Der Marathonlauf ist die letzte Entscheidung der Leichtathletik-Bewerbe. Am 24. August (Sonntag) um 7:30 Uhr Ortszeit nehmen die Langstreckler bei erwartet schweren äußeren Bedingungen die 42,195 Kilometer in Angriff und das Überraschungspotenzial im Kampf um die vordersten Plätze ist unverkennbar
Die große Olympia-Vorschau – Männer (1) – Die XXIX. Sommerspiele in Peking 2008
Die Olympischen Spiele in Peking (China) rücken unaufhaltsam näher. Am Freitag (15. August) fallen die ersten Startschüsse und auch Entscheidungen. leichtathletik.de blickt mit einer umfassenden Vorschau auf alle Disziplinen voraus, im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den Sprintern, Läufern, Gehern und Staffeln.
100 Meter
Kaum ein Wettkampf wird mit solcher Spannung erwartet wie das 100-Meter-Finale. Mit den beiden Jamaikanern Usain Bolt und Asafa Powell sowie dem US-Amerikaner Tyson Gay treffen der Weltrekordler, sein Vorgänger und der Weltmeister aufeinander. Alle sind in diesem Jahr schon mindestens 9,82 Sekunden gesprintet, Usain Bolt mit 9,72 Sekunden gar eine neue Weltbestmarke. Die Aufeinandertreffen der drei „Sprintgiganten“ waren spärlich, keiner konnte sich bislang von seinen Konkurrenten deutlich absetzen. Für Jamaika wäre es die erst Gold-Medaille der Männer über 100 Meter bei Olympia. Aber auch andere Athleten wie Richard Thompson und Marc Burns (beide Trinidad & Tobago), der Jamaikaner Nesta Carter sowie die beiden US-Amerikaner Walter Dix und Darvis Patton sind schon unter zehn Sekunden gelaufen. Der Kornwestheimer Tobias Unger vertritt die deutschen Farben, sein Fokus liegt nach eigenen Angaben aber auf der Staffel. Den Vorlauf sollte er trotzdem locker überstehen.
Olympiasieger 2004: Justin Gatlin (USA; 9,85 sec)
DLV-Starter: Tobias Unger (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg)
200 Meter
Der Jamaikaner Usain Bolt ist der absolute Gold-Favorit und könnte als achter Sprinter insgesamt und als erster seit Carl Lewis (USA) 1984 das Double über 100 und 200 Meter schaffen. In vier seiner fünf 200-Meter-Rennen in dieser Saison blieb er unter 20 Sekunden und führt mit 19,67 Sekunden die Weltjahresbestenliste an. Obwohl Weltmeister Tyson Gay (USA), der sich bei den US-Trials über 200 Meter verletzte, nicht am Start sein wird, kommt die stärkste Konkurrenz für den Jamaikaner aus den USA. Mit Walter Dix, Titelverteidiger Shawn Crawford und Wallace Spearmon vertreten die Nummern zwei bis vier der Weltjahresbestenliste die USA. Kein weiterer Olympia-Starter lief in diesem Jahr bislang unter 20 Sekunden.
Olympiasieger 2004: Shawn Crawford (USA; 20,05 sec)
DLV-Starter: keine
400 Meter
Kann ein Läufer Jeremy Wariner von der Wiederholung des Olympiasieges abhalten? Der US-Amerikaner, der davon träumt, bei der Titelverteidigung Weltrekord zu laufen, musste in dieser Saison zwei Niederlagen einstecken: Bei den US-Trials und beim DKB-ISTAF in Berlin verlor er gegen seinen Teamkollegen LaShawn Merritt, der auch sein größter Rivale auf dem Weg zu Gold sein wird. Mit David Neville haben die USA gleich noch ein drittes heißes Eisen im Feuer. Lediglich Jeremy Wariners Mentor Michael Johnson gelangen zwei 400-Meter-Olympiasiege hintereinander.
Olympiasieger 2004: Jeremy Wariner (USA; 44,00 sec)
DLV-Starter: keine
800 Meter
Einem erst 19-Jährigen könnte die Sensation gelingen. Der sudanesische Hallen-Weltmeister Abubaker Kaki führt mit dem neuen U20-Weltrekord von 1:42,69 Minuten die Weltjahresbestenliste an, wurde souverän U20-Weltmeister und ist in dieser Saison noch ungeschlagen. Titelverteidiger Yuriy Borzakoyskiy (Russland) ist ihm mit 1:42,79 Minuten allerdings dicht auf den Fersen und präsentierte mit dieser Zeit, die er erst Ende Juli in Monaco (Monte Carlo) lief, dass er auf den Punkt perfekt vorbereitet ist. Im gleichen Rennen kamen der Bahrainer Yusuf Saad Kamel (1:42,79 min) und der Südafrikaner Mbulaeni Mulaudzi (1:43,26 min) auf die Ränge drei und vier der Weltjahresbestenliste und zeigten ansteigende Form.
Olympiasieger 2004: Yuriy Borzakoyskiy (Russland; 1:44,45 min)
DLV-Starter: keine
1.500 Meter
Klar ist, dass es einen neuen Olympiasieger geben wird, nachdem der Marokkaner Hicham El Guerrouj seine Karriere beendet hat. Der Jahresschnellste, Daniel Kipchirchir Komen (3:31,49 min) wird ebenso nicht dabei sein, weil er bei den Kenia-Trails nur Siebter wurde und sich damit nicht qualifizierte. Ein offenes Rennen kündigt sich an, da viele Starter in ihrer Jahresbestzeit nur minimal auseinander liegen. Augustine Kiprono Choge (Kenia; 3:31,57 min) reist mit der besten Vorleistung aller Starter an, Weltmeister Bernard Lagat (USA) gehört trotz bislang „nur“ 3:35,14 Minuten zu den Läufern, die man auf der Rechnung haben sollte. Der Berliner Carsten Schlangen dürfte auf jeden Fall den Zwischenlauf erreichen, mit etwas Glück sogar das Finale.
Olympiasieger 2004: Hicham El Guerrouj (Marokko; 3:34,18 min)
DLV-Starter: Carsten Schlangen (LG Nord Berlin)
5.000 Meter
Sechs Läufer, allesamt aus Afrika, sind in diesem Jahr schon unter 13 Minuten geblieben. An der Spitze steht der Kenianer Moses Masai mit jenen 12:50,55 Minuten, die er Anfang Juni in Berlin lief. Er ist allerdings nur über 10.000 Meter nominiert. Die kenianischen Farben vertreten in Peking auf den 5.000 Metern Edwin Cheruiyot Soi, Vize-Weltmeister Eliud Kipchoge und Thomas Longosiwa. Zweiter der Weltjahresbestenliste ist der Äthiopier Tariku Bekele (12:52,45 min), der von Abraham Cherkos und Ali Abdosh begleitet wird. Weltrekordhalter Kenenisa Bekele ist Ersatzmann, ein Start von ihm aber nicht ausgeschlossen. In das äthiopisch-kenianische Duell wollen der WM-Dritte Moses Kipsiro aus Uganda und natürlich Weltmeister Bernard Lagat (USA) eingreifen.
Olympiasieger 2004:
DLV-Starter: keine
10.000 Meter
Die Medaillen werden die afrikanischen Läufer unter sich ausmachen. Top-Favorit ist Kenenisa Bekele, der als Olympiasieger, Weltmeister und Weltjahresbester (26:25,97 min) anreist. Auch sein Landsmann Sileshi Sihine und Zersenay Tadesse (Eritrea), die bei den Olympischen Spielen in Athen (Griechenland) Silber und Bronze gewannen, sind wieder am Start, Sileshi Sihine sogar mit der zweitbesten Zeit (26:50,53 min) aus diesem Jahr. Das äthiopische Team komplettiert Marathon-Weltrekordler Haile Gebrselassie (26:51,20 min), der in den Kampf um die Medaillen eingreifen können sollte.
Olympiasieger 2004: Kenenisa Bekele (Äthiopien; 27:05,10 min)
DLV-Starter: keine
Marathon
Der Marathonlauf ist die letzte Entscheidung der Leichtathletik-Bewerbe. Am 24. August (Sonntag) um 7:30 Uhr Ortszeit nehmen die Langstreckler bei erwartet schweren äußeren Bedingungen die 42,195 Kilometer in Angriff und das Überraschungspotenzial im Kampf um die vordersten Plätze ist unverkennbar. Die Favoriten kommen allerdings eindeutig aus Afrika. Aus dem Kreis der derzeit weltbesten Athleten, gemessen an den Ergebnissen bei den Städte-Marathons, haben sich Martin Lel, Robert K. Cheruiyot (beide Kenia) und Abderrahim Goumri (Marokko) angesagt. Samuel Wanjiru vervollständigt nicht weniger ambitioniert das kenianische Trio. Im äthiopischen Team müssen Deriba Merga, Tsegaye Kebede und Gashaw Melese den Verzicht von Weltrekordler Haile Gebrselassie kompensieren. Aus Marokko wollen noch Ex-Weltmeister Jaouad Gharib und Abderrahim Bouramdane eine gute Rolle spielen. Die europäischen Hoffnungen ruhen auf dem WM-Dritten Viktor Röthlin (Schweiz), den erfahrenen Spaniern Julio Rey, José Ríos und Chema Martínez sowie dem Athen-Olympiasieger Stefano Baldini (Italien).
Olympiasieger 2004: Stefano Baldini (Italien)
DLV-Starter: keine
110 Meter Hürden
Kommt Titelverteidiger und Weltmeister Liu Xiang rechtzeitig nach Verletzungssorgen in Form und kann der Chinese dem enormen Erwartungsdruck seiner Landsleute standhalten? Eines ist klar: Um den neuen Weltrekordler Dayron Robles (Kuba; 12,87 sec) schlagen zu können, muss Liu Xiang in allerbester Verfassung sein oder auf ein Missgeschick des Konkurrenten hoffen. Nicht zu unterschätzen sind auch die beiden US-Amerikaner David Oliver (12,95 sec) und Terrence Trammell (13,08 sec), die als Nummer zwei und drei der Weltjahresbestenliste anreisen.
Olympiasieger 2004: Liu Xiang (China; 12,91 sec)
DLV-Starter: keine
400 Meter Hürden
Ob Titelverteidiger Felix Sanchez (Dominikanische Republik) an den Start geht, ist nach wie vor unklar. Falls doch, wird er wohl kaum keine Chance haben, seinen Titel zu verteidigen. Beste Aussichten auf den Titel haben wieder einmal US-Amerikaner: Weltmeister Kerron Clement und Ex-Weltmeister Bershawn Jackson reisen mit 47,79 bzw. 48,15 Sekunden als die Jahresbesten an. Mit dem Jamaikaner Danny McFarlane hat der Olympia-Zweite von Athen (Griechenland) erneut gute Aussichten auf eine Medaille.
Olympiasieger 2004: Felix Sánchez (Dominikanischen Republik; 47,63 sec)
DLV-Starter: keine
3.000 Meter Hindernis
Titelverteidiger Ezekiel Kemboi ist pünktlich zu den Olympischen Spielen wieder einmal in Top-Form und gehört zu den drei Kenianern, die sich bei den Trials durchgesetzt haben. Dem Jahresbesten Paul Kipsiele Koech (8:00,57 min) gelang das hingegen als Viertem nicht, er ist bislang nur der Ersatzmann für Olympia. Egal wer für Kenia an den Start geht – sie gehören definitiv zu den absoluten Top-Favoriten. Neben Ezekiel Kemboi wurden Richard Kipkemboi Mateelong, Zweiter der Jahresbestenliste (8:07,64 min), sowie Brimin Kipruto, Weltmeister und Olympia-Zweiter, für Olympia nominiert. Die kenianische Phalanx könnte Tareq Mubarak Taher (Bahrain) brechen.
Olympiasieger 2004: Ezekiel Kemboi (Kenia; 8:05,81 min)
DLV-Starter: keine
20 Kilometer Gehen
Das im Olympiajahr offenbar gewordene Niveau lässt sich allein daran erkennen, dass der Berliner André Höhne mit seiner bemerkenswerten Saisonbestzeit von 1:20:19 Stunden in der Weltjahresbestenliste gerade einmal auf Platz 20 liegt. Aussagekraft hat das aber eher wenig. Klar ist jedoch, dass der Weg zum Olympiasieg über die Russen Valeriy Borchin, Ilya Markov und Sergej Morozov, den Weltrekordhalter, führen muss. Die Herausforderer formieren sich um Weltmeister Jefferson Perez (Ecuador), Olympiasieger Ivano Brugnetti (Italien) und Europameister Francisco Fernandez (Spanien). Nicht zu unterschätzen ist auch der Norweger Erik Tysse. Die chinesischen Geher standen in den letzten Jahren in der zweiten Reihe, doch der Heimvorteil könnte sie zu neuen Höchstleistungen antreiben.
Olympiasieger 2004: Ivano Brugnetti (Italien)
DLV-Starter: André Höhne (SCC Berlin)
50 Kilometer Gehen
Die Geher-Langstrecke ist überschattet von einem Wechsel im russischen Team. Ex-Weltmeister Sergey Kirdyapkin ersetzte Vladimir Kanaykin, der unter Dopingverdacht steht und aus dem Verkehr gezogen wurde. Favorit ist allerdings Denis Nizhegorodov, der vor vier Jahren in Athen (Griechenland) Olympia-Zweiter war. Weltmeister Nathan Deakes (Australien) fehlt verletzungsbedingt. Olympiasieger Robert Korzeniowski (Polen) hat inzwischen seine Laufbahn beendet und ist nur noch am Straßenrand zu finden. Eine weitere Chance wittert der Italiener Alex Schwazer, der bei der letzten WM in Osaka (Japan) Dritter war. Zu den sechs Gehern, die in diesem Jahr schon unter 3:45 Stunden geblieben sind, gehören auch der Japaner Yuki Yamazaki und der Norweger Trond Nymark. Auf den 50 Kilometern ist den Chinesen um den Sieger des Olympia-Tests in Peking vom April, Si Tianfeng, mehr zuzutrauen als auf der kürzeren Distanz, schließlich sind sie an die Bedingungen gewohnt. Der Berliner André Höhne sieht die 50 Kilometer als Option, die 20 Kilometer haben für ihn aber Priorität. Wenn er startet und körperlich noch gut genug in Schuss ist, kann er unter den ersten Zehn mitmarschieren.
Olympiasieger 2004: Robert Korzeniowski (Polen)
DLV-Starter: André Höhne (SCC Berlin)
4×100 Meter
Die US-Amerikaner gehören wieder einmal zu den absoluten Top-Favoriten, sind aber auch dafür bekannt, oft schon bessere Ergebnisse durch verpatzte Staffelwechsel verpasst zu haben. Auch Titelverteidiger Großbritannien hat in dieser Saison bereits mit guten Ergebnissen überzeugt. Ein kleines Fragezeichen steht hinter der jamaikanischen Staffel, die von den Einzelzeiten sicher ein Gold-Kandidat ist. Zuletzt weigerten sich aber einige Sprinter um Asafa Powell, am Staffeltraining teilzunehmen. Das deutsche Quartett hat sich in diesem Jahr so stark wie schon lange nicht mehr präsentiert. Beim Europacup lief das Team nahe an den deutschen Rekord (38,29 sec) heran, wurde aber wegen Betretens der Bahnmarkierung disqualifiziert. Mit nicht ausgereizten Wechseln erzielten sie in Monaco 38,48 Sekunden. Das Finale ist das Minimalziel. Wenn alles passt, ist eine Überraschung möglich.
Olympiasieger 2004: Großbritannien (38,07 sec)
DLV-Starter: Tobias Unger (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg), Alexander Kosenkow, Ronny Ostwald (beide TV Wattenscheid 01), Till Helmke (TSV Friedberg-Fauerbach), Martin Keller (LAC Erdgas Chemnitz), Marius Broening (LAV Tübingen)
4×400 Meter
USA – wer sonst sollte Top-Favorit sein? Olympiasieger, Weltmeister und Weltjahresbeste sind die Viertelmeiler aus den USA. Sie zu schlagen, wird extrem schwer und geht eigentlich nur, wenn sie Fehler machen. Allein vier der für die Staffel gemeldeten Läufer haben eine Saisonbestleistung unter 45 Sekunden. Australien, vor vier Jahren immerhin Olympia-Zweiter, hat sich in diesem Winter bereits gut präsentiert, die Frage ist, wie die Jungs aus „Down-Under“ ihre Form halten konnten. Der Einzug in das Finale sollte für das deutsche Team das Minimalziel sein.
Olympiasieger 2004: USA (2:55,91 min)
DLV-Starter: Ruwen Faller (SC Magdeburg), Kamghe Gaba (LG Eintracht Frankfurt), Bastian Swillims (TV Wattenscheid 01), Simon Kirch (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken), Florian Seitz (SCC Berlin)
Quelle: DLV – Anja Herrlitz / Christian Fuchs