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11
2009

Es ist besser mit einem Lächeln auf seine Gegner zuzugehen, als mit einem blassen Gesicht. Sie können sich aber auch durch ihren „Haus-Psychologen“ helfen lassen, aber bitte langfristig – frühzeitig.

Angst – 30 % der Leistungsfähigkeit kommt oft nicht auf die Bahn – „Freude am Leistungsfortschritt“ vermitteln und mentale Stärke aufbauen – Lothar Pöhlitz in Leichtathletik Coaching-Academy

By GRR 0

(© Lothar Pöhlitz) – Wer von Angst im Hochleistungssport spricht meint nicht zuerst die Angst, sich bei der Ausführung einer neuen, schwierigen Übung weh zu tun oder sich zu blamieren, wenn die gestellte Aufgabe auf Anhieb nicht gleich wie gewünscht zu lösen ist.

Vielmehr ist es die Angst im Wettkampf nicht die Erwartungen der Trainer oder des familiären Umfeldes erfüllen zu können, nicht vor den Anderen im Ziel zu sein oder die mögliche Angst vor den Schmerzen in der Endphase von Rennen (egal ob durch grenzwertige Laktatanstiege im 800 m Lauf oder durch grenzwertige Ermüdung ab Kilometer 37 im Marathonlauf), die den möglichen Einbruch auslösen könnten. Es ist vielleicht auch die Angst zu versagen, den Erwartungen der vielen Zuschauer oder des Bundestrainers bei einem großen Event nicht zu entsprechen, vor allem, wenn die Medaille schon eingeplant ist. Schließlich hat man in dieser Richtung schon ein- oder mehrmals negative Erfahrungen gemacht.

Aufgabe ist den individuell unterschiedlichen Druck zu erkennen und in „Freude, Spaß und mentale Stärke“ umzusetzen, hier und heute mit Freude zeigen zu wollen, zu welcher sehr guten Leistung man fähig ist. Auch wenn man die Erwartungen zeitweilig erst einmal eine Stufe zurückschrauben muss, weil die gestellte Aufgabe eher einem Wunder gleichkäme, als realistisch zu erfüllen wäre. Besser ist sich auf sich selbst, als auf die Gegner zu konzentrieren.

Schmerzen und das Erleben von Stress unter grenzwertigen Belastungen sind aber im Hochleistungssport Teil zur Zielerfüllung. In Abhängigkeit von der Qualität der angestrebten Leistung und der aktuellen physischen Leistungsfähigkeit sind deshalb erlebter Stress, Schmerzen oder die letzte, nicht erwartete Niederlage– die irgendwann diese Angstgefühle ausgelöst haben – weniger oder mehr spürbar. Sie sind mit Erfahrungen mit ähnlichen Belastungsanforderungen aus früheren Zeiten und dem aktuellen Erleben verbunden, weniger oder mehr ausgeprägt, aber immer Teil des Wettkampfes oder auch entsprechender Anforderungen im Training.

Deshalb dürfen Angstgefühle nicht nur negativ besetzt sein, nicht ein Sportlerleben lang ständiger, leistungsmindernder Begleiter sein. Vielmehr muss ein leistungsorientierter Läufer oder Geher lernen sich mit seinen Problemen in dieser Richtung auseinanderzusetzen, einen bestimmten Stress als normal, vielleicht sogar hilfreich für seine Wettkampfleistung anzunehmen. Eine objektive, sachliche Analyse nach der unerwarteten Niederlage ist wichtig, um keine Versagensängste aufkommen zu lassen.

Wer erfolgreich sein will muss auch das Recht haben zu verlieren

Treffen sie bei einem Wettkampf nicht auf die besten äußeren Bedingungen oder sind die erwarteten Gegner nicht da, motivieren sie ihren Athleten trotzdem das „beste Training“ daraus zu machen. So besteht die Möglichkeit bestimmte Aufgaben mit dieser immer wettkampfspezifischen Belastung zu testen, den Stand der psycho-physischen Ausbildung zu überprüfen oder den Wettkampf als Verhaltenstraining für demnächst zu nutzen. Die gegebenen Wettkampfbedingungen können sie im Training nie ersetzen.

Angst, Schmerz und Stress

Angstbewältigung verlangt eine aktive Auseinandersetzung mit den die Angst auslösenden Ereignissen. Dies sind für den Sportler scheinbar überhöhte Erwartungen und Anforderungen die vor dem Wettkampf vom Trainer, aber auch vom privaten Umfeld oder den Medien an ihn herangetragen wurden. Es sind aber auch Minderwertigkeitskomplexe oder Schuldgefühle, die sich im Ergebnis nicht erfüllter Erwartungen im Training und damit verbundenen Schuldzuweisungen entwickeln. Sie führen zu Hemmungen, Nervosität, Verspannungen, zu defensiver Trainingsgestaltung, erneuter Nichterfüllung der Aufgaben und schließlich zu Versagensängsten für den nächsten Wettkampf. Kopf- und Magenschmerzen, auch die „Körpersprache“ kündigen oft schon frühzeitig an, dass es wohl nicht zum ersehnten Erfolg kommen wird.

Die Grenzen sind nicht immer leicht zu ziehen, vor allem wenn zwischen Trainer und privatem Umfeld keine einheitliche Erwartungshaltung aufgebaut wird. Zwischen positivem Ansporn, Stimulierung, Ermutigung und Druck bzw. überhöhten Erwartungen ist oft ein schmaler Grad, der auch von der Persönlichkeitsentwicklung junger Athleten und ihrem Charakter wesentlich beeinflusst wird.

Talente sind oft einzigartig, etwas Besonderes in einer Gruppe. Dies ist in jungen Jahren für sie nicht immer hilfreich. Hilfreich ist sie in eine Trainingsgruppe schon als derzeit Beste einzuordnen, aber nicht jede(r) verträgt die Rolle „Vorbild sein zu müssen“. Wichtig ist, dass sie im normalen Leben, wenn das Training vorbei ist, Eine / Einer von Vielen bleiben. Die aktuellen Aufgaben müssen stets so „schwer“ sein, dass ein abheben nicht möglich ist.

Man muß wissen, dass zwischen Angst, Schmerz und Stress ein sich gegenseitig beeinflussendes Wechselverhältnis besteht (nach Hecht 1994), das durch Hormone im Nervensystem sogar negativ auf die Muskelspannung wirken kann. Die Tatsache, dass in lebensbedrohlichen Situationen die Angst dem Menschen außerordentliche Kräfte und ungeahnte Willensstärke verleihen kann zeigt, das die erlebte Situation, ihre Bewertung und ein gewisser Zwang sie zu bewältigen auch wichtige Voraussetzungen zur Angstbewältigung sind. An der Spitze aller Aufgaben zu einer wirksamen Bekämpfung von Ängsten ist ein systematischer, langsamer Wiederaufbau eines „abgestürzten Selbstvertrauens“.

Trainer müssen sich darauf einrichten, dass dies auch längere Zeit in Anspruch nehmen kann und wesentlich auch von ihrem Geschick abhängt, das notwendige Vertrauen evtl. auch zum Trainer wieder aufzubauen. Die wichtigste Aufgabe aber ist, die aufgetretenen Schwächen im Training durch vielfache Wiederholungen der angestrebten Bewegung bis zur „Perfektion“ aufzuarbeiten.

Die in die Kategorie „Draufgänger“ einzuordnenden kennen in der Regel „Angstgegner“ nicht, überziehen immer wieder ohne zu überlegen im Training und sind hin und wider auch zu unerwarteten Leistungen fähig. Dabei gibt es eigentlich nicht viele gegen Schmerz unempfindliche Menschen. Nicht blamieren, glänzen, zeigen dass Du der Größte bist, durchziehen ist ihre Devise, auch wenn dann im Wettkampf nicht selten die Reserven aufgebraucht sind. Der Trainer hatte oft ohne Erfolg im Training zur Zurückhaltung, zur Disziplin bei der Einhaltung der Trainingsaufgaben gemahnt. Nicht selten wurde das Trainingsprogramm dadurch auch in den Sand gesetzt oder der Trainingsweltmeister geboren.

„Eine psychische Wettkampfvorbereitung beinhaltet einen komplex pädagogisch-psychologischer Maßnahmen, der Sportler befähigt, die erworbenen psychophysischen Voraussetzungen in wichtigen Wettkämpfen in Höchstleistungen umzusetzen“ (Schnabel u.a. 2008 S.548)

Angst resultiert aus Druck, Überforderung und zu hoch gesteckter Ziele
Angst lässt sich abbauen. Wissen – Glauben – Selbstvertrauen

Geistige Auseinandersetzungen mit den Angst auslösenden Ursachen, vielleicht auch einmal mit einem Schritt zurück in die richtige Richtung, können Sportler in die Lage versetzen besser mit der Angst fertig zu werden. Seine eigenen Fähigkeiten weiterentwickeln, Gegner realistisch bewerten lernen, ihre aktuelle Leistungsfähigkeit sachlich einschätzen, die eigenen Ziele so setzen, dass sie auch bestimmt machbar sind und auch davon überzeugt zu sein, sind Voraussetzungen auf dem Wege zu Veränderungen wenn es in den Wettkampf geht.

Auf der Basis einer gründlichen Analyse des eigenen Denkens und Verhaltens, mit dem Wissen um eine absolvierte positive Leistungsdiagnostik oder mehreren gut gelaufenen wettkampfnahen Trainingsprogrammen sollte man langsam und behutsam das neue, notwendig veränderte Verhalten immer wieder üben. In Glauben und Überzeugungen umgesetzt, in mehreren machbaren zunächst kleineren Wettkämpfen erfolgreich erprobt, führt es schließlich schrittweise zum positiven Denken und bald auch zum Selbstvertrauen nun auch höhere Ziele wieder in Angriff nehmen zu können. In dieser Phase muss durchaus gewünscht sein, mit Druck, ein wenig Angst und Überwindung besser umgehen zu lernen, sich immer mehr zuzutrauen und den praktischen Nachweis zu liefern, zu zeigen was man eigentlich kann.

Vermeiden sie nur unter idealen Bedingungen zu trainieren und bei ungünstigen Witterungsbedingungen gleich Abstriche an ihren Forderungen zu machen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass es sogar bei Meisterschaften regnet oder ein unangenehmer Wind bläst. Diese Bedingungen haben aber auch die Gegner.

Jugendtrainer müssen ihre Erwartungshaltung zügeln

Versagensängste werden oft schon im frühen Jugendtraining aufgebaut. Deshalb stehen die Jugendtrainer in dieser Hinsicht in besonderer Verantwortung. Besonders behutsam sollten sie zunächst mit ihrer Erwartungshaltung gegenüber Wettbewerbssituationen sein. Machen lassen, Erfahrungen sammeln lassen, mäßige Anforderungen, keine Platzierungsvorgaben, übererfüllbare Erwartungen, verbunden mit positiven Einschätzungen des Verhaltens in den Wettkämpfen und viel Lob sind Erfahrungen, wie die jungen Sportler bei der Stange bleiben und sich in den nachfolgenden Wettkämpfen immer mehr zutrauen und so immer besser werden. Nicht jeder Wettkampf muss grenzwertig gestaltet werden, nicht jedes Mittelstreckenrennen muss wehtun. Verlierer sind keine schlechteren Sportler / Menschen. Trotzdem muss ihnen gesagt werden, was sie demnächst wie besser machen sollen.

Rückschläge müssen Trainer und Eltern einplanen. Systematisch aufgebautes Vertrauen in ihr Können schafft Selbstvertrauen für mehr, im Training und auch in den folgenden Wettkämpfen. Achten Sie auch in ihrem Formulierungen besonders darauf, dass der Sportler versteht, was sie ihm sagen wollen.
An einem bestimmten Punkt können sie ihm dann auch sagen, dass er bei ein wenig mehr Mut diesen Wettkampf auch hätte gewinnen können. Das ist ein erster Schritt zur Erziehung ihres Athleten zum Siegläufer. Das setzt aber immer auch solche ausgesuchten Rennen voraus, die er auf Grund der Gegnerschaft auch gewinnen kann.

Lassen Sie ihrem jungen Sportler ausreichend Zeit zur Leistungsdarstellung, erwarten sie keine schnellen Ergebnisse, üben sie keinen Druck aus, helfen sie ihm seine eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Druck und Stress wirken auf die körperliche Belastung negativ. Dagegen schafft Offenheit Vertrauen, Vertrauen schafft die Möglichkeit fordernd zu führen. Erwartungsdruck baut Ängste auf, reale Einschätzungen, Sicherheit und Akzeptanz dagegen bauen Ängste ab.

Der Psychologe, Dein Freund und Berater

Durch mentales Training, einer formelhaften Vorsatzbildung, der geistigen Auseinandersetzung mit der bevorstehenden Aufgabe – einer Art Probelauf im Kopf – kann die Praxis wirksam unterstützt werden. Dabei ist immer hilfreich, wenn sie das Idealbild, dass sie anstreben, als „Video“ im Kopf noch einmal ablaufen lassen, bevor die praktische Umsetzung beginnt.

Es ist sicher auch sinnvoll in diese Erschließung wichtiger Leistungsreserven für Betroffene einen Psychologen des Vertrauens einzubeziehen. Er lehrt sie die richtigen „Schlüsselworte“ bzw. Selbstbefehle auszuwählen und sie auch in richtigen Momenten vor einer Bewährungssituation zu gebrauchen. Er bringt ihnen auch bei Vorwettkampferregungen so zu steuern, dass die gewünschte Leistung auch erbracht werden kann.

Ich traue mir zu offensiv zu laufen – im Training hat es geklappt – ich tue es – ich habe keine Angst, auch wenn ich verliere – ich schaffe es – auf geht s

Eigene Erfahrungen und Beobachtungen lassen den Schluß zu, dass nicht wenige Athleten bis zu 30 % oder auch mehr ihrer Leistungsfähigkeit in wichtigen Wettkämpfen nicht auf die Bahn oder die Straße bringen. Ein zufriedener, aktiver, lockerer, optimistisch – motivierender Trainer schafft die positiv – motivierende Trainings- und Wettkampfatmosphäre und im Endeffekt mit einer offensiven Renngestaltung seines Athleten auch die kleine Risikobereitschaft auf dem Weg zu einer neuen persönlichen Bestleistung. Bedenken sie dabei aber immer, dass ihr Sportler nur das im Wettkampf zeigen kann, was sie im Training auch ausreichend gut geübt haben.

Angst entwickelt sich auf der Grundlage negativer Erfahrungen, durch Trainerverhalten, Umfelddruck oder Bewältigungsprobleme grenzwertiger Belastungen. Lehren sie ihre Athleten mit Druck umzugehen und Druck in mentale Stärke umzusetzen. Suchen sie mit ihrem Athleten gemeinsam nach der individuell wirksamsten Form der Entspannung und lehren sie ihn im Training oder auch innerhalb seiner Einlaufvorbereitung für Wettkämpfe damit umzugehen.

Es ist besser mit einem Lächeln auf seine Gegner zuzugehen, als mit einem blassen Gesicht. Sie können sich aber auch durch ihren „Haus-Psychologen“ helfen lassen, aber bitte langfristig – frühzeitig.

© Lothar Pöhlitz in "Leichtathletik Coaching-Academy"

Leichtathletik Coaching-Academy

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