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2008

Der Weltklasseathlet Herbert Steffny, Diplombiologe, Laufexperte, Laufbuchautor, 16facher Deutscher Meister, Olympiateilnehmer und Bronzemedaillengewinner der EM 1986 in Stuttgart, erklärt, worauf es vor, während und nach einem Marathon besonders ankommt.

„Im Wettkampf entscheidet der Kopf“ – Die Vorstellung der GRR-Mitgliedsläufe und weitere interessante Informationen aus dem GRR Sonderheft 2008 \“road races\“ in Kooperation mit \“aktiv laufen\“

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Nach vielen Trainingseinheiten rückt der Termin für den „großen Wettkampf“ immer näher. Wann sollte die intensive Vorbereitung für einen Marathon beginnen?

Herbert Steffny: Ausgehend von einer möglichst mehrjährigen, ordentlichen Ausdauerbasis sollte das spezielle Marathontraining rund zehn Wochen vor dem großen Tag starten. Dazu wählt man am besten einen bewährten Plan, an den man sich auch halten sollte. Zuvor kann man auch andere Ausdauersportarten wie Radfahren im Sommer und Skilanglauf im Winter integrieren. In der speziellen Vorbereitungsphase der letzten Monate wird das Training zunehmend laufspezifischer.

Und wie sieht eine optimale Vorbereitung auf den großen Lauf im Detail aus?

Das lässt sich natürlich nicht in zwei Sätzen zusammenfassen, aber die wichtigsten Zutaten für einen erfolgreichen Marathon sind mindestens drei bis auf über 30 Kilometer gesteigerte lange Läufe, der insgesamt erhöhte Kilometerumfang des Lauftrainings und das durchschnittlich etwas langsamere Trainingstempo, einerseits wegen des erhöhten orthopädischen Risikos und auch wegen der notwendigen Verbesserung des Fettstoffwechsels. Eigenschaften wie Geduld, Fleiß, Kontinuität und auch Demut sind behilflich für einen erfolgreichen Marathon.

Das Thema Ernährung wird oft heiß diskutiert. Was raten Sie den Läufern, die Sie auf Wettkämpfe vorbereiten?

Jedes Training ist nur so gut wie es vor- und nachbereitet wird. Hierbei spielt die Ernährung natürlich eine wesentliche Rolle. Viele meinen, mangelndes Training oder eine schlampige Ernährung mit irgendwelchen Nahrungsergänzungsmittelchen aufpeppen zu können. Bei normal gesunden Sportlern bezweifle ich und ebenso unabhängige Ernährungswissenschaftler die Notwendigkeit von Pillen und Pülverchen. Aus eigener Erfahrung als Weltklasseläufer und auch als Biologe empfehle ich, lieber die Ernährung zu optimieren. Das ist zweifelsohne vollständiger, denn der Apfel oder die Tomate ist mehr als die Summe der uns zur Zeit bekannten Bestandteile. Die Grundlage bildet also eine allseits bekannte vollwertige Kost. Gemüsesaft ist beispielsweise ein billiges und vollwertiges Supergetränk in der Alltagskost für Marathonläufer mit einer sehr hohen Nährstoffdichte, bei nur moderatem Kaloriengehalt.

Was vielleicht viele nicht wissen, während der intensiven Vorbereitung auf einen Marathon-Lauf sollte auf Alkohol möglichst ganz verzichtet werden. Warum wirkt sich denn Alkoholgenuss negativ auf die Leistungen aus?

Na ja, ein kleines Bierchen oder auch ein Viertel Wein gelegentlich machen vielleicht auch locker und gehören zum Genuss. Aber man sollte, wenn man sich nicht gerade auf den Medoc-Marathon in Bordeaux vorbereitet, den Alkoholkonsum doch deutlich reduzieren, denn Äthanol senkt den Testosteronspiegel im Blut und damit die eigentlich gewünschte Regenerationsfähigkeit. Mit einem Hefeweizen nach dem langen Lauf säuft man sich regelrecht einen Teil seines Trainingslaufs wieder raus. Das hat mit dem gerne zitierten „Vitamin B“ oder „flüssigem Brot“ nicht viel zu tun. Hier wäre alkoholfreies Bier natürlich besser.

Das beste Training und die beste Ernährung bringen nicht den gewünschten Erfolg, wenn die Psyche nicht mitspielt. Wie bereitet man sich denn mental auf einen Marathon vor?

Vor und im Rennen entscheidet neben dem Trainingszustand auch der Kopf. Es ist sehr wichtig, Wettkampferfahrung zu sammeln. Wer einen Marathon plant, sollte vorher bei einem Halbmarathon und anderen Wettkämpfen seine Erfahrungen mit Nervosität und Adrenalin sammeln. Der eine hat vielleicht Durchfall, weil ihm das Ganze auf den Magen schlägt, der andere rennt in seiner Euphorie viel zu schnell los. Leider laufen viele heute Marathon nicht nur mit einer unzureichenden Vorbereitung, sondern auch vollkommen ohne Wettkampferfahrung und machen dann Anfängerfehler. Auch die Bekämpfung des inneren Schweinehundes im Rennen, kann man trainieren. Wer trotz Regenwetters seinen langen Lauf konsequent durchzieht, hat diese Willensstärke für sein Rennen geübt und kann diese Erlebnisse später im Wettkampf abrufen.

Der Tag X, auf den man so hingefiebert hat, ist da und man steht an der Startlinie. Ist jetzt alles zu spät? Oder was kann man nun noch beeinflussen?

Vorher sollte man sich Gedanken über eine realistische Endzeit machen. Das Wetter kann kurzfristig aber alle Pläne über den Haufen werfen. Nun sind Korrekturen angebracht. Die angepasste Marschroute sollte dann kontrolliert durchgehalten werden. Erfolgversprechend ist es, auf flachen Kursen nach gleichmäßigen Zwischenzeiten zu laufen. Kein Weltrekordler wie Haile Gebrselassie oder Paula Radcliffe käme auf die Idee, ohne Zwischenzeitenkontrolle nur mal so loszurennen. Im Gegenteil: die zweiten Hälften waren bei beiden in ihren Weltrekordrennen sogar schneller! Ein weiterer Aspekt im Rennen ist die regelmäßige Aufnahme von Flüssigkeit mit Kochsalzgehalt und Kohlenhydraten. Wer länger unterwegs ist, kann auch feste Nahrung in der ersten Hälfte knabbern. Viele trinken oder essen erst, wenn sie Durst oder einen Hungerast haben, dann ist es schon zu spät. Natürlich sollte man auch die Ideallinie laufen, die nicht immer der blauen Linie entspricht.

Und irgendwann kommt der berühmte Mann mit dem Hammer. Kann man dem auch mit mentaler Stärke entkommen?

Am Hammermann ungeschoren vorbei zu laufen ist in erster Linie natürlich eine Frage der ordentlichen Trainingsvorbereitung und der richtigen Renntaktik. Aber auch den Kopf kann man wie bereits erwähnt trainieren. Ich empfehle daher allen, die ihre Grenzen erweitern wollen und Bestzeiten anstreben, sich auch schon im Training für den Kopf absichtlich schwierigen Situationen auszusetzen. Das kann eine ausgesuchte sterbenslangweilige Strecke im Industriegebiet sein, oder dass man schwere Trainingseinheiten eben nicht in der Gruppe, sondern für sich alleine läuft. Das macht härter und stärkt das Selbstbewusstsein. Wer ein Schönwetterläufer ist, der resigniert möglicherweise, wenn es beim Marathon regnet. Hier hilft vielleicht mein etwas provozierendes Motto für Training und Alltag weiter: „Marathonläufer oder Weichei?“ Im Rennen ruft man sich dann diese gemeisterten schweren Trainingssituationen ab. Ich empfehle also kämpferische Konzepte, die man sich auch vorher schon zurechtlegt und visualisiert, um sie in der Stunde der Wahrheit auch abrufen zu können.

Der Wettkampf ist geschafft und man selbst auch, wie sollte man idealerweise die Regenerationszeit nach einem Marathon gestalten?

Nach dem Marathon sind der Bewegungsapparat, das Immun- und Hormonsystem im Keller. Wer seine Läuferkarriere langfristig anlegt und den Spaß nicht verlieren möchte, sollte nun erst mal zurückschrauben. Man sollte gemäß der von mir nach einer Aussage des erfolgreichen Masters- Marathonläufers Jack Foster aufgestellten „Fosterregel“ handeln. Sie besagt insbesondere für Senioren, dass man nach einem hart gelaufenen Wettkampf so viele Tage nur leichtes Laufen oder Crosstraining wie Radfahren absolvieren sollte, wie der Wettkampf in Meilen lang war. Foster rechnete als Neuseeländer eben in Meilen, ein Marathon hat davon 26. Das heißt konkret insbesondere nach dem Herbstmarathon drei bis vier Wochen das Training runterzufahren und nur wenig zu joggen, damit alles wieder zusammenwachsen kann.

Wie kann man mit richtiger Ernährung die Regeneration beschleunigen?

Jetzt braucht der Körper eine besonders vollwertige Ernährung. Als Sofortmaßnahme nach dem Rennen empfehle ich Flüssigkeit und Kohlenhydrate. Später gönne ich jedem das Glas Sekt zu Feier der Marathonpremiere oder der neuen Bestzeit. Wenn man dazu beispielsweise Fischfilet mit Kartoffeln und Brokkoli futtert, dann hat der Körper alles, was er für eine schnelle Regeneration braucht.

Das Gespräch führte Werner Pfefferlein > www.herbertsteffny.de

Entnommen dem GRR Sonderheft 2008 in Kooperation mit "aktiv laufen".

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