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02
12
2010

Was ein Trail ist und was nicht, ist eine Frage der Definition. Wir verstehen darunter alle Laufstrecken abseits der üblichen Wege.

AB IN DIE BÜSCHE UND BERGE – Trailrunning ist die angesagteste Laufalternative für den Herbst. Es macht nicht nur mächtig Spaß, sondern nützt auch Ihrer Form. Wir zeigen Ihnen, was Trailrunning bringt und worauf Sie dabei unbedingt achten sollten. MARTIN GRÜNING, JUTTA MLNARSCHIK in RUNNERS WORLD

By GRR 0

Wenn man in Läuferkreisen das Wort Trail fallen lässt, gibt es fast immer zwei Fraktionen: Die einen bekommen leuchtende Augen, die anderen schütteln verständnislos den Kopf. Erstere sind in der Regel ambitionierte Läufer, Letztere Laufeinsteiger. „Trail“ ist Englisch und bedeutet „Pfad“. Früher bezeichnete man als Läufer mit dem Wort Trail nur Wege, die im hochalpinen Gelände noch diverse Höhenmeter beinhalteten.

Heute nennt man so auch die schmalen Trampelpfade mit natürlichem Untergrund, die sich beispielsweise durch die Rasenflächen rund um die Hamburger Außenalster ziehen, nur drei Meter neben dem asphaltierten Parkweg. Mit anderen Worten: Trailläufer machen sich auch in den Städten breit.

So oder so – Traillaufen steht für das etwas andere Lauferlebnis. Dahinter steckt nicht zuletzt der Gedanke, sich von den Läufermassen abzusetzen, anderen aus dem Weg zu gehen und Ruhe, aber vor allem auch Abwechslung in sein Lauftraining zu bringen. Der Clou: Trailrunning hat obendrein einen sehr viel höheren Trainingseffekt als Laufen auf der Straße oder auf ebenen Parkwegen.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Je unebener, rutschiger oder morastiger der Boden, desto mehr muss der Läufer sich anstrengen. Schon bei langsamem Tempo fließt schnell der Schweiß in Strömen – und je mehr man schwitzen muss, desto höher ist die Belastungsintensität und damit der Trainingseffekt. Nicht umsonst sind die afrikanischen Läufer der übrigen Welt meilenweit voraus:Sie laufen von Kindheit an auf unbefestigten Wegen, bergauf und bergab – und das jeden Tag. Und was den ostafrikanischen Topläufern die solide Grundlage brachte, sollte auch dem Hobbyläufer helfen, fitter zu werden.

Wer das Traillaufen einmal selbst ausprobiert, lernt dessen Vorteile schnell schätzen. Den besonderen Trainingseffekt von Querfeldeinläufen kennen die weltbesten Langstreckler übrigens schon lange. Vor ein paar Jahrzehnten war das „Spiel mit dem Gelände“ – ein dem Terrain angepasstes Tempolauftraining – sehr beliebt.

Dabei rannten die Norpoths, Hallbergs, Clarks, Ovetts und Baumanns – alle mit diversen Weltrekorden  und olympischen Medaillen dekoriert – im Training mindestens einmal wöchentlich querfeldein über Stock und Stein, Sandhügel hinauf und hinab, um Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Stehvermögen zu trainieren. Nur „Trailrunning“ hieß das Ganze damals noch nicht. Man nannte es „Fahrtspiel“, aber es war nichts anderes.

Im Folgendem erfahren Sie, was Sie versäumen, wenn Sie beim Laufen immer nur den Asphalt putzen. Wir liefern Ihnen drei schlagende Argumente, es auch mal abseits befestigter Wege zu versuchen.

 

1. Es macht stark

 

Auf Trails variiert der Fußauftritt von Schritt zu Schritt. Das liegt einerseits am unebenen Untergrund, andererseits an Ästen, Steinen und Wurzeln, die im Weg liegen. Der positive Effekt: Es werden nicht immer dieselben Fuß- und Beinmuskeln angesprochen wie beim gleichförmigen Laufen auf Asphalt, sondern eine sehr viel größere Zahl. Wenn der Boden zudem weich ist oder man durch Sand, Matsch und Wasser läuft, werden Fuß- und Beinmuskulatur zusätzlich belastet. Jeder Laufschritt kostet dann mehr Kraft – und das stärkt die Muskulatur.

Ähnlich verhält es sich mit dem Bergauflaufen. Die schönsten Trails finden sich in den Bergen, wo es ständig auf und ab geht. Und auch dabei gilt: Je mehr Kraft das Laufen kostet, desto mehr bringt es. Speziell der vordere Oberschenkelmuskel, aber auch die Gesäß- und Wadenmuskulatur werden beim Bergauflaufen enorm gestärkt. Die Sache hat nur einen Haken: Das Bergablaufen staucht Muskeln und Gelenke und ist nur in Maßen gesund.

Unser Rat lautet daher: Tasten Sie sich vorsichtig an Bergabläufe heran. Immerhin haben wissenschaftliche Untersuchungen bewiesen, dass sich die Muskelzellen an solche Belastungen erinnern können, wodurch das Nervensystem lernt, die Aufprallimpulse effizienter zu verteilen: Es aktiviert bei wiederholten Bergabpassagen eine größere Anzahl von Muskelzellen, die sich dem Aufprall entgegenstellen, um die Belastung zu reduzieren.

Kurz: Je öfter man bergab läuft, desto verträglicher wird es.

 

2. Es schult Koordination und Schnelligkeit

 

Viele Läufer haben sich einen gänzlich kraftlosen Schritt angewöhnt, nämlich den, der mit dem geringsten Kraftaufwand verbunden ist. Das Problem ist jedoch, dass solch ein schlaffer Schritt keineswegs der effektivste Schritt ist. Und das sieht man ihm an: Er ist nicht flüssig und dynamisch, sondern eher kraftlos und behäbig.

Das ist mehr als ein Schönheitsfehler, denn es bedeutet, dass die Muskulatur nicht gut zusammenspielt. Je harmonischer das Zusammenspiel der Muskulatur, desto effizienter ist der Bewegungsablauf. Der Laufstil sieht nicht nur flüssiger aus, sondern ist auch kraftsparender.

Abhilfe schaffen Koordinationsübungen, auch Lauf-ABC oder Laufschule genannt.   Darunter versteht man Bewegungsformen, durch die Läufer lernen, ihren Bewegungsablauf – also den Laufstil – zu verbessern. Diese Übungen können den Körper außerdem gezielt auf spezielle Belastungen wie zum Beispiel sehr schnelles Laufen vorbereiten. Koordinationsübungen sollten daher ein fester Bestandteil jedes Trainingsprogramms sein, sowohl für Laufanfänger als auch für ambitionierte Läufer.

Lediglich Trailrunner können darauf verzichten, denn die wechselnden Laufuntergründe, das ständige Auf und Ab sowie die Richtungs- und Tempowechsel führen zu solch vielfältigen und konstanten Änderungen der Schrittlänge und Schrittfrequenz, wie man sie in einer Laufschule und mit Koordinationsübungen kaum hinbekommt. Die Ansprüche an den Laufschritt ändern sich auf einem abwechslungsreichen Trail von Minute zu Minute. Wenn Sie dann noch tief hängenden Ästen oder Wurzelwerk ausweichen müssen, wird das Trailrunning anspruchsvoller als alle Koordinationsübungen zusammen.

Für echte Trailläufer heißt es also: Laufschule ade!

Mehr noch: Trailrunner können sich sogar ein Tempotraining sparen, denn Trails erfordern permanente Tempowechsel. Das Lauftempo muss ständig den Boden- und Geländebeschaffenheiten angepasst werden. Nur ganz selten ergibt sich die Möglichkeit, ein gleichmäßiges Tempo anzuschlagen. Daher werden speziell die schnell kontrahierenden Muskelfasern geschult, denn sie sind es, die auf abrupte Veränderungen des Lauftempos reagieren. Und je besser die schnell kontrahierende Muskulatur trainiert ist, desto schneller können Sie letztlich laufen.

 

3. Es reduziert das Verletzungsrisiko

 

Die unebenen Laufuntergründe eines Trails haben zur Folge, dass die Füße immer wieder anders aufsetzen und mit jedem Schritt anders belastet werden. Beim Trailrunning ist also die Belastung für den Muskel- und Sehnenapparat sehr vielseitig. Das verhindert nicht nur eine allzu gleichförmige Muskelbelastung – es beugt auch Überlastungen und Folgeverletzungen vor.

Kurz: Trailrunning reduziert das Verletzungsrisiko, denn es stärkt die Fußgelenke – und je stärker die Fußgelenke, desto geringer sind die Belastungen für die gesamte Unterschenkelmuskulatur (die vordere wie auch die hintere). Damit sinkt gleichzeitig das Risiko von lästigen Achillessehnenreizungen und Schienbeinbe-schwerden. Außerdem nehmen stabile Fußgelenke viel Druck vom Knie: Je fester das Fußgelenk, desto weniger verdreht sich bei jedem Schritt das Knie. Dadurch ist dieses ebenfalls weniger verletzungsgefährdet.

Doch Vorsicht, gehen Sie nicht zu schnell in die Vollen! Die Fußgelenke festigen sich erst nach und nach und nicht schon mit dem ersten Trailrun. Solange sie noch das Laufen auf Asphalt oder anderen festen Untergründen gewohnt sind, droht auf anspruchsvollen Trails ein Umknicken des Fußes mit möglicherweise folgenschweren Bänder-, Sehnen- und Muskelverletzungen.

Die folgende Übung sollte deshalb zur Vorbereitung auf das erste Trailabenteuer gehören und mehrmals täglich wiederholt werden (auch direkt nach dem normalen Lauftraining):
  – Stellen Sie sich barfuß auf ein Bein.
  – Schließen Sie die Augen.
  – Balancieren Sie für längere Zeit (10 bis 60 Sekunden) auf dem Bein.
  – Führen Sie die Übung mit jedem Bein zehnmal durch.

Wo, bitte, geht’s zum nächsten Trail?

 

> Trails gibt es überall

Was ein Trail ist und was nicht, ist eine Frage der  Definition. Wir verstehen darunter alle Laufstrecken abseits der üblichen Wege. Wenn Sie zum Beispiel im Englischen  Garten in München auch nur einen Meter neben dem gepflegten Parkweg durchs Gras laufen, erleben Sie bereits ein vollkommen anderes Laufgefühl – und zwar das Gefühl des Trailrunnings.

> Trails muss man sich selbst suchen

Trails sind im Allgemeinen nicht ausgeschildert. Zum Traillaufen muss man deshalb auch mal die ausgetretenen Pfade verlassen und sich von Kilometer- und Tempovorgaben verabschieden.

Tipp: Sehen Sie sich im Internet ein Luftbild Ihrer Stadt an. Bestimmt gibt es hier und da noch ein Stück Natur in erreichbarer Nähe, das Sie sich noch nicht erlaufen haben.

> Städter wählen den Urban Trail

Wer in der Großstadt wohnt und beim besten Willen keine Naturwege findet, macht sich einfach die Stadt zum Trailrevier: Treppen, Bänke, Kopfsteinpflaster sind das Terrain für einen anspruchsvollen Großstadttrail. (Ideal sind oft Büroviertel.)

 MARTIN GRÜNING, JUTTA MLNARSCHIK in RUNNERS WORLD – September 2010

author: GRR

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