit über zwanzig Jahren liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt in der medizinischen Betreuung von Menschen, denen ein Leben in Bewegung Herzensangelegenheit ist. Hierzu gehören professionelle Ausdauersportler, aber auch Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen.
Dr. Heepe ist Fachbuchautor; seine Artikel zum Ausdauersport erscheinen regelmäßig in aktuellen Zeitschriften (beispielsweise Runners World und Laufzeit). Er ist außerdem ein geschätzter Dozent zu den Themen Sportmedizin, Ausdauertraining und Kardiologie.
Willi Heepe war viele Jahre lang Medizinischer Direktor des Berlin-Marathon. Er ist fünfzigmaliger Marathonfinisher und auch im Alter von 70 Jahren ein aktiver Repräsentant jener »Laufkultur«, für deren Entwicklung er sich in Deutschland schon so lange engagiert.
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Training im Winter – Tipps von Dr. Willi Heepe, dem langjährigen Medical-Director des BERLIN-MARATHON
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