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2025

Symbolbild - Foto: Victah Sailer

Anti-Aging und Selbstoptimierung: Die negativen Seiten – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Anti-Aging ist nicht unumstritten und dabei geht es auch um den zunehmenden Trend der Selbstoptimierung verbunden z.B. mit vermehrten schönheitschirurgischen Eingriffen.

Im Spitzensport wird gelegentlich über das Ziel hinausgeschossen, Stichwort Doping. Solange man auf Doping verzichtet, ist sportliches Enhancement gesellschaftlich akzeptiert.

Auch Normalbürger und Prominente greifen immer häufiger zur Droge oder Arzneimitteln, um dem alltäglichen Stress von Job, Familie und Freizeit besser gewachsen zu sein. Selbst Schulkinder nehmen Medikamente (Schmerzmittel, Kreislaufmittel, Beruhigungsmittel, Ritalin® u. a.), da sie oder die Eltern meinen, damit bessere Leistungen in der Schule zu erzielen.

Studenten nehmen Amphetamine und Beruhigungsmittel, um durch die Prüfungszeit zu kommen. Zum Neuro-Enhancement werden auch Kokain, Ephedrin, Pseudoephedrin und verschiedene Psychopharmaka verwendet, um die kognitive Leistungsfähigkeit (Vigilanz, Konzentration, Gedächtnis, Stimmung) zu verbessern.

Vor der Einnahme dieser Substanzen kann auf-grund des erheblichen Nebenwirkungspotenzials nur gewarnt werden.

Ein neuer Trend ist das Biohacking, bei dem durch verschiedene Methoden versucht wird, den eigenen Körper besser zu verstehen und das Wohlbefinden sowie die Leistungsfähigkeit zu steigern. Durch Technologien des Self-Tracking mit Wearables entsteht eine neue Art des Enhancement. Fitness-Tracker und -Apps sind heute in der Lage, eine ganze Reihe von Parametern zu bestimmen, die dann in einem Programm ausgewertet werden können. Im Netz kann man sich dann mit Gleichgesinnten vergleichen. Das Ziel: Besser werden und die Leistung optimieren. Werden Sie nicht Sklave Ihrer Daten und fragen Sie nicht die Uhr, ob Sie gut geschlafen haben. Bleiben Sie entspannt! Selbstoptimierung ist bis zu einem gewissen Grad gut, Optimierungswahn ist schlecht! Lebensoptimierung kann in einen Zustand chronischer Erschöpfung und innerer Leere führen. Das Gespür, was wirklich guttut, kann dann verloren gehen.

Die Nutzung von Fitness-Apps kann psychisch belasten wie eine neue Studie aus Großbritannien zeigt (Sheen et al. 2025). Demnach berichten viele Menschen in sozialen Medien über Scham, Enttäuschung und Demotivation, wenn sie mit den von den Apps gesetzten Zielen nicht Schritt halten können.

Einige Nutzerinnen und Nutzer berichteten, sie fühlten sich von Erinnerungen zum Eintragen ihrer Mahlzeiten „genervt“ oder „beschämt“. Die Untersuchung plädiert für ein Umdenken in der App-Gestaltung: Anstelle von sehr engen, starren Maßstäben für den Erfolg in Bezug auf die Menge des verlorenen Gewichts sollten Gesundheits-Apps das allgemeine Wohlbefinden in den Vordergrund stellen und sich auf die intrinsische Motivation konzentrieren – also auf die inhärente Freude oder Zufriedenheit bei Aktivitäten.

Aderhold L. Klartext Gesundheit! Ernährung – Bewegung – Entspannung – Denken. Die besten Strategien für mehr Gesundheit, Energie und Wohlbefinden. Jena: Vopelius Verlag, 2024.

Ein weiterer Schwachpunkt sei die fehlende soziale Komponente vieler Programme: Viele dieser Apps lassen Nutzerinnen und Nutzer Aufgaben allein bewältigen. Damit verschenken sie das große Potenzial sozialer Verbundenheit, die unsere Gesundheit und unser Glück fördern kann. Selbstbeobachtung und Handlungsplanung sind zwar starke Methoden zur Verhaltensänderung, würden aber oft überstrapaziert. Wir müssen lernen, freundlicher zu uns selbst zu sein. Wir neigen dazu, uns selbst zu beschuldigen und zu beschämen, weil wir glauben, das helfe uns, besser zu werden – tatsächlich bewirkt es das Gegenteil.

Die Berichte der Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien haben gezeigt, dass Fitness-Apps manchmal dazu führen können, dass sich die Nutzenden demoralisiert fühlen und bereit sind, aufzugeben – was genau das Gegenteil von dem ist, was diese Tools eigentlich bewirken sollen. Die Autorinnen und Autoren fordern, künftige digitale Gesundheitsanwendungen stärker an psychologischen Konzepten auszurichten und weniger auf starre Kennzahlen zu fixieren. Statt Kalorien oder Schrittzahlen solle das subjektive Wohlbefinden im Mittelpunkt stehen.

Für die Präventivmedizin könnten Fitnesstracker und -Apps in Zukunft aber von zunehmender Bedeutung werden, wenn z. B. ohne Blutabnah- me Blutwerte bestimmt werden können (Biotracking). Die personalisierte Medizin steht vor der Tür. In der Zukunft wird für jede Therapie geprüft werden, ob sie zum individuellen Genom passt. Wir werden unsere persönlichen Schwachstellen kennen (Gentests) und können unseren Le- bensstil entsprechend anpassen. Für die Medizin bedeutet dies, dass die Erhaltung von Gesundheit durch Prävention eine Hauptaufgabe werden wird. Individuelle Verantwortung und personalisierte Verfahren sind die Kernelemente einer zukünftigen Medizin. Die qualitätsgesicherte Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) wird dabei in Zukunft die Patientenversorgung effizienter gestalten.

Die wahren „Joker“, wenn es um Verjüngung, Leistungsfähigkeit und Gesundheit geht, sind moderater Sport für Ausdauer und Kraft sowie eine gesunde und abwehrstärkende Ernährung. Daran kommen Sie nicht vorbei, wenn Sie fit altern wollen. Halten Sie dabei nicht strikt an Plänen fest und setzen Sie sich nicht unter Stress. Es kommt darauf an, an den meisten Tagen gesunden Gewohnheit zu folgen.

Ausnahmen darf es immer geben. Bleiben Sie flexibel und lassen Sie spontane Änderungen zu. Gönnen Sie sich auch Leerlauf, das ist keine verlorene Zeit. Sie fördern damit Regenation, Entspannung, emotionale Verarbeitung und Kreativität.

Tipps zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention:

  • Ernähren Sie sich mediterran orientiert mit viel Gemüse und Obst.
  • Vergessen Sie nicht, ausreichend zu trinken.
  • Bewegen Sie sich regelmäßig an der frischen Luft und treiben Sie einen Sport, der Ihnen Spaß macht.
  • Suchen Sie sich zum Ausgleich Hobbys, die Sie fordern und erfüllen.
  • Denken Sie an Phasen der Regeneration und Entspannung, nicht nur im Urlaub.
  • Vermeiden Sie Gesundheitsrisiken wie Übergewicht sowie Tabak- und Alkoholkonsum.
  • Schaffen Sie sich im Arbeitsleben regelmäßige Pausen.
  • Pflegen Sie Ihre Sozialkontakte und treffen Sie sich regelmäßig mit Freunden.
  • Gehen Sie regelmäßig zur Gesundheitsvorsorge zu Ihrem Arzt.
  • Positives Denken und Handeln sowie Achtsamkeit und Zuversicht sollen Sie leiten.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

Literatur:

Aderhold L. Klartext Gesundheit! Ernährung – Bewegung – Entspannung – Denken. Die besten Strategien für mehr Gesundheit, Energie und Wohlbefinden. Jena: Vopelius Verlag, 2024.

Sheen F et al. Living well? The unintended consequences of highly popular commercial fitness apps through social listening using Machine-Assited Topic Analysis: Evidence from X. Br J Health Psychol 2025; doi: 10.1111/bjhp.70026.

 

author: GRR