
Anna Hahneer bei km 36 in Berlin ©Helmut Winter
Anna Hahner in Berlin: „Das war Gänsehautfeeling pur!“ Wilfried Raatz berichtet
Das 22jährige Marathontalent brillierte auch beim 39. Berlin-Marathon – und bestätigte ihre Düsseldorfer 2:30 Stunden-Zeit auch unter erheblichem Erwartungsdruck
„Ja, ich gebe zu, dass ich mein Wunschziel knapp verpasst habe – und dennoch bin ich auf jeden Fall sehr zufrieden mit dem Rennen!“ so elegant zog sich die gerade erst 22jährige Anna Hahner eine Stunde nach ihrem beherzten Lauf beim 39. Berlin-Marathon durch die zumeist boulevardbreiten Straßen der Hauptstadt gegenüber den Fragen der Journalisten aus der Affäre.
Die im Frühjahr beim Metro Group Marathon Düsseldorf mit 2:30:14 Stunden so denkbar knapp an der verschärften deutschen Olympianorm vorbei geschrammte Läuferin aus dem Osthessischen verpasste zwar mit 2:30.37 Stunden auch bei ihrem zweiten Anlauf auf eine Endzeit unter die 2:30-Marke diese zwar erneut, aber das ist keineswegs ein Rückschritt im Vormarsch des erfrischend sympathisch auftretenden Langstreckentalents hinein in die internationale Marathonklasse.
Mit Caroline Chepkwony auf Augenhöhe
„Ich habe alles gegeben – und dabei eigentlich kaum auf meine Uhr geschaut!“ Was dabei eher wie eine Entschuldigung geklungen haben mag, brauchte es in der Tat aber wirklich nicht zu sein. Denn es war nach interessanten 42 Kilometern ein spannendes Duell um Rang acht, das sich Anna Hahner gegen die mit vielen Vorschusslorbeeren gestartete Caroline Chepkwony lieferte, der BIG 25-Siegerin und Berlin-Halbmarathon-dritte mit jeweils Hausrekorden von 1:22:56 und 1:08:36 Stunden.
Und das wichtigste, die eher zierliche Anna ließ sich von dem immensen Druck, der zwangsläufig auf ihren schmalen Schultern lastete, nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Hier ein Pressetermin, dort ein Sponsoreneinsatz, oftmals mit ihrer Zwillingsschwester Lisa, verließ sich Anna bei ihrem Start auf der Marathon-Weltbühne eher auf ihr exzellentes Laufgefühl – und auf die gewissenhafte Vorbereitung mit Trainer Wolfgang Heinig, mit dem sie seit 2012 zusammenarbeitet. „Wir haben uns schnell zusammen gefunden.
Aber ohne ihn wäre ich noch nicht so schnell beim Marathon gelandet!“ bekennt sie freimütig. Denn Marathon ist ihre Strecke, das weiß sie schon nach diesen beiden ersten Versuchen.
Angeführt von einigen gewissenhaft arbeitenden Tempomachern wie dem Berliner 1500 m-Läufer Tobias Singer, dem Kenianer Charles Cheruiyot oder dem weltbesten Treppenläufer Thomas Dold lebte Anna Hahner ihren Traum vor einem Millionenpublikum aus. „Die Stimmung war atemberaubend, schon am Start war das Gänsehautfeeling pur!“ Und lies sich dabei nicht von einem zu forschen Anfangstempo verleiten.
„Den Mann mit dem Hammer noch nicht kennen gelernt!“
Zur Halbmarathonmarke lag die Mainzer Lehramtsstudentin mit den Fächern Theologie und Französisch mit 1:14:28 noch klar auf einem Kurs auf eine Endzeit von unter 2:30 Stunden, von dem sie letztlich aber dann doch noch etwas abkam. „Ich weiß nicht, wo ich die Zeit verloren habe. Nach der 25 km-Marke liefen wir immer zwei, drei Sekunden langsamer pro Kilometer. Aber einen regelrechten Einbruch habe ich nicht gehabt. Den Mann mit dem Hammer musste ich noch nicht kennen lernen!“
Der Blick ist voraus gerichtet – und mit klaren Zielen besetzt. Das Thema Olympia 2012 ist trotz gewisser Enttäuschung über die Nicht-Nominierung abgehakt. „In diesem Jahr ist die 2:30 das Ziel, im nächsten Jahr für die WM muss es schneller gehen!“ Dass sie bei den Weltmeisterschaften am liebsten im Verbund mit ihrer Zwillingsschwester im Nationaldress starten möchte, das liegt auf der Hand.
So, wie es bereits bei den Cross-Europameisterschaften 2008 schon einmal war. Nach der im Oktober anstehenden Bachelorarbeit wird Anna ab November als Sportsoldatin in weitaus stärkerem Maße professionell laufen können als es bislang ehedem schon der Fall war. Dann werden die 200 Wochen-kilometer sicherlich häufiger angepackt als dies bislang der Fall war. „Das habe ich eigentlich nur in der Gruppe in Kenia geschafft, ansonsten sind die Umfänge eher weiter unten angesiedelt“.
Die Bindung zu Trainingskolleginnen ist ihr wichtig. So fieberte sie für Gesa-Felicitas Krause im Olympiafinale ebenso wie es Sabrina Mockenhaupt beim Berlin-Marathon nun für sie tat. Apropos Olympia. Auf Einladung ihres Ausrüsters erlebte sie ganz im Gegensatz zu den deutschen Leichtathleten die Eröffnungsfeier live („Das ist das größte, was ein Sportler erleben kann!“) – und hat nun den festen Vorsatz gefasst, das Rio das große Ziel ihrer sicherlich ungewöhnlichen Karriere sein wird.
Von Joey Kelly motiviert zum Laufen
Mit „Schuld“ an der Läuferkarriere hat Extremsportler und Musiker Joey Kelly, der die Hahner-Twins 2007 bei einem Vortrag über Motivation in Fulda derart begeisterte, dass beide ihre Freizeitaktivitäten von Tischtennis, Jiu Jitsu und Orchesterproben (Anna bläst die Posaune, Lisa das Horn) mit inzwischen weitaus größerem Erfolg auf das Laufen verlagerten.
Anna Hahner ist sicherlich die Marathonhoffnung im Deutschen Leichtathletik-Verband, eine weitere könnte sich mit ihrer Zwillingsschwester Lisa noch in diesem Jahr hinzu gesellen. Wo, das sei derzeit noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, formulierte es zumindest der gemeinsame Manager Thomas Dold („Es ist noch nichts unterschrieben!“).
Der weltbeste Rückwärts- und Treppenläufer hat die Zügel im Management der Hahner-Twins fest in der Hand, schließlich ist er mit dem extra gegründeten Verein Run2Sky mit Sitz in Steinach im Schwarzwald schon eigene Wege gegangen.
Ein Tänzchen bei der After-Race-Party hat Anna übrigens dem siebtplatzierten Jonathan Maiyo versprochen, den sie nach dem Trainingscamp in Iten nun im Athletenhotel am Tiergarten wieder getroffen hat.
Wilfried Raatz für "Leichtathletik"