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12
01
2007

Die Wissenschaftler aus dem Westdeutschen Herzzentrum der Universitätsklinik in Essen wollten wissen, ob es sich um eine sehr seltene Ausnahme, oder um ein bislang unterschätztes Phänomen handelt

Neue Einblicke in die Herzen älterer Marathonläufer – Priv.-Doz. Dr. Stefan Möhlenkamp stellte kürzlich auf amerikanischen Fachtagungen seine aktuellen Daten vor

By GRR 0

Durch eine aktuelle Studie zur Herzmuskelschädigung bei Marathonläufern aus den USA (siehe unseren Beitrag „Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut“ – Marathon-Arzt Dr. Willi Heepe nimmt Stellung vom 4.01.2007) hat das Interesse an den Auswirkungen des Marathon-Sports auf das Herz an Aktualität gewonnen.
Auch in Deutschland läuft derzeit eine Untersuchung zum Herz-Kreislauf-Risiko älterer Marathonläufer. Priv.-Doz. Dr. Stefan Möhlenkamp stellte kürzlich auf amerikanischen Fachtagungen seine aktuellen Daten vor.

Herzinfarkt

Die Geschichte beginnt mit einem beschwerdefreien Marathonläufer, der in Rahmen einer großen Präventionsstudie in Essen wenige Tage nach dem Köln-Marathonlauf untersucht wurde. Der Läufer war noch etwas erschöpft und steif nach dem Lauf, ansonsten aber beschwerdefrei. Die Untersuchungen und Laborwerte zeigten jedoch eindeutig einen Herzinfarkt.
Die weiteren Untersuchungen ergaben eine fortgeschrittene koronare Herzerkrankung und schon drei Tage später wurde der Läufer einer Bypass-Operation unterzogen. Es geht ihm wieder gut und er betreibt regelmäßig Nordic-Walking.

Die Wissenschaftler aus dem Westdeutschen Herzzentrum der Universitätsklinik in Essen wollten wissen, ob es sich um eine sehr seltene Ausnahme, oder um ein bislang unterschätztes Phänomen handelt. Möhlenkamp und seine Kollegen initiierten eine Studie, in der 110 männliche Marathonläufer, die alle älter als 50 Jahre waren, mindestens 5 Marathonläufe absolviert hatten.
Bei ihnen war keine Herzkrankheit bekannt und es lag keine Blutzuckererkrankung vor. Insbesondere interessierte die Forscher die Ausprägung der Koronarsklerose bei diesen älteren Läufern. Neben der Messung von Risikofaktoren (Blutdruck, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, usw.) und detaillierten Fragen zu Lebens- und Ernährungsgewohnheiten wurden auch ein EKG, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens, ein Herz-CT und eine Magnetresonanz-tomographische Untersuchung durchgeführt.

Jahrestagung in Chicago

Die Wissenschaftler konnten auf der amerikanische Jahrestagung in Chicago zeigen, dass die Läufer, die im Mittel bereits 20 Marathonläufe absolviert hatten, ein wesentlich günstigeres kardiovaskuläres Risikoprofil aufwiesen, als die gleichaltrige männliche Normalbevölkerung. Überraschend war jedoch, dass trotz des um die Hälfte verringerten Risikos die Koronarsklerose, also die Erkrankung, die zum Herzinfarkt führen kann, genauso ausgeprägt war, wie in der Vergleichsgruppe.
Gleichaltrige Männer aus der Normbevölkerung, die ein vergleichbar günstiges Herz-Kreislauf-Risiko aufwiesen, hatten dagegen wesentlich seltener eine fortgeschrittene Koronarsklerose.

Möhlenkamp erklärt: „Die unerwartet hohe Arterioskleroselast bei den Marathonläufern könnte zum Teil das insgesamt niedrige, aber doch vorhandene Risiko für Herzinfarkte bei älteren Läufern erklären“.

Auf der Jahrestagung der amerikanischen Radiologen konnte die Arbeitsgruppe um Dr. Möhlenkamp auch Daten zur Herzmuskelfunktion vorstellen. Die meisten Läufer zeigten Anpassungserscheinungen des Herzens, wie man sie bei langjährigen Langstreckenläufern erwartet. Marathonläufer mit einer Muskelmasse über 150 g hatten jedoch wesentlich häufi-ger eine fortgeschrittene Koronarsklerose als die anderen Läufer.

Herzmuskelzunahme

Möhlenkamp: „Bei einem Marathonläufer erwarten wir eine gewisse Herzmuskelzunahme als natürliche Anpassung an das intensive Training. Bislang konnte jedoch noch nie ein Zusammenhang zwischen der Herzmuskelmasse und einer Erkrankung der Herzkranzgefäße nachgewiesen werden. Die wichtige Frage ist, ob es sich bei diesen Veränderungen ausschließlich um „Athletenherzen“ oder um eine Frühform einer Herzerkrankung handelt.“

Dr. Möhlenkamp betonte, dass einige Marathonläufer schon ihr Leben lang intensiv Sport betrieben haben. Andere Läufer haben aber wesentlich später mit dem Marathonlaufen be-gonnen und haben in früheren Lebensabschnitten wesentlich ungesünder gelebt.

Möhlenkamp weiter: „Wir haben erste Hinweise, dass eine Zunahme der Muskelmasse nicht immer eine Anpassung an das intensive Training ist. Bei einigen Läufern könnte dies auch Ausdruck einer Herzerkrankung sein. Das Problem ist, dass Veränderungen am Herzen so-fort auf das langjährige Training zurückgeführt werden. Aufgrund des günstigen Risikoprofils und der ausgezeichneten Fitness ist es besonders schwer für Ärzte eine mögliche Gefähr-dung zu erkennen. Wir Ärzte stehen vor einer Herausforderung, wenn es darum geht, einen Beitrag zu leisten, dass der Marathonsport auch für die steigende Zahl der älteren Läufer ein risikofreies Vergnügen bleibt.“

Maximalbelastung

Möhlenkamp betonte weiter, dass bislang nicht geklärt ist, ob die beobachteten Veränderungen tatsächlich mit einem erhöhten Herzinfarktrisiko verbunden sind.
Viel mehr hebt er die positiven Effekte des Laufens hervor: “Regelmäßiges Herz-Kreislauf-Training verbessert die Fitness, die Lebensqualität, die physische und psychische Belastbarkeit und es gibt viele Belege, dass auch das Leben in Gesundheit verlängert wird. Es sollte aber beachtet werden, dass der Marathonlauf eine Maximalbelastung darstellt, die gerade für ältere Läufer nicht immer ungefährlich ist.“

Die Wissenschaftler aus Essen planen daher auch in diesem Jahr weitere Untersuchungen, um den behandelnden Ärzten und den Läufern Hilfestellungen in der Vorbereitung auf diesen schönen Sport zu geben.

Dr. med. Stefan Möhlenkamp ist Mitglied des Teams Sportmedizin von German Road Races (GRR).

PD Dr. med. Stefan Möhlenkamp
Facharzt für Innere Medizin / Kardiologie
Oberarzt der Klinik für Kardiologie im
Westdeutschen Herzzentrum Essen
(Direktor: Prof. Dr. med. R. Erbel)
e-mail: stefan.moehlenkamp@uk-essen.de
Universitätsklinikum Essen
ZENTRUM FÜR INNERE MEDIZIN
Hufelandstr. 55
45122 Essen
Tel.: 0201 – 723 – 4803
Fax.: 0201 – 723 – 5480

www.marathon-studie.de

Weitere Beiträge der Sportmedizin bei German Road Races (GRR):

Marathonstudie 2007 mit umfangreichen medizinischen
Untersuchungen für Läufer – An alle männlichen Marathonläufer
über 50 Jahre, die Ihren allerersten Marathon laufen und in
Düsseldorf starten wollen.
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1261.html

„Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut“ –
Marathon-Arzt Dr. Willi Heepe nimmt Stellung
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1253.html

Training im Winter – Tipps von Dr. Willi Heepe dem
langjährigen Medical-Director des real,- BERLIN-MARATHON
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1170.html

Veränderungen von Fettstoffwechselparametern durch Sport –
Dr. Thomas Bobbert über ein Projekt der Sportmedizin der
Humboldt Universität und der Abteilung für Endokrinologie,
Diabetes und Ernährungsmedizin der Charité Berlin
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1021.html

Bluthochdruck und Ausdauersport – Dr. Willi Heepe, der langjährige
Medical Director des BERLIN-MARATHON und SCC-RUNNING
fasst zusammen welche Aspekte bei diesem Thema eine Rolle
spielen und worauf zu achten ist.
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1021.html

Macht Marathonlauf resistent gegen Stress? – Dr. Thomas Bobbert
über eine Studie beim real,- BERLIN- MARATHON durch die Charité –
CBF und der Sportmedizin der Humboldt Universität zu Berlin
https://www.germanroadraces.de/24-0-newsartikel1139.html

author: GRR

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