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29
03
2008

Diese Frage stellte Dr. Stefan Möhlenkamp bei der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim und gab zugleich die Antwort: „Laufen ist gesund!“

Wie schädlich ist Langstreckenlauf? Wilfried Raatz berichtet von der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim

By GRR 0

Im Jahr 2007 wurden über 180 (!) Marathonveranstaltungen in Deutschland durchgeführt, Tausende von Läufern wurden an der Strecke und vor allem im Start- und Zielbereich umjubelt. Tendenz weiter steigend. Beleg für die Fitness der Deutschen? Stetig steigende Teilnehmerzahlen sind das eine, die Sorge um das Wohlbefinden, eine vernünftige Vorbereitung und die Gesunderhaltung das andere.

Leider gab es auch im vergangenen Jahr neun Lauftote zu beklagen, so dass manches Boulevardblatt sogleich „Der Tod läuft mit“ textete. Hysterie ist dabei wirklich fehl am Platze, doch die Sorgen um die Gesundung der Bevölkerung sind berechtigt. Ausdauersport wie Laufen oder Jogging nennt Dr. Stefan Möhlenkamp bei der 74. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim als ein probates Mittel, Arterioklerose der Herzkranzgefäße und damit Herzinfarkte zu vermeiden.

Wann ist Vorsicht geboten?

Stellt zugleich aber auch Fragen: „Sind aber extremer Ausdauersport wie Marathonlaufen immer ungefährlich? Wie wirkt sich der besonders intensive Laufsport auf die Arteriosklerose der Herzkranzgefäße aus? Wird diese Erkrankung durch Marathonlaufen tatsächlich unterdrückt? Gibt es Risikofaktoren, zum Beispiel Bluthochdruck, Blutzuckererkrankung oder Fettstoffwechselstörungen, bei denen die schädigenden Einflüsse die positiven Effekte des Ausdauersports nicht kompensieren können? Wann ist Vorsicht geboten?

Möhlenkamp stellt seinem Beitrag das Phänomen „Paradox der körperlichen Arbeit“ voran, in dem er behauptet, „intensive körperliche Aktivität steigert das Kurzzeitrisiko für einen Herzinfarkt. Gleichzeitig schützt regelmäßige körperliche Aktivität vor diesem Risiko“. Dieses sei nicht alleine auf körperlich meist inaktive Personen beschränkt, sondern gelte auch für Sportler. Dass die absolute Zahl der Todesfälle im Sport selten sei und zudem noch abnähme, das führt der Essener Kardiologe auf die gestiegene Zahl an Defibrillatoren und der verbesserten medizinischen Versorgung an den Laufstrecken zurück.

Gezielte Fragen eines Gesundheits-Checks

Die Ursachen für kardiovaskuläre Ereignisse beim Sport variieren mit dem Alter. Bei jungen Sportlern (bis 35 Jahre) sind es vor allem genetisch begründete Herzmuskelerkrankungen und unerkannte Herzmuskelentzündungen, bei älteren Sportlern stehen vor allem die koronare Herzkrankheit (80 %) und Herzklappenfehler als Ursachen im Vordergrund, während hier Kardyomyopathien eher selten sind (3 %). Dr. Möhlenkamp schlägt hier vor, dass durch gezielte Fragen eines Gesundheits-Checks und einfache Tests wie ein Ruhe-EKG viele dieser Erkrankungen erkannt werden können. German Road Races (GRR) empfiehlt seit dem vergangenen Jahr diesen Gesundheitscheck in der Vorbereitung einen Wettkampf bzw. schon im geregelten Trainingsalltag.

Laut Möhlenkamp haben sich die diagnostischen Möglichkeiten zur Risikoeinschätzung und zur Erkennung eines Herzmuskelschadens deutlich verbessert. Das Troponin T (ein spezifischer Marker der Herzmuskelschädigung) und NT-pro-BNP (ein Marker der Herzschwäche) steigen nach einem Marathonlauf besonders bei denjenigen Läufern an, die weniger trainiert sind. Ein Anstieg dieser Marker konnte aber nicht in allen Studien nachgewiesen werden, die zu Grunde liegenden Mechanismen und die klinische Bedeutung sind noch unklar, die Werte normalisieren sich meist rasch.

Mittels Echokardiografie konnte gezeigt werden, dass sich die Kontraktionsfähigkeit des Herzens während des Laufes nicht verändert. In einigen Untersuchungen wurde aber nachgewiesen, dass sich die diastolische Funktion (Entspannungsphase) nachhaltig beeinträchtigt. In Möhlenkamps Studie mit 108 gesunden, über 50 Jahre alten männlichen Marathonläufern wurde jedoch festgestellt, dass sich die Häufigkeit einer so genannten diastolischen Dysfunktion bei älteren Läufern im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (aus der Allgemeinbevölkerung) nicht unterscheidet.

Koronare Herzkrankheit die häufigste Ursache

„Da die koronare Herzkrankheit die häufigste Ursache von tödlichen und nichttödlichen Ereignissen bei älteren Sportlern ist, haben wir in der Marathonstudie die Häufigkeit der Koronarsklerose und einer Myokardschädigung untersucht“. Anlass zu dieser Studie gab ein Läufer, der im Rahmen der groß angelegten Studie zur verbesserten Früherkennung von Herzkreislauferkrankungen untersucht wurde, bei dem wenige Tage nach dem erfolgreichen Absolvieren des Köln-Marathon ein beschwerdefrei verlaufener Herzinfarkt entdeckt wurde.

Die Teilnehmer mussten dabei 50 Jahre alt sein, in den vergangenen drei Jahren fünf Marathonwettkämpfe absolviert und keine Herzkrankheit und kein Diabetes haben. Neben der Messung der etablierten Risikofaktoren wurden auch eine Computertomografie des Herzens (zur Quantifizierung der Koronarsklerose anhand der Koronarkalkmessung) und eine magnetresonanztomografische Untersuchung des Herzens (zur Quantifizierung des „Late Enhancement“, einem Marker einer Herzmuskelschädigung) durchgeführt. Diese Ergebnisse wurden mit der bereits genannten Studie zur verbesserten Früherkennung von Herzkreislauferkrankungen verglichen.

50 Prozent geringeres kardiovaskuläres Risikoprofil

„Es zeigte sich, dass die Marathonläufer ein um 50 Prozent geringeres kardiovaskuläres Risikoprofil im Vergleich zur gleichaltrigen Allgemeinbevölkerung haben. Die Ausprägung der Koronarsklerose war aber ähnlich: In beiden Gruppen hatten 36 Prozent einen Kalkscore > 100, ein Wert, der ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko anzeigt. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit ähnlich günstigem Risikoprofil hatten Marathonläufer sogar deutlich mehr Koronarkalk“.

Und Dr. Möhlenkamp stellte zudem fest, dass bei 12 Prozent der Marathonläufer ein „Late enhancement“ als Ausdruck eines bislang noch nicht bekannten Herzmuskelschadens nachgewiesen werden. Läufer mit einer besonders hohen Kalklast und diejenigen mit sehr vielen Marathonläufen hatten dabei besonders häufig eine Herzmuskelschädigung.

Dr. Stefan Möhlenkamp kommt zu dem Fazit, dass in vielen Publikationen zwar Ausdauersport das Leben verlängere und die Lebensqualität verlängere. Und meint damit vor allem das maßvolle Training. Und warnt zugleich aber davor: „Marathonlaufen ist eine Extrembelastung! Bei älteren, vermeintlich gesunden Läufern liegt oft eine bedeutsame Koronarsklerose vor, deren Ausprägung durch Messung des kardiovaskulären Risikoprofils unterschätzt wird. Läufer mit ausgeprägter Arteriosklerose haben eine höhere Rate an unerkannten Herzmuskelschädigungen. Ob Marathonlaufen selbst zur Herzmuskelschädigung beitragen kann, muss weiter untersucht werden!“

Möhlenkamp rät vor allem älteren Läufern vor der Teilnahme an Marathonläufen und dem dazu gehörigen intensiven Training zu einer gründlichen ärztlichen Untersuchung, um ernsthafte Zwischenfälle zu vermeiden. Auszuschließen sind Zwischenfälle dadurch keineswegs.

Aber, und so schließt Dr. Stefan Möhlenkamp die Präsentation seiner Studie, „Marathonlaufen ist etwas Gutes für die Psyche“.

Wilfried Raatz

PD Dr. med. Stefan Möhlenkamp
Facharzt für Innere Medizin / Kardiologie
Oberarzt der Klinik für Kardiologie im
Westdeutschen Herzzentrum Essen
(Direktor: Prof. Dr. med. R. Erbel)
e-mail: stefan.moehlenkamp@uk-essen.de
Universitätsklinikum Essen
ZENTRUM FÜR INNERE MEDIZIN
Hufelandstr. 55
45122 Essen
Tel.: 0201 – 723 – 4803
Fax.: 0201 – 723 – 5480

www.marathon-studie.de

Marathon-Studie

Bei German Road Races (GRR) ist Dr. Stefan Möhlenkamp im Kompetenz-Team Sportmedizin.

author: GRR

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