2011 Zappos RocknRoll Las Vegas Marathon Las Vegas, NV December 4, 2011 Photo: Victah Sailer@PhotoRun 631-741-1865 Victah1111@aol.com www.photorun.NET
Auf zum Marathon III – Die letzten Wochen – Jürg Wirz in CONDITION
Wenn Sie nach unserem Programm trainieren, befinden Sie sich nun im zweiten Teil der Vorbereitung, der, wie der erste, acht Wochen dauert. Schon bald beginnt der Countdown.
Mit den Vorbereitungsphasen I und II haben Sie die Hauptarbeit hinter sich: Die Ausdauerbasis ist vorhanden und durch die intensiveren Trainingsreize hat sich auch Ihr Leistungsniveau verbessert, das heißt, Sie sind nun in der Lage, nicht nur länger, sondern auch schneller zu laufen.
Die letzten Wochen der Trainingsphase II bilden den Höhepunkt der Vorbereitung. Danach steht in den letzten
14 Tagen bis zum Marathon die Erholung und das Aufladen der Batterien im Vordergrund. Konkret bedeutet das: Der Trainingsumfang wird drastisch heruntergefahren, Sie kommen jetzt nur noch auf 25-30 km in der Woche.
Vergessen Sie nicht: Sie können jetzt nichts mehr aufholen, was Sie zuvor im Training verpasst haben, Sie können mit zu langen und zu intensiven Trainingsreizen aber sehr wohl erreichen, dass Sie nicht ausgeruht am Start stehen und so auch nicht Ihre beste Leistung abrufen können.
Trainingsbeispiel für die letzte Woche
Mo: 30 min lockerer DL
Di: 10 min Einlaufen + 5 km im Marathonwettkampftempo + 10 min Auslaufen
Mi: –
Do: 20-30 min langsamer DL
Fr: –
Sa: 30-40 min langsamer DL + etwas Gymnastik/Stretching
So: Marathon
Bemerkung: Einige Läufer ziehen es vor, das letzte leichte Training am Freitag zu absolvieren und am Tag vor dem Marathon die Beine hochzulagern. Entscheiden Sie selbst!
Langsamer DL = 70-75 % der max HF
Lockerer DL = ca. 80 % der max HF
Viele Marathonnovizen – und oft auch routinierte Läufer – machen denselben Fehler: Sie legen auf den ersten
Kilometern los wie die Feuerwehr und brechen dann auf der zweiten Streckenhälfte fürchterlich ein. Ich erinnere
mich noch gut an meinen ersten Marathon – nach 10 Jahren als Kettenraucher und vier Jahren Lauftraining – 1984 in New York. Die Temperatur betrug zwischen 17 und 26° C, die Luftfeuchtigkeit bis 98 %, Bedingungen, wie sie für einen Marathon kaum schlimmer sein können.
Selbst der italienische Sieger Orlando Pizzolato musste mehrmals anhalten, weil er von Kämpfen befallen wurde. Ich legte die erste Streckenhälfte in 1:27 h zurück; für die zweite benötigte ich eine halbe Stunde mehr und schwor mir, nie mehr eine solche Tortur auf mich zu nehmen.
Schließlich kamen dann doch noch etwa ein Dutzend Marathonläufe zusammen, darunter in Berlin auch eine Zeit von knapp unter 3 h, die damals als eine Art Reifeprüfung galt. Wer diese Grenze unterboten hatte,
war ein richtiger Läufer.
Nur wenn Sie Ihren Körper dazu bringen, von Beginn weg einen hohen Anteil der Energiegewinnung aus dem
Fettstoffwechsel zu beziehen, kommen Sie gut über die Distanz. Wer zu schnell startet, ist schon bald ohne Glykogenreserven. Nehmen Sie sich die besten Marathonläufer als Beispiel. Diese laufen beide Streckenhälften
gleich schnell, oft die zweite Hälfte sogar schneller. Die Wahl der richtigen Laufgeschwindigkeit fällt mit zunehmender Routine leichter.
Das richtige Tempo kann aber auch berechnet werden. Als Faustregel gilt: 2 x die Halbmarathonzeit plus 10-15 %. Versuchen Sie, die so berechnete Kilometerzeit von Anfang an einzuhalten.
Schreiben Sie die Zwischenzeiten auf einen Zettel oder noch besser direkt auf Ihr Handgelenk. Lassen Sie sich
nicht von den Läufern anstecken, die zu schnell loslaufen. Früher oder später werden Sie einen nach dem anderen ein- und überholen!
Gerade wenn es sich um Ihren ersten Marathon handelt, ist es wichtig, dass Sie die Strecke gut einteilen, sodass die Premiere zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.
Und noch etwas: Einen Frühjahrsmarathon laufen Sie besser in kurzen Tights als in Shorts; die Oberschenkelinnenseiten reagieren nach den Wintermonaten, in denen Sie mit langen Tights unterwegs waren, mit schmerzhaften Scheuerstellen. Wenn auch Ihre Achselhöhlen empfindlich sind, ist ein atmungsaktives T-Shirt einem Trägershirt vorzuziehen (evtl. auch die Brustwarzen abkleben).
Und die Schuhe? Grundsätzlich gilt: Lieber einen etwas schwereren Schuh, der auch nach 30 km noch dämpft,
wenn der Bewegungsapparat diese Funktion nicht mehr richtig übernehmen kann. Die Schuhe müssen genügend Platz bieten, da bei einem Marathon die Füße überdurchschnittlich anschwellen.
Freuen Sie sich auf den Marathon. Es ist eines der letzten Abenteuer unserer Zeit. Egal, ob Sie das Ziel nach drei, vier oder fünf Stunden erreichen: Sie dürfen stolz auf Ihre Leistung sein. Wer die 42,195 km schafft, hat etwas Außergewöhnliches erreicht. Ein Marathon stellt aber eine enorme Belastung für den Körper dar,
vor allem für den Bewegungsapparat. Er geht buchstäblich an die Substanz. Die muskuläre Wiederherstellung dauert mehrere Wochen.
Deshalb treten die meisten Weltklasseläufer auch nur 2 x im Jahr zu einem Marathon an. Sie sollten sich eine
3-4 Wochen dauernde Regenerationsphase gönnen, bevor Sie langsam wieder ins normale Training einsteigen. In dieser Zeit kann zum Beispiel 2 x in der Woche ein lockerer, regenerativer Dauerlauf von 30-40 min Dauer auf dem Programm stehen, dazu ein Alternativtraining wie Schwimmen oder Aquafitness und an einem Tag ohne Weiteres auch ein Mannschaftssport, wie Basketball, Volleyball oder Fußball – sofern Sie nicht mit zu viel Ehrgeiz zur Sache gehen.
Wichtige Tipps
• Wenn Sie Ihren Marathon im Ausland laufen, ist es wichtig, dass Sie auch Stadtrundfahrt und Shoppingtour gut planen. Stundenlange Fußmärsche am Vortag sind alles andere als leistungsfördernd.
• Wenn Sie am Tag vor dem Marathon nervös sind, ist das überhaupt nicht tragisch. Für jede sportliche Höchstleistung braucht es eine gewisse Spannung. Gehen Sie am letzten Tag 30-40 min lang leicht joggen, aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie sich nicht besonders gut fühlen. Nach dem Startschuss wird das bestimmt
anders sein.
• Denken Sie daran, Kohlenhydrate zu laden (Reis, Kartoffeln, Teigwaren – keine fetten Soßen!), ohne sich zu überessen, und trinken Sie viel.
• Packen Sie Ihre Wettkampfutensilien am Vorabend ein. Nichts ist nervenaufreibender als eine Suchaktion am frühen Morgen oder – noch schlimmer – Sie stellen im Startgelände fest, dass Sie irgendetwas Wichtiges vergessen haben.
• Lesen Sie das Programmheft gut durch, damit Ihnen kein wichtiger Hinweis entgeht. Die Startzeit der meisten großen Marathonläufe ist am Vormittag. Wichtig ist, dass Sie früh aufstehen, mindestens vier Stunden vor dem Start – der Körper benötigt zum Wachwerden länger als der Kopf.
• Nehmen Sie etwa drei Stunden vor dem Start ein ballaststoffarmes Frühstück zu sich. Trinken Sie auch jetzt über den Durst. Besser als Kaffee oder Tee (harntreibend!) ist in regelmäßiges Abständen Wasser oder ein Sportgetränk.
• Fahren Sie früh genug zum Start. Planen Sie Zeit für die Kleiderabgabe und den Gang zur Toilette ein – Sie sind nicht der Einzige, der kurz vor dem Start noch ein solches Bedürfnis hat.
• Als fortgeschrittener Marathonläufer laufen Sie sich 10-15 min ein, um den Körper auf Betriebstemperatur zu bringen; anschließend leichte Gymnastikübungen. Als Einsteiger verzichten Sie auf das Einlaufen und benützen die ersten Kilometer zum Aufwärmen.
• Stehen Sie in demjenigen Startsektor, der Ihrem Leistungsniveau entspricht. Es bringt nichts, mit den Schnelleren loszulaufen – im Gegenteil: Wer auf den ersten Kilometern über seine Verhältnisse lebt, wird früher oder später unweigerlich dafür büßen.
• Trinken Sie frühzeitig, das heißt ab km 5, auch wenn Sie noch keinen Durst verspüren und denken Sie auf dem letzten Streckenteil nicht ständig an die schmerzenden Beine. Bleiben Sie positiv!
• Ziehen Sie sich im Ziel möglichst schnell warm an und versuchen Sie, ein wenig auszutraben. Essen Sie, wenn möglich, innerhalb von 30 min einen Snack, bestehend aus 80 % Kohlenhydraten und 20 % Proteinen, und füllen Sie auch das Flüssigkeitsspeicher wieder auf.
Jürg Wirz in CONDITION – 11/2011
Auf zum Marathon II – Jetzt die Intensität steigern – Jürg Wirz in CONDITION
AUF ZUM MARATHON – Von Jürg Wirz – Der CONDITION Ratgeber – Teil I