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14
08
2008

Eigentlich wollte sie am kommenden Wochenende beim olympischen Marathon in Peking starten. Stattdessen tastet sie sich derzeit vorsichtig ans Sporttreiben heran, um irgendwann wieder richtig ins Training und in ihren Alltag als Teilzeitwanderin einzusteigen.

Training in den Bergen – „Freiwillig mache ich das nicht“ – Gipfel sind mehr als Herausforderungen für Extrembergsteiger. Auch Marathonläufer, wie Ulrike Maisch, treibt der Ehrgeiz in die Höhe. Interview: Thomas Hahn und Dominik Prantl in der Süddeutschen Zeitung

By GRR 0

Berge und Gipfel sind mehr als nur Herausforderungen für Extrembergsteiger. Sie faszinieren Menschen aus vielen Bereichen der Gesellschaft; sie dienen als Kulisse für Filme, als Treffpunkt für Politik- und Wirtschaftsgrößen und sogar als Trainingsterrain für Ausdauersportler.

Ulrike Maisch klingt schon wieder ganz fröhlich. Sie lacht viel, während sie von ihrem alternativen Training erzählt, zu dem auch ausgedehnte Wanderungen in den Engadiner Alpen gehören. Aber das kann nicht davon ablenken, dass 2008 kein Jubeljahr für die Marathonläuferin ist. Seit Ulrike Maisch vor zwei Jahren in Göteborg überraschend Marathon-Europameisterin wurde, hatte sie immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Eigentlich wollte sie am kommenden Wochenende beim olympischen Marathon in Peking starten. Stattdessen tastet sie sich derzeit vorsichtig ans Sporttreiben heran, um irgendwann wieder richtig ins Training und in ihren Alltag als Teilzeitwanderin einzusteigen.

SZ: Frau Maisch, wandert eine Marathon-Europameisterin anders als der Normalgipfelbesteiger?

Ulrike Maisch: Es gibt schon einen Unterschied zwischen Wandern und Spazieren. Meistens gehe ich im Höhentrainingslager in St.Moritz zum Wandern, und da versuche ich, ziemlich flott zu gehen. Aber ich glaube, ich bin doch eher ein langsamer Geher. Bergauf ist es schon ganz schön anstrengend, das geht auf Puste und Puls. Bergab ist es nicht so toll, aber es bringt viel Kraft in den Beinen.

SZ: Berge und Leistungssportler aus olympischen Disziplinen, so hat man den Eindruck, passen nicht so recht zusammen. Zumindest sind wenig bergaffine Athleten bekannt.

Maisch: Es kommt wohl eher darauf an, wo man aufgewachsen ist. Menschen, die am Meer zu Hause sind, mögen die Ebene lieber.

SZ: Aber der für Ausdauersportler positive Effekt der Höhe wird von Läufern schon genutzt?

Maisch: Auf jeden Fall. Soviel ich weiß, wandert von den Athleten, die in St.Moritz trainieren, außer mir jedoch keiner. Die laufen vor allem.

SZ: Warum haben Sie sich dann für diese Trainingsform entschieden?

Maisch: Eigentlich mache ich ja nur, was mir mein Trainer Klaus-Peter Weippert rät, und der ließ mich schon immer viel alternatives Training machen, viel im Wasser, auf dem Rad. Und in St.Moritz, wo viele Läufer immer wieder ihr Höhentrainingslager beziehen, hat sich das Wandern wegen der Berge eben angeboten. In Rostock, wo ich lebe, im Flachen, würde das nicht viel bringen. Man hat da einfach nicht den Trainingseffekt, deshalb mache ich hier verstärkt Aquajogging und fahre Rad. Ich laufe ohnehin nicht viel, weniger zumindest als andere Marathonläufer – da mussten wir uns eine Alternative suchen. Das Wandern war eine gute.

SZ: Warum laufen Sie nicht so viel? Wegen Ihrer Verletzungsanfälligkeit?

Maisch: Ich bin in all den Jahren nie wirklich viel gelaufen und hatte trotzdem Erfolg. Ich finde das vom Kopf her einfacher, immer mal wieder etwas anderes zu machen, als zu laufen. Es macht viel mehr Spaß.

SZ: Hatten Sie als Rostockerin am Anfang Anpassungsprobleme an die Bergwelt?

Maisch: Ich habe eine kleine Hassliebe zu Bergen. Eigentlich mag ich gar keine Berge. Aber ich weiß, dass Berge gut für mich sind, rein trainingstechnisch. Aber nach drei, vier Wochen St.Moritz kann ich keine Berge mehr sehen. Dann bin ich froh, wenn wir die Autobahn entlangfahren, es wieder flach wird und man wieder weit sehen kann. In den Bergen wohnen könnte ich gar nicht, das würde mich erdrücken.

SZ: Wie lange sind Sie unterwegs, wenn Sie im Trainingslager wandern?

Maisch: Ganz unterschiedlich, meine lange Tour war immer so zwischen sieben und acht Stunden. Eine andere Trainingseinheit umfasste: zwei Stunden hochwandern, oben laufen auf einer Finnenbahn (speziell fürs Lauftraining angelegte Strecke mit weichem Bodenbelag, d. Red.), dann wieder zwei Stunden zurückwandern. Wir haben das Wandern oft mit anderen Übungen verbunden, damit die Einheit lange wurde. Ich sollte mich an die Dauer eines Marathons gewöhnen.

SZ: Ist die Belastung beim Wandern gleichzusetzen mit der Belastung bei einem langen Lauf?

Maisch: Wenn ich nach den langen Wanderungen zu Hause war, war ich schon ziemlich müde. Aber man erholt sich schneller von acht Stunden Wandern als von einem 30-Kilometer-Dauerlauf. Der geht mehr auf die Knochen.

SZ: Haben Sie schon einmal überlegt, an einem Berglauf teilzunehmen, was zur Zeit ja sehr populär ist?

Maisch: Nein, das wäre wohl nichts für mich. Laufen möchte ich dann doch lieber flach und schnell. Obwohl, wenn ich jetzt so darüber nachdenke, inzwischen bin ich ja so oft in Bayern – also, wenn ich mir das wirklich antun sollte, dann, um mal etwas völlig Neues zu machen.

SZ: Nehmen Sie bei Ihren Trainingswanderungen die Natur noch richtig wahr? Mit ruhigen Blicken ins Land und allem, was das Wandern schön macht?

Maisch: Es kommt darauf an. Wenn ich so richtig müde bin, dann denke ich nur noch: oh, bloß nach Hause. Weg geradeaus, Kopf runter und durch. Aber wenn schönes Wetter ist, hat man eine gute Sicht, das ist richtig schön. Es ist ein bisschen abhängig von der Tagesform. Wenn ich keine Lust habe, dann habe ich meine Musik an und verliere mich in meinen Tagträumen.

SZ: Denkt man anders beim Wandern als beim Laufen? Kann man beim Laufen weniger tagträumen?

Maisch: Finde ich schon. Beim Laufen achtet man eher auf die Zwischenzeiten, schaut, ob man schnell genug ist oder langsamer geworden ist. Ja, beim Wandern schalte ich mehr ab. Beim Laufen horcht man eher in sich hinein: Sollte ich vielleicht langsamer laufen, damit ich das durchhalte? Oder: Da hinten kommt noch der Berg, hoffentlich komme ich da hoch. Wandern ist für den Kopf einfacher, glaube ich.

SZ: Stoppen Sie dabei die Zeit?

Maisch: Nein, ich schaue nur auf die Uhr, wann ich ungefähr loswandere und wann ich ankomme. Es gibt keine Streckenbestzeit.

SZ: Ist das für Sie auch das Angenehme am Wandern, dass es dabei nicht dieses absolute Maß für gute Form gibt?

Maisch: Schon ein bisschen. Obwohl es manchmal auch schwer ist. Man geht ja schon ziemlich früh los. Zu wissen, dass man die nächsten sieben, acht Stunden unterwegs ist, ist nicht ganz einfach.

SZ: Hat die Bergwelt für Sie nicht auch etwas Tröstendes?

Maisch: Inwiefern?

SZ: Nun, zum Beispiel nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Spiele in Peking.

Maisch: Gar nicht. Wie schon gesagt, ich mag die Berge eigentlich nicht. Freiwillig würde ich da nicht hingehen.

SZ: Haben Sie nach der verpassten Olympia-Qualifikation von Kolleginnen und anderen Trainern Kritik gehört an Ihrer Trainingsstrategie mit dem Wandern?

Maisch: So direkt nicht. Es war eher andersrum: Nach meinem EM-Sieg 2006 haben mich viele gefragt, hauptsächlich Freizeitsportler, wie ich trainiere. Die fanden das ganz witzig, dass ich auch andere Sachen mache außer Laufen. Da war die Nachfrage relativ groß. Jetzt nicht mehr, denn es lag ja nicht am Training, dass es bei mir zuletzt nicht lief, sondern an Verletzungen und Krankheiten. Ich glaube, das wissen die meisten auch.

SZ: Sie waren vor den Spielen in Peking. Es gibt Bilder von Ihnen, wie Sie auf der Mauer laufen.

Maisch: Das war aus Werbezwecken. Leider hatten wir nur drei Tage, davon einen auf der Mauer. Es war insgesamt ein tolles Erlebnis, aber auch ziemlich anstrengend. Zum einen war es höllisch kalt. Außerdem gibt es sehr steile Abschnitte auf der Mauer, die wir immer wieder hoch- und runterlaufen mussten. Es hat trotzdem Spaß gemacht und die Fotos entschädigen ja auch dafür.

SZ: Zumindest ist die Luft in den Bergen wie auch in Rostock am Meer besser als in Peking.

Maisch: Ja, das ist aber auch das einzig Gute. Dort momentan einen Marathon zu laufen, ist kein Vergnügen.

Interview: Thomas Hahn und Dominik Prantl in der Süddeutschen Zeitung, Donnerstag, dem 14. August 2008

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