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01
02
2007

Mehrmals täglich sollten Getreideprodukte auf den Tisch kommen - am Besten als Vollkornvariante. Für viele von uns Läufern ist diese Forderung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine Selbstverständlichkeit: ein Sportler ohne Müsli - fast unvorstellbar, oder?

Flockig-süße Verführungen – Müsli – was in der Läufernahrung drin ist und was drin sein sollte – Anja Carlsohn in LAUFZEIT

By GRR 0

"Eier und Butter schaden den Cholesterolwerten, Kaffee entwässert und steigert den Blutdruck, Alkohol ist generell schädlich, Schokolade ungesund. Viel Obst, Milchprodukte und Ballaststoffe aus Müsli hingegen ein Muss für den gesundheitsbewussten Sportler." Mythos oder Wahrheit?
Anja Carlsohn klärt in einer neuen Beitragsserie auf. "Eier und Butter schaden den Cholesterolwerten, Kaffee entwässert und steigert den Blutdruck, Alkohol ist generell schädlich, Schokolade ungesund.
Viel Obst, Milchprodukte und Ballaststoffe aus Müsli hingegen ein Muss für den gesundheitsbewussten Sportler." Mythos oder Wahrheit?

Mehrmals täglich sollten Getreideprodukte auf den Tisch kommen – am Besten als Vollkornvariante. Für viele von uns Läufern ist diese Forderung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung eine Selbstverständlichkeit: ein Sportler ohne Müsli – fast unvorstellbar, oder?
Gleichzeitig werden jedoch immer wieder Stimmen laut, die nicht nur Kohlenhydrate im Allgemeinen, sondern Vollkorn im Besonderen als gesundheitsschädlich vom Speisplan verbannen wollen.

In der Tat sind Argumente, die gegen einen reichlichen Konsum von rohem Vollkorngetreide sprechen, nicht von der Hand zu weisen. Getreide enthält in den Randschichten des Korns einen Stoff, der im Keimling Mineralstoffe bindet, welche das Pflänzchen zum Wachstum benötigt. Diese Substanz – die Phytinsäure – bindet leider nicht nur im Keimling, sondern auch im Magen und Darm des Menschen lebensnotwendige Mineralien, die dem Körper dann nicht mehr zur Verfügung stehen.

Phytinsäurereiche Vollkornprodukte vermindern erheblich die Aufnahme von Eisen und Zink, aber auch von Calcium, Magnesium, Kupfer oder Mangan. Besonders viel Phytinsäure enthalten Weizen, Gerste, Roggen, Mais, aber auch andere Pflanzensamen wie Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen) oder Nüsse.
Einen Mangel an Eisen und vor allem Zink riskiert, wer eine ohnehin eisen- und zinkarme Ernährung mit reichlich Kleie und Vollkornprodukten ergänzt. Da die Phytinsäure in den Randschichten des Korns sitzt, ist Kleie ein nicht zu unterschätzender Mineralstoff-Binder.

Gefährdet sind vor allem Menschen mit eingeschränkter Lebensmittelauswahl sowie Vegetarier mit geringer Eisenzufuhr und erhöhtem Getreidekonsum. In einer ausgewogenen Mischkost stellt der Phytinsäuregehalt der Vollkornprodukte jedoch keinen wesentlichen Nachteil dar, zumal der deutlich höhere Mineralstoffgehalt der Vollkornprodukte im Vergleich zu Weißmehlvarianten die eingeschränkte Verfügbarkeit mehr als nur ausgleicht (siehe Tabelle).

Hinzu kommt, dass man eine Phytinsäure bedingte Mangelversorgung durch geschickte Zubereitung minimieren oder sogar ganz eliminieren kann. Das volle Korn enthält nämlich nicht nur die Phytinsäure, sondern zugleich ein Enzym, welches die Substanz durch Spaltung inaktiviert – die sogenannte Phytase. Die Phytase befindet sich ebenso wie das Phytat selbst in den Randschichten des Korns und kann durch diverse küchentechnische Tricks aktiviert werden.
Allen voran ist dabei die Brotteiggärung zu nennen. Während des Gärprozesses der Hefe werden bei Vollkornweizenbrot ca. 50 Prozent der Mineralstoff-Phytatkomplexe gelöst. Bei Roggenbrot, welches mit Sauerteig hergestellt wird, werden sogar alle Phytate gelöst. Achten Sie beim Kauf von Roggenvollkornbrot daher auf eine Sauerteigherstellung mit sogenannter "langer Teigführung" (beim Bäcker nachfragen), denn bei vielen großindustriell hergestellt Roggenbroten werden beschleunigte Verfahren eingesetzt.

Phytinsäure ist auch gegenüber einem niedrigen pH-Wert empfindlich, was Sie ebenfalls nutzen können: Weichen Sie Ihr Müsli oder Ihre Vollkornflocken am Vorabend in etwas Zitronen- oder Orangensaft ein. Die im Saft enthaltene Fruchtsäure senkt den pH-Wert, dadurch wird die Phytase aktiviert und die Phytinsäure abgebaut. Wer gern rohes Getreide in Form von Frischkornbrei, Flocken oder Müsli isst, sollte bewusst auf eine ausreichende Zufuhr von eisen- und zinkreichen Lebensmitteln achten.

Versteckte Kalorienbomben

Ein weiteres Phänomen, dass sicher so manchen schon beim Lauf behindert hat, sind die mit dem Verzehr von Müsli und Co. auftretenden Blähungen (vornehm ausgedrückt an Meteorismus).
Woher kommen die und was kann man dagegen tun? Getreide aus vollem Korn enthält reichlich Ballaststoffe – jene unverdaulichen Substanzen, die energetisch vom Menschen nicht verwertbar sind (daher "Ballast"), in den Dickdarm gelangen und hier die Darmtätigkeit anregen und vor Dickdarmkrebs schützen.
Bakterien, die unseren Dickdarm besiedeln, können Ballaststoffe noch partiell abbauen, wobei Gase entstehen. Hinzu kommt, dass Getreide enzymhemmende Stoffe enthält, die den Eiweiß- und den Stärkeabbau hemmen. Wird die Stärke im Darm nicht vollständig abgebaut, kommt es zu Völlegefühl und Blähungen. Die auch als Protease- bzw. Amylase-Inhibitoren bezeichneten Substanzen sind zum Teil hitzeempfindlich. Sie werden durch Kochen oder beim Backen zerstört. Dies erklärt auch, warum gekochter Porridge, Haferschleim oder eine Schnitte vor dem Wettkampf weit weniger Probleme bereiten als eine Portion "rohes" Müsli.

Ein weiterer Kritikpunkt gegen des Läufers zweitliebste Nahrung – nach der Pasta, versteht sich – ist der hohe Energiegehalt. Lange Zeit galt: Nudeln machen dick. Im Zuge der aus den USA zu uns gelangenden "Kohlenhydratverteufelung", wie sie in Diäten wie Atkins, Low Carb oder South Beach zelebriert wird, gelangt auch das gute Müsli immer mehr in den Ruf eines ungesunden Dickmachers. Auch dieses Argument basiert auf einem wahren Kern, denn der Energiegehalt vieler Müsli wird oft unterschätzt.

Die empfohlene Portionsgröße liegt bei 30 g, das entspricht 2-3 Esslöffeln. Oftmals werden aber riesige Schüsseln voll Müsli verdrückt. Das führt nicht nur zu dem bereits erwähnten Völlegefühl und zu Darmproblemen, weil sich die Ballaststoffe im Magendarmtrakt noch weiter ausdehnen. Auch der Energiegehalt hat es dann oft in sich. Eine Müslischale mit 150 g Fruchtmüsli, kombiniert mit einer kleingehackten Banane und einem kleinen Becher Vollmilchjoghurt bringt es locker auf 750 kcal – soviel wie eine vollständige Mittagsmahlzeit.

Hinzu kommt, dass "Müsli" nicht gleich Müsli ist. Viele Frühstücksprodukte sind weit davon entfernt, einen gesunden Start in den Tag zu bieten. Gerade spezielle Kinderprodukte entpuppen sich am Ende als flockige Süßigkeiten. Der Zucker- und Fettgehalt mancher "Müsli" ist erschreckend. Aus ernährungsphysiologischer Sicht wäre ein Vollkornbrot mit Käse plus Apfel aber wesentlich empfehlenswerter als so manche Müsli-Zuckerbombe. Entgegen ihres Images enthalten viele sogenannte Frühstückscerealien nämlich sehr viel Fett, Salz und Zucker (siehe Tabelle).

Prüfen und selbst mischen

Eine britische Verbraucherschutzorganisation untersuchte kürzlich 275 Getreideprodukte – mit niederschmetterndem Ergebnis. Mehr als drei Viertel wiesen einen hohen Zuckergehalt, ein Fünftel einen hohen Salzgehalt und sieben Prozent einen hohen Fettgehalt auf. Neun von den überprüften Frühstückscerealien enthielten mehr als vier Löffel Zucker pro vorgeschlagener Portion.

Fazit: Trotz ihres gesunden Images enthalten manche Cerealien einen erhöhten Salz-, Zucker- und Fettanteil. Studieren Sie daher vor dem Kauf ruhig die Zutatenliste. Zucker sollte möglichst gar nicht zugesetzt werden, denn im Normalfall sorgen die Trockenfrüchte für ausreichend Süße und Aroma.

Bei der Auswahl "Ihres" Müslis können Sie sich an folgenden Idealwerten orientieren: Je 100 g sollten ca. 60-65 g Kohlenhydrate, 9 g Eiweiß, 5 g Fett enthalten sein. Nussmüsli enthalten von Natur aus mehr Fett, wobei es sich aber um gesunde Fettsäuren handelt, sodass ein höherer Fettgehalt bei Nussmüsli auch in Ordnung ist – mehr als 10-12 g Fett je 100 g Müsli sollten es aber auch hier nicht sein.
Meiden Sie solche Produkte, denen Zucker, Honig, Joghurtpops (meist nur gehärtetes Milchfett plus Zucker) oder Schokolade zugesetzt sind. "Müsli", bei denen das eigentliche Ge-treide nicht mehr erkennbar ist (zum Beispiel Schokopops, Nougatkissen), haben diese Bezeichnung einfach nicht verdient …

Wer ganz sicher sein will, was er morgens auf seinem Teller hat, mischt sich sein Müsli am besten selbst zusammen – ein Rezept finden Sie nebenstenehend.

Rezept
Läufer-Müsli

(ergibt 2 kg, entsprechend ca. 65 Portionen)
500 g Vollkorn-Hafer-flocken
200 g Dinkelflocken
200 g gepoppter Amaranth (ersatzweise: Hirseflocken)
150 g ungezuckerte Cornflakes
100 g getrocknete Apfelchips
100 g Bananenchips
100 g ungeschwefelte Aprikosen
100 g getrocknete Feigen
100 g getrocknete Ananas
100 g getrocknete Papaya
100 g geschälte, getrocknete Kürbiskerne
50 g Mandeln
100 g geröstete Sojakerne

Anja Carlsohn ist Diplom-Ernährungswissenschaftlerin und z.Zt. Doktorantin an der Universität Potsdam.
Sie war längere Zeit im DLV-Marathonkader, wegen Verletzungen verschrieb sie sich aber dem Berglauf und ist jetzt die aktuelle Deutsche Berglaufmeisterin 2006.

aus:
LAUFZEIT 10/2006

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author: GRR

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