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04
08
2008

Vergangenes Jahr, als Robert Harting in Osaka WM-Zweiter geworden war und damit seinen ersten internationalen Erfolg in der Männerklasse erreicht hatte, nannte der unterlegene Olympiasieger Virgilijus Alekna ihn den "neuen Lars Riedel“

Ab in die Mitte! – Immer im Ring – Mit dem Diskus gehört Robert Harting zu den Besten, doch sonst ist er nicht immer Herr seines Temperaments. „Deutsche Olympiahoffnungen“. Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitung

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Während der Olympischen Sommerspiele interessiert sich die breite Öffentlichkeit wieder für die Vielfältigkeit des Sports. Doch wer soll in Peking die Medaillen für Deutschland gewinnen? Wo lohnt es sich, genauer hinzusehen? 

Die wohlwollende Nachrede ist nicht unbedingt die Stärke des Diskuswerfers Robert Harting, das hat er erst neulich wieder gezeigt bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Nürnberg. Sein verdienter Disziplin-Kollege Lars Riedel, vor einer kleinen Ewigkeit Olympiasieger und fünfmaliger Weltmeister, hatte sich nach langer Verletztenkarriere im reifen Alter von 41 Jahren endlich zum Rücktritt entschieden, und natürlich sollte der 23-jährige Riedel-Erbe Harting etwas dazu sagen.

Harting sprach so diplomatisch, wie er konnte, aber dann sagte er, dass er früher auch zu Lars Riedel aufgeschaut habe, und ob Robert Harting es wollte oder nicht – der Satz klang so, als wolle er sagen: Aber jetzt schaue ich nicht mehr zu ihm auf, weil ich selbst groß bin. Passte das zum Abschied des früheren Medaillenträgers?

Es wird Robert Harting egal gewesen sein. Dass ihm das Schönreden nicht liegt, merkt jeder schnell, der ihm eine Frage stellt, und dass er zu einer Generation selbstbewusster Athleten gehört, die sich vor den Größen der Vergangenheit nicht demütig in den Staub werfen, ist auch längst bekannt.

Ausfall gegen Möllenbeck

Vergangenes Jahr, als Robert Harting in Osaka WM-Zweiter geworden war und damit seinen ersten internationalen Erfolg in der Männerklasse erreicht hatte, nannte der unterlegene Olympiasieger Virgilijus Alekna ihn den "neuen Lars Riedel“. Es war nett gemeint, aber Robert Harting fühlte sich gar nicht geschmeichelt, antwortete, dass dieser alte Meister der Jugend gegenüber nicht sehr hilfreich sei und erklärte, er wolle nicht der neue Riedel sein, sondern: "Der erste Harting.“

Harting ist stolz und stark und meinungsfest und nicht immer Herr seines Temperaments. Als Jugendlicher muss er bisweilen etwas sehr handfest gestritten haben. Mit Diskus-Bundestrainer Jürgen Schult liegt er im Clinch, seit Harting aus dessen Trainingsgruppe ausbrach; die Männer werfen sich vor, nicht zu Kompromissen bereit zu sein. Pünktlich zu den traditionellen Halleschen Werfertagen schimpfte Harting seinen älteren Rivalen, den zweimaligen WM-Dritten Michael Möllenbeck aus Wattenscheid, in der Mitteldeutschen Zeitung einen "Säufer“.

Und früher im Jahr gab es sogar Krach mit seiner wichtigsten Bezugsperson im Sport, Heimtrainer Werner Goldmann, weil er sich im Trainingslager offensichtlich zu sehr eingeschränkt fühlte ("Es war extrem anstrengend, sich in diesen schmalen Feldern zu bewegen“). An der Person Goldmann führte Harting allerdings auch vor, dass er sich zur Not für seine Unterstützer in den Kampf wirft.

Dopingvorwürfe gegen seinen Trainer

Der ehemaliga DDR-Kugelstoßer Gerd Jacobs hat kürzlich in einer ZDF-Sendung seinen früheren Trainer Goldmann beschuldigt, von ihm Anfang der achtziger Jahre ein Anabolikum bekommen zu haben. Nun behält sich der DOSB vor, Goldmann von den Olympischen Spielen in Peking auszuschließen. Harting beschuldigte daraufhin die Funktionäre, sich "feige" abzuwenden von einem Mann, der sich in 18 Jahren vereinigtes Deutschland nichts zu Schulden habe kommen lassen. Und mit Jacobs wolle er die Angelegenheit bei einem möglichen Treffen „wie ein Mann mit ihm klären und dort wird nicht viel geredet.“

Der Streit hat Tradition unter deutschen Diskuswerfern, insofern ist Robert Harting vom SCC Berlin mit seinem ausgeprägten Charakter ein würdiger Nachfolger der früheren Medaillensammler. Als kompromisslosen Haudrauf kann man Harting allerdings auch nicht abtun. Nach den ersten Reaktionen auf seine Möllenbeck-Beschimpfung wirkte er arg zerknirscht und entschuldigte sich bei den Halleschen Werfertagen über die Lautsprecheranlage.

Ziel in Peking: Bronze

Er malt kraftvolle Bilder, in denen sich sein Seelenleben spiegelt. Er, ein Hüne von 2,01 Metern Körperlänge, sagt: "Ich habe ja noch ein Inneres.“ Er unterhält eine Internetseite (derharting.de), auf der er seine turbulente Jugend durchaus selbstkritisch nachzeichnet. Und an den älteren Werfern kritisiert er, dass sie das Einzelgängertum erst kultiviert hätten. "Ich habe versucht, mich mit den beiden (Riedel, Möllenbeck) zu verstehen“, sagt er, "irgendwann gibt man es dann auf.“

Man kann sich an ihm reiben. Nur mit dem Diskus ist Robert Harting wirklich unumstritten. Von seinem Talent schwärmen Trainer seit Jahren, in dieser Saison hat er sich auf 68,65 Meter gesteigert. Sein Ziel für Peking ist eine Bronze-Medaille, auch wenn sich gerade in dieser olympischen Saison eine ganze Reihe Podest-Kandidaten hervorgetan haben. "Ohne Ziel braucht man gar nicht in den Ring zu gehen“, sagt Robert Harting und macht sich bereit für eine lange, spannende Zukunft auf den Konfliktfeldern seines Sports.

Diskuswerfer Robert Harting aus Berlin möchte eine Medaille in Peking gewinnen. Doch die Konkurenz ist stark.

Thomas Hahn in der Süddeutschen Zeitun, Freitag, dem 1. August 2008

author: GRR

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