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29
06
2008

Je mehr Kaffee die Versuchsteilnehmer beiderlei Geschlechts tranken, umso geringer war ihre Sterblichkeit – also das Risiko, innerhalb des Studienzeitraums von rund 20 Jahren zu sterben.

Lang lebe der Kaffee – Dr. Hartmut WEWETZER vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Warum Kaffee besser ist als sein Ruf

By GRR 0

Wie gut kann ich mich noch an die Zeit erinnern, als man Kaffee für „Gift“ hielt. Gern zitiert wurde das Schicksal Honoré de Balzacs – der französische Schriftsteller soll ein Opfer des schwarzen Getränks geworden sein.

Wenn man Balzacs Leibesfülle betrachtet und das kleine Einmaleins der modernen Medizin parat hat, dann kommt man zu dem Schluss, dass übermäßiger Kaffeekonsum sein kleinstes Problem gewesen sein dürfte. Eher im Gegenteil! Nach einer neuen Studie spricht einiges dafür, dass Kaffee das Leben sogar verlängern kann.

Herausgefunden hat das die Ernährungsforscherin Esther Lopez-Garcia von der Universität Madrid. Sie wertete Daten aus zwei großen amerikanischen Langzeitstudien aus. An der einen hatten gut 40 000 Männer aus Gesundheitsberufen, an der anderen rund 85 000 Krankenschwestern teilgenommen und waren jeweils über etwa 20 Jahre wissenschaftlich begleitet worden.

Der Trend war klar abzulesen. Je mehr Kaffee die Versuchsteilnehmer beiderlei Geschlechts tranken, umso geringer war ihre Sterblichkeit – also das Risiko, innerhalb des Studienzeitraums von rund 20 Jahren zu sterben. So lag die Sterblichkeit von Frauen, die jeden Tag zwei bis drei Tassen tranken, um 18 Prozent unter der von Abstinenzlern. Ob mit oder ohne Koffein spielte dabei keine Rolle. Bei Männern fielen die Ergebnisse schwächer aus. Nur Vieltrinker (sechs Tassen und mehr) wurden mit einer um 20 Prozent gesenkten Sterblichkeit deutlich „belohnt“.

Allerdings kippen die Wissenschaftler etwas Wasser in den Kaffee. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass regelmäßiger Kaffeekonsum über längere Zeit das Sterberisiko nicht erhöht und vermutlich einige günstige Effekte auf die Gesundheit hat“, sagt Esther Lopez-Garcia zurückhaltend. Und rät bei Leuten mit chronischen Krankheiten sogar zur Vorsicht: Sie sollten sich zunächst mit ihrem Arzt beraten, bevor sie ihre Kaffeemaschine auf Dauerbetrieb stellen – denn Koffein kann kurzfristig den Blutdruck erhöhen.

Paradoxerweise ist es aber gerade das Herz, über das Kaffee günstig wirkt. Das Getränk enthält Substanzen, die entzündungshemmend wirken und damit die krankhafte Verkalkung der Herzkranzgefäße bremsen können.

Aber Kaffee kann noch mehr. Weitere Untersuchungen deuten darauf hin, dass regelmäßiger Konsum das Risiko für Typ-2-Diabetes („Alterszucker“) verringert. Sogar bestimmte Krebsarten (Leber, Dickdarm, Mundhöhle, Rachen, Speiseröhre) sollen bei Kaffeetrinkern seltener sein. Und schließlich sinkt auch noch das Risiko für Gicht, also einen erhöhten Harnsäurespiegel.

Zudem wird koffeinhaltigem Kaffee eine günstige Wirkung aufs Gedächtnis nachgesagt. Übrigens hat sich auch die Behauptung, Kaffee „entwässere“ den Körper, als Mythos herausgestellt.

Ich selbst liege mit meinen fünf Tässchen täglich, denke ich, gut im Journalistenschnitt – bei großen Ereignissen und etwas Stress komme ich sogar auf die lebensrettenden sechs.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels.
Der Tagesspiegel, Sonntag, dem 22. Juni 2008

author: GRR

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