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29
08
2007

Wer als Läufer den bunten Gummibärchen, Weingummis oder Lakritzschnecken nicht widerstehen kann, hat schnell die passende Ausrede parat: "Die sind gut für's Knie!" Doch wie gesichert ist die allgemeine Annahme, dass Weingummis Gelenkbeschwerden mindern können?

Genussvolles – Anja Carlsohn in LAUFZEIT – Naschen gegen Knorpelglatze? Viel Glauben und wenig Bewiesenes bei „Gelenknahrung“

By GRR 0

Sicher ist zumindest, dass Spitzensportler zu den Risikopersonen für arthrotische Veränderungen der stark beanspruchten Gelenke (Knie, Schulter) gehören. Aber auch im Breitensport macht eine jahrelange Über- oder Fehlbelastung irgendwann durch degenerative Veränderungen des Gelenkknorpels – umgangssprächlich auch als "Knorpelglatze" bezeichnet – auf sich aufmerksam.

Für eine Vermeidung auslösender Faktoren ist es bei eintretenden Beschwerden oftmals schon zu spät, sodass die Linderung der Schmerz- und Entzündungsproblematik im Vordergrund steht. Neben der Einnahme verschreibungspflichtiger Schmerz- und Entzündungshemmer kann der betroffene Sportler die Schmerzen auch durch eine bewusste "gelenkfreundliche" Ernährung verringern. Schmerzlindernd und entzündungshemmend wirken beispielsweise Heilkräuter wie Brennnesselkraut, Teufelskrallenwurzel oder Weidenrinde. Zugegeben, geschmacklich schmeicheln sie als Tee genossen nicht unbedingt dem Gaumen – aber darum geht es ja auch nicht!

Entzündungen im Körper gehen mit einem Anstieg von bestimmten Mediatoren, den sogenannten Cytokinen und Interleukinen einher. Durch Oomega-3-Fettsäuren, welche auch in fetten Fischen wie Hering, Makrele oder Lachs vorkommen, kann die Produktion körpereigener Schmerz- und Entzündungsmediatoren günstig beeinflusst werden. Um von den positiven Effekten zu profitieren, sind zwei bis drei wöchentliche Fischmahlzeiten empfehlenswert. Gleichzeitig ist es ratsam, den Konsum "ungünstiger" Fettsäuren, welche die Entzündung noch forcieren können, drastisch zu verringern. Dazu zählt beispielsweise die Arachidonsäure, die in Schmalz, fetten Fleisch- und Wurstwaren (Speck, Schwarte) anzutreffen ist.

Der weite Weg zum Gelenk

Was bewirkt nun die fettarme Läuferknienahrung, das Gummibärchen?
In Gummibären, Weingummi, Lakritze, aber auch in Wackelpudding (Götterspeise) und einigen Joghurtzubereitungen ist Gelatine ein wesentlicher Bestandteil. Gelatine ist ein Eiweiß, welches aus tierischen, kollagenhaltigen Rohstoffen (z. B. Bindegewebe von Rindern oder Schweinen) gewonnen wird. Gelatine ist fett-, cholesterol- und purinfrei und stellt daher auch in der Ernährung von Gichtpatienten kein Problem dar. Es besteht im wesentlichen aus den Aminosäuren Glycin, Prolin und Hydroxyprolin, also nicht essentiellen Eiweißbausteinen. Aus ernährungsphysiologischer Sicht zählt Gelatine daher zu den minderwertigen Proteinen, da dessen Biowertigkeit (Fähigkeit zur Umwandlung in körpereigenes Eiweiß wie Muskelprotein) sehr gering ist.

ennoch, die Konzentration von Prolin und Hydroxyprolin ist in Gelatine um ein Vielfaches höher als in anderen Proteinen. Hydroxyprolin xyprolin ist eine Aminosäure, die nur im Bindegewebe vorkommt. Daher wird der Gelatine oder hydrolysiertem Kollagen (Bindegewebsfaser) ein gelenkschützender Effekt nachgesagt. Aufbereitete Kollagene sind jedoch hochmolekulare Peptidverbindungen, welche erwartungsgemäß im Darm in ihre Bestandteile (Aminosäuren) zerlegt werden sollten.

Wissenschaftliche Untersuchungen konnten jedoch zeigen, dass verzehrtes hydrolysiertes Kollagen zu einem gewissen Anteil unzerlegt resorbiert wird und sich diese kollagenen Peptide bevorzugt im Knorpelgewebe anreichern. Erstaunlicher ist, dass in tierexperimentellen Untersuchungen ein positiver Einfluss hydrolysierter Kollagene auf den Knorpelstoffwechsel beobachtet wurde. Wissenschaftler konnten einen dosisabhängigen Anstieg der körpereigenen Produktion von Typ-II-Kollagenfasern nachweisen.

Im Klartext: Die Knorpelzellen wurden durch die Zugabe von hydrolysierten Kollagen dazu angeregt, mehr "Knorpelfasern" zu bilden. Unklar ist nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch, ob herkömmliche Gelatine ebenso knorpelgesund ist wie Kollagen-Hydrolysat. Patienten mit Beschwerden in Knie- oder Hüftgelenken gaben zumindest eine signifikante Schmerzlinderung nach zweimonatiger Einnahme von Kollagen-Hydrolysat ebenso wie nach Gelatineeinnahme (10 g täglich) an.

Auch wenn ein knorpelaufbauender Effekt der Gelatine nicht gezeigt werden konnte, ist auch die Schmerzreduktion und somit der sinkende Bedarf an Schmerzmittel ein Erfolg. Andere Untersuchungen mit sogenannter "Gelenknahrung", wie sie nahezu in jedem Drogeriemarkt erhältlich ist, zeigten keinen solchen Effekt. Eine Mischung aus Kollagen-Hydrolysat, Calcium und Vitamin C verbesserte weder die subjektiv bewertete Gehfähigkeit, noch die Gelenksteifigkeit oder den Knieschmerz. Auch bei anderen "Chondroprotektiva", also knorpelschützenden Nahrungsergänzungsmitteln, ist die Wirksamkeit nicht ganz zweifelsfrei.

Zwischen Hausmittel und Wissenschaft

Am gesichertesten ist noch der protektive Effekt von Glucosamin(-sulfat). D-Glucosamin ist ein Knorpel- und Gelenkbaustein, unter anderem der Synovialflüssigkeit. Diese Flüssigkeit befindet sich im Gelenkspalt und bildet quasi die "Gelenkschmiere". Ohne Gelenkschmiere reiben die Gelenkplatten aufeinander, was Schmerzen verursacht. Die Wirkung einer Glucosamin-Einnahme tritt zwar verzögert ein, ist jedoch recht langanhaltend. Der Nachteil: Es gibt kaum gesicherte Untersuchungen über empfehlenswerte Dosierungen.

Eine aktuelle Untersuchung konnte einen messbaren, positiven Effekt bei der Gelenkschmierung unter Gonarthrosepatienten beobachten, welche über längere Zeit täglich 4,5 g Glucosamin-
sulfat zu sich nahmen. In unserem natürlichen Speisplan kommt Glucosamin – anders als Gelatine – jedoch kaum vor. Es sei denn, Sie verzehren den Panzer von Krustentieren, Krabben oder Insekten als Mahlzeit. Denn Glucosamin ist Bestandteil des Chitins, also der harten "Schale" von Krustentieren und Co.

Wer nicht die Absicht zeigt, zermahlene und aufbereitete Krabbenpanzer in Pulverform zu verspeisen, dem helfen natürliche Kräuter von innen und von außen. Neben den bereits erwähnten Tees aus Birke, Weidenrinde oder Brennnessel helfen auch äußerlich angewendete Tinkturen aus Melisse oder Arnika. Weitere Hausmittel auf Lebensmittelbasis sind Umschläge oder Wickel aus Senfmehl oder Pfefferminzöl, welche arthrotisch entzündete Gelenke beruhigen sollen. Ähnlich wirken Heublumen als Badezusatz oder als Auflage im Leinensäckchen.

Ob Quarkumschläge tatsächlich die "Entzündung aus dem Gelenk ziehen" können, wie der Volksmund gern behauptet, ist zwar fraglich. Unumstritten ist jedoch seine kühlende und damit entzündungs- und schmerzlindernde Wirkung, wenn man ihn als Packung oder Wickel auf die schmerzenden Körperpartien aufträgt.

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All diese Substanzen können sich lindernd auf Gelenkschmerzen auswirken. Dennoch wird sich ein abgenutzter Knorpel durch regelmäßigen Konsum von Gummibärchen kaum regenerieren lassen. Ob der Verzehr von Weingummis, Gelatine oder Kollagenhydrolysat im individuellen Einzelfall als schmerzlindernd empfunden wird, muss jeder selbst herausfinden. Eine gute Ausrede ist es allemal, wenn Sie mal wieder der Heißhunger auf Süßes überkommt! Fotos: www.pixelio.de

Rezepte
Fischterrine

(4 Portionen)
Zutaten: 125 g Räucherlachs, 5 Blatt Gelatine, 75 g geräucherter Heilbutt, 100 g geräucherte Makrele, 1/2 Becher Naturjoghurt, 100 g fettarmer Frischkäse, 1/2 TL eingelegter grüner Pfeffer, 1/2 Bund frischer Dill, 1 EL Zitronensaft, Salz und Pfeffer zum Abschmecken

Zubereitung: Eine Kastenform erst mit Frischhaltefolie, dann mit den Lachsscheiben auslegen. Gelatine 10 Minuten in kaltem Wasser einweichen. Heilbutt und die Hälfte der Makrele mit Joghurt und Frischkäse zuerst pürieren, dann durch ein Sieb streichen. Grünen Pfeffer und Dill hacken und in die Fischmasse rühren. Mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft kräftig abschmecken. Gelatine tropfnass bei milder Hitze auflösen, vorsichtig in die Fischmasse rühren. Die Hälfte der Masse in die Kastenform füllen und 5 Minuten im Kühlschrank fest werden lassen. Restliche Makrele darauf legen, mit der übrigen Fischmasse abdecken. Glattstreichen, mit den restlichen Graved-Lachs-Scheiben bedecken. Mindestens 3 Stunden im Kühlschrank durchkühlen lassen.

Himbeer-Apfeltraum
(4 Portionen)
Zutaten: 400 g Himbeeren (frisch oder TK), 8 Blatt Gelatine, 3 TL getrocknete Pfefferminze (z. B. aus Teebeutel entnommen), 500 ml Apfelsaft.

Zubereitung: Die frischen Himbeeren waschen, verlesen und abtropfen lassen – tiefgekühlte Himbeeren auftauen lassen. Gelatineblätter 10 Minuten in kaltem Wasser einweichen. Den Pfefferminztee mit Apfelsaft aufkochen. 5 Minuten ziehen lassen und anschließend durch einen Kaffeefilter gießen. Gelatine ausdrücken und im heißen Tee auflösen. Die Hälfte der Himbeeren in den Tee geben. Die Mischung in kleine Förmchen gießen und 3-4 Stunden kalt stellen und erstarren lassen. Zum Servieren die Förmchen kurz in heißes Wasser tauchen und das Gelee auf zwei Teller stürzen. Mit den restlichen Beeren anrichten und mit Minzeblättchen garniert servieren.

Unsere Autorin
Anja Carlsohn (28) ist Diplom-Ernährungswissenschaftlerin und zudem aktive Langstreckenläuferin. Ihre persönlichen Bestmarken sind im Marathonlauf 2:37 h und über 10 km 33:26 Minuten. In den zurückliegenden Jahren widmete sie sich neben ihrer beruflichen Qualifizierung erfolgreich dem Berglauf (Deutsche Meisterin 2006) und wurde mehrfach in die Auswahl des Deutschen Leichtathletik-Verbandes für Europa- und Weltmeisterschaften im Berglauf berufen.
Gegenwärtig ist sie in einer Aspirantur. Ihre Doktorarbeit befasst sich mit verschiedenen Facetten der Ernährung im Leistungssport.

Anja Carlsohn
LAUFZEIT 5/2007
S. 20-22
www.laufzeit.de
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author: GRR

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