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17
09
2009

Von einem „Anstrengungsasthma“ spricht man, wenn etwa 3-8 Minuten nach einer ausgeprägten körperlichen Belastung eine vorübergehende Einengung der Bronchien („Bronchospasmus“) auftritt. Etwa 3% der gesunden jungen Menschen, 40% der nicht asthmatischen Allergiker und 90% der Asthmatiker bekommen unter körperlicher Belastung anfallsweise Luftnot im Sinne eines Anstrengungsasthmas.

„Anstrengungsasthma“ – Bronchialasthma – Dr. med. Dieter Kleinmann

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Unter Bronchialasthma versteht man eine vorwiegend anfallsweise auftretende Verengung bzw.  Verlegung  der Atemwege auf dem Boden eines überempfindlichen („hyperreagiblen“) Bronchialsystems.  Die Bronchien reagieren krankhaft gesteigert auf äußere („exogene“) oder innere („endogene“) Reize, die auch physiologischerweise in erheblich geringerem Ausmaß bereits zu einer Einengung der  Bronchien („Bronchokonstriktion“) führen.

Die wichtigsten Auslösermechanismen für eine überschießende Bronchialkonstriktion sind die Allergie wie z. B. auf Gräserpollen und die Infektion. Sowohl für die allergiebedingte als auch für die infektbedingte Überempfindlichkeitsreaktion der Bronchien mit nachfolgender Verengung oder gar Verlegung des Lumens sind Veränderungen im Bereich der Mastzellen, der Bronchialschleimhautzellen selbst, der glatten Bronchialmuskelzellen und des vegetativen Nervensystems verantwortlich. Mastzellen enthalten besonders viel Histamin und andere sogenannte Mediatoren , also Überträgerstoffe, die bestimmte Reaktionen des Gewebes, hier die Bronchialkonstriktion auslösen.

Nicht nur der dadurch entstandene Muskelkrampf (Bronchospasmus) in der Bronchialwand führt zu einer Lumeneinengung der Bronchien, sondern auch eine entzündliche Reaktion mit Anschwellung der Bronchialschleimhaut und vermehrter Schleimproduktion. Atemnot ist die Folge.

Wenn ein allergisches Asthma im Kindesalter auftritt, kann es in einem hohen Prozentsatz später wieder spontan ausheilen. So nimmt man an, dass ein Großteil der bei den Kindern erzielten Erfolge durch „Hyposensibilisierung“ auf diese Spontanheilung zurückzuführen ist.
            

Bei Atemnot unter intensiver Belastung ist daher nicht nur an einen mangelhaften Trainingszustand zu denken, sondern vor allem bei  Pollenallergikern auch an die Möglichkeit eines anstrengungsinduzierten Asthmas. Nicht immer tritt die Luftnot anfallsartig auf. Manchmal zeigen sich anfangs lediglich Reizhusten, sportlicher Leistungsknick oder nächtliche Atemnot.

Wodurch wird ein Anstrengungsasthma provoziert?

Je intensiver die Anstrengung, desto stärker entwickelt sich das Anstrengungsasthma. Ist die Belastung weniger intensiv oder wird sie immer wieder unterbrochen  (intervallartiges Training), so tritt seltener und in geringerem Ausmaß ein Anstrengungsasthma auf, das dann mit zunehmender Belastungsdauer wieder abnimmt. Weniger „asthmogen“ als abrupt aus der Ruhe einsetzende anhaltende Höchstbelastungen sind langsam gesteigerte Belastungen. Schwimmen in einer warmen und feuchten Umgebung führt im Gegensatz zum Laufen seltener zur Atemnot.

Grundsätzlich ist bei empfindlichen  Menschen bei einer Mindestleistung von 80 bis 85% der individuellen maximalen Leistungsfähigkeit über einen Zeitraum  von 6 bis 8 Minuten mit asthmatischen Beschwerden zu rechnen. Ist dieser Asthmaanfall wieder vorbei, so ist das Bronchialsystem gegenüber weiteren asthmogenen Reizen refraktär.

Die Refraktärperiode wird als die Periode bezeichnet, wo eine wiederholte identische (gleiche Bedingungen) Anstrengung  eine um mehr als 50% verminderte asthmatische Reaktion auslöst. Dieser Definition entsprechend weisen etwa 50% der Asthmatiker für die nächsten 2 Stunden nach der ersten Belastung eine Refraktärperiode auf.  Als Ursache wird angenommen, dass es zu einem Neuaufbau von Mediatoren kommen muss, bis eine Anstrengungsreaktion von der ursprünglichen Stärke wieder ausgelöst werden kann.

Bedeutend für die Auslösung eines Anstrengungsasthmas ist der Wärme- und Wasserverlust bei  belastungsbedingt verstärkter Atmung. Dabei wird die Einatmungsluft über die Schleimhaut der Atemwege wasserdampfgesättigt und auf die Körpertemperatur angewärmt. Bei körperlicher Anstrengung ist eine Nasenatmung praktisch nicht mehr möglich, d.h. kühlere und trockenere Luft wird unter Belastung tiefere Atemwege erreichen. Die Bronchien kühlen sich ab. Die Bronchialschleimhaut verliert durch die wasserdampfgesättigte auf Körpertemperatur angewärmte Ausatmungsluft Flüssigkeit.

Da kalte Luft trocken ist, kann sie bei Erwärmung in den  Atemwegen Wasser aufnehmen, was bei Training in der Kälte beachtet werden sollte. Bei einer vorliegenden Überempfindlichkeit führt nun die Abkühlung  zu einer reflexartigen Engstellung der Bronchien. So konnten Anderson und Mitarbeiter  zeigen, dass wasserdampfgesättigte Luft das anstrengungsinduzierte Asthma vermindern konnte. Trockene Luft bei derselben Temperatur verstärkte das Asthma! Die Erfahrung zeigt, dass besonders an kalten und trockenen Tagen das Anstrengungsasthma auftritt. Besonders die Gesichtskühlung führt zu einer verstärkten Engstellung der Bronchien.

Therapie

Kommt bei Allergie eine spezifische Immuntherapie nicht infrage, so ist die therapeutische Basis die tägliche Atemgymnastik und ein dosiertes Ausdauertraining, siehe oben. Was das Laufen als Leistungssport betrifft, so ist allerdings jedes effektive Training beim Vorliegen eines hyperreagiblen Bronchialsystems asthmogen, das heißt, es ist mit einem Asthmaanfall zu rechnen, wenn nicht vorher medikamentös mittels Inhalation vorgebeugt wurde.

Bei weniger empfindlichen Bronchien kann durch wiederholte kurz- dauernde Laufbelastungen mit anschließenden Pausen die Überempfindlichkeit der Bronchien reduziert werden („Refraktär-Periode“), um dann mit dem eigentlichen Tempotraining zu beginnen. Diese Refraktär-Periode nach wiederholten Belastungen in kurzen Abständen, z.B. Dauerlauftraining in Intervallform kann 1-4 Stunden dauern.

Man kann daher dem Läufer mit Anstrengungsasthma ein Aufwärmen in Intervallform vor dem Training oder Wettkampf empfehlen. Es hat sich dabei gezeigt, dass Sprints mit gedrosseltem (submaximalem) Tempo von etwa jeweils 30 Sekunden, die noch nicht zu asthmatischen Beschwerden führen, bereits nach 8 Wiederholungen  ein anschließendes Training bzw. einen Wettkampf weitgehend von Seiten der Atmung beschwerdefrei möglich machen.

Bei vielen Anstrengungsasthmatikern reicht das Einatmen des schnell wirksamen Bronchus erweiternden Salbutamols, ein Sympathikomimetikum, allein im Bedarfsfall nicht aus. Diese brauchen die zusätzliche Inhalation eines Kortikoids als Basistherapie, eventuell als Kombinationspräparat mit einem langwirksamen Sympathikomimetikum, z. B. Symbicort Turbohaler ®, das entzündungshemmend und abschwellend über die Kortisonkomponente sowie Bronchus erweiternd wirkt. (Bei Asthmatikern liegt immer eine Entzündung der Bronchialschleimhaut vor!)

Die Angst vor einer systemischen Kortison-Nebenwirkung ist bei der empfohlenen Dosis unbegründet, da bei der Inhalation nur unbedeutende Mengen in die Blutbahn gelangen. Lässt sich das Anstrengungsasthma dennoch nicht ausreichend unterdrücken, so kann mit dem Leukotriengegenspieler Montelukast (Singulair R) kombiniert werden. Wer sein Training über den Puls steuert, sollte beachten, dass dieser bei Anwendung eines Sympathikomimetikums immer höher liegt. Intensitätssteuerung über die Atmung und Ausnutzung der Refraktärperiode ohne Pulsuhr vermeiden eine Pulsneurose mit Panikattacken!

Spitzensportler müssen die Dopingliste beachten und vor großen internationalen Veranstaltungen nicht nur ihre Medikamente vorher (!) angeben, sondern auch die Untersuchungsergebnisse eines Lungenfacharztes vorlegen.

Dr. med. Dieter Kleinmann

Internist/Sportmedizin
Frisonistr. 7
70736 Fellbach                                          
Tel.:  0711  514542
Fax : 0711  1612204
E-Mail: dr.kleinmann@vr-web.de

Literaturverzeichnis in Kleinmann, D.: LAUFNEBENWIRKUNGEN, vom Ermüdungsbruch zum plötzlichen Herztod. Was können Sie dagegen tun? 2. überarbeitete Auflage 2009, Deutscher Ärzte-Verlag Köln.

 

 

author: GRR

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