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27
03
2008

Am 3. November starb der US-Läufer Ryan Shay bei den amerikanischen Marathon-Olympia-Trials im Central Park von New York. Abschließend geklärt werden konnte die Todesursache nicht. Allerdings wurde nach dem dramatischen Fall bekannt, dass Ryan Shay ein vergrößertes Herz hatte.

Inbegriff von Gesundheit – US Läufer Ryan Shay – Die Vorstellung der GRR-Mitgliedsläufe und weitere interessante Informationen aus dem GRR Sonderheft 2008 „road races“ in Kooperation mit „aktiv laufen“

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Nach Meile fünf, ungefähr bei Kilometer acht, war Ryan Shay am Tag vor dem New York-Marathon im Rennen um die drei olympischen Startplätze zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche von Zuschauern scheiterten, und nach einem umgehenden Transport ins Krankenhaus konnte dort nur noch der Tod festgestellt werden. Todesfälle von Freizeitläufern bei einem Marathon hat es aus unterschiedlichen medizinischen Gründen immer wieder gegeben.

Es ist jedoch kein Fall bekannt, in dem ein Eliteläufer während eines Wettkampfes zusammenbrach und starb. Im Training gab es einzelne Fälle, aber auch nur wenige. Im Januar 2005 starb die damalige Verlobte des 10.000-m-Olympiasiegers Kenenisa Bekele. Alem Techale, frühere äthiopische Jugend-Weltmeisterin über 1.500 m, brach im Alter von 17 Jahren bei einem gemeinsamen Waldlauf mit Bekele zusammen.

Im Fall Ryan Shay sprachen Mediziner des New Yorker Lenox Hill-Krankenhauses nach einer Autopsie von einem plötzlichen Herzstillstand. Der 28-Jährige sei wahrscheinlich bereits tot gewesen, als sein Körper auf das Straßenpflaster fiel, hieß es. Doch der Grund für den Herzstillstand wurde bei der Autopsie nicht herausgefunden.

Wie der Vater des Läufers, Joe Shay, jedoch gegenüber amerikanischen Journalisten erklärte, hatte sein Sohn ein vergrößertes Herz. Dies wurde im Alter von 14 Jahren diagnostiziert. Damals wie auch bei wiederholten Untersuchungen – zuletzt noch in diesem Frühling – hatten die Ärzte ihm jeweils Grünes Licht für den Sport gegeben. Sein Trainer, Joe Vigil, bei dem Ryan Shay in Flagstaff in Höhenluft trainierte, erklärte, er wusste nichts von dem vergrößerten Herzen seines Athleten.

„Ich lasse meine Athleten mehrmals im Jahr untersuchen. Bei allen Bluttests von Ryan gab es nie einen Hinweis auf ein Problem. Er war der Inbegriff von Gesundheit und Stärke“, sagte Joe Vigil gegenüber der Zeitung ,USA Today’.

Dass das vergrößerte Herz wahrscheinlich mit dem Tod in Zusammenhang zu bringen ist, vermuten Experten. In der ,New York Times’ erklärte der amerikanische Kardiologe Dr. Paul Thompson, dass es bei vergrößerten Herzen darauf ankäme, herauszufinden, ob die Wände des Herzens dicker als normal seien. Dies hätte zur Folge, dass das Herz härter arbeiten müsse, um das Blut zu pumpen, was wiederum zu einer gefährlichen so genannten Hypertrophischen Kardiomyopathie führen könne.

Diese Erklärung hält auch der Berliner Sportmediziner Willi Heepe für sehr wahrscheinlich. Der langjährige Medical-Director des Berlin-Marathons vermutet, dass Ryan Shay irgendwann einmal unter einer nicht erkannten Entzündung des Herzmuskels gelitten hat.

„In der Folge einer Entzündung des Herzmuskels bleibt eine Verdickung zurück, die generell schwierig zu erkennen ist, schon gar nicht in einem EKG. Der entzündlich verdickte Herzmuskel hat die Problematik, dass unter höherer Leistung die Blutgefäße nicht genügend Sauerstoff heranschaffen können und es dadurch zu einem Versorgungsabbruch kommt. Dadurch kann es zu akutem Herzkammerflattern mit Todesfolge kommen. Warnzeichen im Vorfeld gibt es so gut wie keine. Auch die sofortige Anwesenheit eines Notarztes hätte Ryan Shay kaum retten können“, sagt Dr. Willi Heepe.

Der Mediziner erklärt, dass derartige Veränderungen des Herzmuskels nur von erfahrenen Kardiologen mittels einer echokardiographischen Untersuchung zu erkennen sind. In seiner Berliner Praxis habe er innerhalb der letzten sechs Monate rund ein Dutzend Sportler mit derartigen Symptomen diagnostiziert. „Diese Menschen können weiterhin Sport treiben, dürfen sich aber nur im aeroben Segment bewegen. Sie bekommen von uns einen genauen Trainingsplan. Wenn sie ins anaerobe Segment gehen, wird es sehr gefährlich.“

Willi Heepes Aussagen passen zum letzten Training von Ryan Shay. Am Tag vor den Trials war der Athlet gemeinsam mit seiner Frau Alice und seinem früheren Trainingspartner Ryan Hall, dem späteren Sieger des Rennens, sowie dessen Frau Sara locker gelaufen. Es habe keine Anzeichen irgendwelcher Probleme gegeben, erklärte Sara Hall, die bei der Hochzeit der Shays im Sommer Brautjungfer war. „Alice erwartete, dass er ein gutes Rennen laufen würde“, erklärte Sara Hall.

Ryan Shay hatte sieben Geschwister – alle sind Läufer und die Eltern Leichtathletik-Trainer an einem Gymnasium in Michigan. Er war der erfolgreichste der Familie. 2003 hatte Shay die US-Meisterschaften im Marathon gewonnen. Er war zudem mehrfacher US-Titelträger über Strecken zwischen 10.000 m und dem Halbmarathon. Im Marathon hatte er eine Bestzeit von 2:14:08 Stunden. Damit war er 2004 Neunter beim New York-Marathon. „Ich glaube, dass ich drei Minuten schneller laufen kann, und dass ich 2:11 Stunden rennen muss, um mich zu qualifizieren. Das wird schwierig. Man hofft einfach, dass man einen perfekten Tag erwischt“, hatte Ryan Shay vor dem Rennen in New York gesagt.

Ryan Shay galt als extrem ehrgeizig. „Du suchst dir selbst aus, ob du eine Sache schlecht, durchschnittlich oder exzellent machst. Wir alle wissen, dass Ryan sich für exzellent entschieden hat“, erklärte Joe Vigil. Die Olympiaqualifikation war sein Traum – im Central Park fand er am 3. November ein unfassbares Ende.

Entnommen dem GRR Sonderheft 2008 in Kooperation mit "aktiv laufen".

author: GRR

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