MIT BLICK AUF PEKING – WIE SICH DAS U.S.-OLYMPIA-MARATHON TEAM VORBEREITET – Interview mit Dr. Dave Martin Professor für Physiologie an der Georgia State University (GSU) und Co-Director des Elite Athlete Performance Lab der GSU sowie Marathonexperte

Die meist umkämpfte Olympia-Marathonausscheidung seit 1980 hat die Hoffnungen auf eine Olympiamedaille so hoch ansteigen lassen, wie seit den siebziger Jahren nicht mehr, und das obwohl die ersten beiden Läufer der Ausscheidung, Ryan Hall und Dathan Ritzenhein, bisher insgesamt nur 4 Marathonläufe absolviert haben.

Dieses Newcomer-Duo hat allerdings schon seine besondere Affinität zur Marathondistanz unter Beweis gestellt – Ritzenhein errang bei seinem Marathondebut beim ING New York City Marathon 2006 den 11. Platz und wurde Zweiter bei der Olympia-Ausscheidung, während Hall den amerikanischen Rekord eines Marathondebuts beim Flora London Marathon 2007 erzielte und bei seinem Sieg bei der Olympia-Ausscheidung mit der Zeit von 2:09:02 Std. einen Olympia-Ausscheidungrekord aufstellte.

DIE DREI OLYMPIONIKEN

Hall ist der Hauptdarsteller auf einer Rekordspur. „Ryan ist ein Typ, der nach den Sternen greift,” sagt Terrence Mahon, der Trainer von Hall und dem USA Laufteam. „Er fühlt sich nicht wohl, wenn er nicht in Führung ist und wenn er nicht das Gefühl hat, das Tempo mitzubestimmen. Die Olympia-Ausscheidung war ein großer Schritt für ihn, da er bei solchen Wettbewerben lernt, mit diesen Dingen besser umzugehen!“

Ritzenhein will bei Olympia etwas beweisen – er musste beim 10.000 m Lauf bei den Athener Spielen aufgrund eines Ermüdungsbruches im Fuß aufgeben. „Das war das einzige Rennen, was ich jemals abbrechen musste, und das belastet mich seitdem,“ sagt er. „Ich möchte diese Chance nicht ein zweites Mal ohne gutes Abschneiden vergeben. 2004 war ich noch ein „kleiner Junge“ und in der Laufwelt unerfahren. Ich bin jetzt physisch und mental viel besser vorbereitet.“

„Du möchtest nicht ein USA Trikot tragen und dein Land bei den Spielen nicht gut vertreten.“ – Brian Sell

Mit sieben absolvierten Marathonläufen ist Brian Sell der älteste und erfahrenste Läufer des Teams. Er wird durch seine unvergleichliche Arbeitsauffassung angetrieben. Wenn es darum geht ein bestimmtes Tempo zu erreichen und zu halten, dann kann Sell das, und er kann das alleine. Sells Prinzipien erlauben es ihm nicht, nicht sein Bestes zu geben. „Du möchtest nicht ein USA Trikot tragen und Dein Land bei den Spielen nicht gut vertreten,“ sagt er. „Wir haben Leute im Irak und in Afghanistan, die ihr Leben für uns riskieren. Ich will auf keinen Fall enttäuschen!“

UMFASSENDE VORBEREITUNGEN

Das amerikanische Dreigestirn ist zusammengestellt, und während die Athleten ihre Läufe nach den Olympia-Ausscheidungen aufnehmen, treten ihre Teams in die erste Phase der Vorbereitung für Peking ein. Ähnlich wie bei den Athener Spielen in 2004 werden die äußeren Bedingungen von der Hitze und der Luftverschmutzung bestimmt.

Weil der Marathon am Morgen stattfinden wird, müssen sich die Athleten mit der steigenden Hitze und Luftfeuchtigkeit zurechtfinden. „Keiner dieser Athleten hat unter solchen Bedingungen Lauferfahrung. Es wird also eine ganz neue Welt für sie sein,“ sagt Dr. Dave Martin, Professor für Physiologie an der Georgia State University (GSU) und Co-Director des Elite Athlete Performance Lab der GSU sowie Marathonexperte. „Es wird ein Kampf zwischen Athleten, den Bedingungen und der Strecke werden. Der Goldmedaillengewinner wird derjenige sein, der die beste Tagesform hat.“

Obwohl der Pekinger Marathonkurs flach sein wird, wird die Hitze und die Luftfeuchtigkeit in Zusammenhang mit der Luftverschmutzung ein langsameres Tempo erfordern. „Peking stellt eine interessante Herausforderung zwischen der Physiologie der Fitness und der Hitze dar,“ sagt Dr. Martin. „Wenn die Athleten laufen, werden sie nicht in der Lage sein, die Hitze abzugeben. Jeder muss also die Geschwindigkeit finden, die ihm bekommt.“

Nach Angaben der Trainer werden die Athleten wahrscheinlich in die Gegenden der USA mit hoher Luftfeuchtigkeit, wie z.B. New Orleans, Houston oder Jacksonville reisen, um dort das Sommertraining zu absolvieren. Im Falle von Hall, der in Mammoth Lakes, CA, wohnt, schlägt Dr. Martin vor, dass er in der Höhe und mit Sweatshirt und Sweatpants trainiert (ähnlich, wie es Deena Kastor in Vorbereitung auf Athen 2004 getan hat).

“Ich bin von diesen drei Athleten sehr beeindruckt – sie haben großes Potential. Wenn sie verletzungsfrei bleiben, haben sie die Chance mit den besten der Welt mitzuhalten.” – Dr. Dave Martin

Auf die chinesische Regierung wurde in Bezug auf die Verbesserung der Luftqualität in Peking viel Druck ausgeübt. Die Verschmutzungsgrade sind dort durch industrielle Abfälle und die Autoabgase sehr hoch. Die hohen Mengen an Kohlenmonoxid, Ruß und andere gesundheitsschädlichen Elemente in der Atmosphäre können Atemprobleme hervorrufen.

„Ich habe vor kurzem mit Leuten gesprochen, die in Peking waren,“ sagt Sell. “Sie sagten, dass man sich nach 24 Stunden fühle, als ob man 17 Zigaretten geraucht hätte.” Die normale Sauerstoffaufnahme wird durch die erhöhten Werte von Kohlendioxid und anderer Luftverschmutzer erschwert, was ein schnelles Laufen der Marathonläufer verhindern kann.

„Das sind für uns keine Probleme sondern Herausforderungen,“ sagt Dr. Martin. „Ich sage den Athleten, dass sie sich darüber Gedanken machen sollen, aber das auch rechtzeitig — dann machen wir uns an Lösungsmöglichkeiten, damit sie entspannt, gesund, zufrieden und fit an die Startlinie gehen können.“

MARATHONSCHULE

Als “Dr. Dave” in der Laufwelt bekannt, war Dr. Martin Mitveranstalter eines olympischen Marathon-Treffens in den Monaten vor den Olympischen Spielen in Athen, bei dem die Athleten, deren Partner und Trainer sich mit einer Gruppe von Marathonexperten 2 Tage zusammensetzten, um Strategien zu erarbeiten. Richtige Planung half Meb Keflezighi die Silbermedaille und Deena Kastor die Bronzemedaille in Athen zu gewinnen.

Ein erneuter olympischer Marathon-Gipfel ist für Mai in Colorado Springs geplant. Das diesjährige Treffen wird Mahon, Brad Hudson (Ritzenhein's Trainer), Keith Hanson (Trainer von Sell und dem Hansons-Brooks Distance Project) und den Trainern des Frauenteams die Chance geben, von den Olympiatrainern von 2004 zu lernen. Experten werden Aspekte ansprechen, die alle Athleten betreffen.

Das sind Themen wie Ernährung, Flüssigkeitsaufnahme, Akklimatisierung, Form und Übertraining. Flüssigkeitsmanagement wird von der Wahl des Getränks über die richtige Balance zwischen Elektrolyten und Kohlenhydraten bis hin zur richtigen Handhabung der Trinkflasche bis zur vollständigen Leerung der Flasche behandelt.

Athletenspezifische Themen werden ebenso angesprochen. „Jeder dieser Athleten stellt ein eigenes Experiment dar. Je besser der Athlet, desto besonderer das Experiment,“ sagt Dr. Martin. „Wir planen den Athleten bei Anpassungen zu helfen, damit ihre Individualität mit den Eigenschaften der Umweltbedingungen optimal aufeinander abgestimmt werden kann.“

Zusätzlich zum Marathon-Gipfel werden Dr. Martin und die Betreuer vom Team USA sich um soviele Details wie möglich kümmern, damit sich die Athleten auf Ihre Vorbereitung konzentrieren können. Sie helfen bei der Visabeantragung für Verwandte, suchen Unterkünfte für die Partner (die nicht im Olympischen Dorf bleiben dürfen) und schulen die Athleten im Umgang mit den Medien. Dies sind nur einige Beispiele der Vorbereitung vor dem Lauf.

Die neun Monate zwischen der Olympia-Ausscheidung und dem Olympischen Marathon können für die Marathonläufer von Vorteil sein, falls sie die Top drei Marathon-Gebote von Dr. Martin befolgen:

Nicht zu viel trainieren, vermeide Verletzungen und beachte die “do-do Regel” – ”Es kommt nicht darauf an wieviel Du trainierst, sondern wie gut Du Dich vom Training erholst, das Du absolvierst (…from the training you do do),“ mahnt er.

„Ich bin von diesen drei Athleten sehr beeindruckt — sie haben großes Potential. Wenn sie verletzungsfrei bleiben, haben sie die Chance mit den besten der Welt mitzuhalten.“