Blog
27
01
2008

Viele Diabetiker mit starkem Übergewicht könnten ihr Risiko deutlich reduzieren, wenn sie abnehmen würden, mit dem Rauchen aufhörten oder sich mehr bewegten.

Fettsenker gegen Zucker – Dr. Hartmut WEWETZER (Der Tagesspiegel) fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin – Heute: Diabetiker und ihr Cholesterin

By GRR 0

Wer zuckerkrank ist, muss auf sein Herz acht geben. Zwei von drei Zuckerkranken sterben durch gefäßbedingte Herz-Kreislauf-Leiden. Manche Fachleute sagen, ein Diabetiker habe das gleiche Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten wie ein Mensch, der schon einen Infarkt hinter sich hat.

Woran das liegt, ist nicht genau geklärt. Möglicherweise verfetten und verkalken die Blutgefäße von Diabetikern schneller. Ein Prozess, der vielleicht durch Insulin beschleunigt wird. Das blutzuckersenkende Hormon kreist nämlich bei Menschen mit Typ-2-Diabetes („Alterszucker“) zumindest zu Beginn der Erkrankung vermehrt im Blut. Außerdem ist der Fettstoffwechsel gestört, das „gute“ HDL-Cholesterin ist niedrig, die „schlechten“ Triglyzeride und das „böse“ LDL-Cholesterin erhöht.

Diabetesexperten wie Andreas Pfeiffer von der Berliner Uniklinik Charité plädieren deshalb dafür, die meisten Zuckerkranken mit einem cholesterinsenkenden Medikament aus der Gruppe der Statine zu behandeln. Die Zuckerkrankheit wird mit einem Fettsenker behandelt. Rückenwind bekommt Pfeiffer durch eine Untersuchung von Colin Baigent von der Universität Oxford. Baigent und seine Mitarbeiter werteten 14 Studien mit fast 20 000 Diabetikern aus, in denen die Wirksamkeit der Statin-Cholesterinsenker getestet wurde.

Ergebnis der Untersuchung: Die Diabetiker profitierten von dem Medikament genausogut wie andere Patienten. Auf 1000 Zuckerkranke, die den Cholesterinsenker fünf Jahre einnahmen, kamen 42 Herz-Todesfälle, Infarkte oder andere schwere Zwischenfälle weniger als in der Kontrollgruppe ohne Medikament. Je stärker die Cholesterinsenkung, umso besser der Effekt.

Für Baigent ist klar, dass deshalb die meisten Diabetiker ein Statin einnehmen sollten, junge Patienten und Schwangere ausgenommen. Eine durchschnittliche Dosis des Medikaments würde das Gefäß-Risiko um ein Drittel verringern, rechnete Baigent aus.

„In Deutschland bekommen zwei von drei Diabetikern ein cholesterinsenkendes Medikament“, schätzt der Berliner Stoffwechselexperte Pfeiffer. Er glaubt, dass Diabetiker mehr als andere Patienten von einer Senkung der schlechten Blutfette profitieren. Je niedriger das „böse“ Cholesterin, umso niedriger auch das Risiko – eine einfache Rechnung.

Andere Fachleute wie der Herzspezialist Michael Schartl, ebenfalls an der Berliner Charité, sind zurückhaltender. Zwar würden die Statin-Medikamente im Allgemeinen gut vertragen, doch seien die Erfolge nicht gerade spektakulär. Vor allem bemängelt Schartl, dass viele Patienten zu wenig gegen ihren Zucker unternehmen.

„Viele Diabetiker mit starkem Übergewicht könnten ihr Risiko deutlich reduzieren, wenn sie abnehmen würden, mit dem Rauchen aufhörten oder sich mehr bewegten.“

Doch es ist eben einfacher, eine Pille zu schlucken, statt mit Abspecken den Zucker gleich ganz aus der Welt zu schaffen.

Dr. Hartmut leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel.
Der Tagesspiegel – Sonntag, dem 20. Januar 2008

author: GRR

Comment
0

Leave a reply