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2008

So ist z.B. beim Boston-Marathon bei der Studie von Almond et al. pro Meile eine Wasserstation verfügbar gewesen. Zusammen mit den teilweise noch propagierten Empfehlungen soviel zu trinken wie möglich, ist das Risiko einer Hyponatriämie deutlich erhöht. Von daher sollten keine generellen Trinkempfehlungen mehr gegeben werden.

Laufen und Elektrolytstoffwechsel: Die Hyponatriämie bei Marathonläufern – Dr. med. Thomas Bobbert – Charité Berlin – Campus Benjamin Franklin – Folge III – Referat beim Münsteraner Marathon-Medizin-Symposium am 16.08.2008

By GRR 0

Die Hyponatriämie bei Marathonläufern bzw. bei Ausdauersportlern stand lange Zeit eher im Hintergrund, wenn man sich mit akuten Komplikationen bei Ausdauersport beschäftigte. Es wurden immer wieder einzelne Fälle publik. In den Fokus der Öffentlichkeit trat die Hyponatriämie bei Ausdauersport 2005 durch die Arbeit von Almond et al. „Hyponatremia among Runners in the Boston Marathon” im New England Journal of Medicine. 

Obwohl diese Arbeit mit Sicherheit viele Kritikpunkte bietet, zeigten sich bei 13 % der ca. 500 Studienteilnehmern eine Hyponatriämie, was umgerechnet bedeuten würde, dass ca. 1900 Teilnehmer des Boston Marathon im Ziel eine Hyponatriämie entwickelt haben müssten.

Die wesentliche Stellgröße im Wasserhaushalt ist die Serumosmolalität. Sie wird gesteuert durch das Renin-Angiotensin-System, das ANP und vor allem durch das ADH bzw. Vasopressin. Die Hyponatriämie ist dabei definiert als eine Störung der Flüssigkeits- und Elektrolytbalance, charakterisiert durch eine relativen Überschuss des Gesamtkörperwassers- im Verhältnis zum Gesamtkörpernatrium-Anteil. Laborparametrisch ist dies meistens definiert als ein Serum-Na < 135 mmol/l und ist eine der häufigsten Elektrolytstörung. Bei hospitalisierten Patienten wird sie in größeren Studien in bis zu 20 % der Fälle beobachtet.

Im Allgemeinen ist neben der Bestimmung des Serumnatriums und der Serumosmolalität, die Bestimmung des Urinnatriums und der Urinosmolalität wegweisend in der Diagnostik der Hyponatriämie. Neben den Laborparametern ist auch die klinische Abschätzung des Extrazellulärvolumens von wesentlicher Bedeutung. Anhand dieser Werte kann relativ einfach bestimmt werden, in wieweit z.B. ein größerer Natrium-Verlust als ein Wasserverlust, wie bei einer Diuretika induzierten Hyponatriämie, ein reiner Wasserüberschuß wie beim SIADH oder ein größerer Natrium-Überschuß als ein Wasserüberschuß, wie im Rahmen einer akuten kardialen Dekompensation , ursächlich für die Hyponatriämie ist.

Eine Hyponatriämie verursacht v.a. neurologische Symptome, wobei bis zu einem Serumnatrium von bis zu 120 mmol/l häufig auch keine neurologischen Beschwerden bemerkt werden. Bei niedrigeren Werten  kommt es dann jedoch zur Desorientierung, Stupor, Koma und Krämpfen.
Hinsichtlich der Pathophysiologie der Hyponatriämie bei Ausdauersport bzw. Exercise associated Hyponatremia (EAH) sind 4 Punkte von wesentlichem Interesse: 1. vermehrter Natriumverlust, 2. vermehrte Flüssigkeitszufuhr, 3. gestörte hormonelle Regulation und 4. endogene Wasserproduktion

Hinsichtlich eines möglichen vermehrten Natriumverlustes wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass der Natriumverlust in Personen die eine Hyponatriämie entwickeln, genauso hoch oder sogar geringer ist als in Personen die normonatriäm bleiben (z.B. Irving et al., 1991), so dass die These eines vermehrten Natriumverlustes als Ursache der Hyponatriämie nicht gehalten werden kann.

Deutlich anders sieht es mit der These der vermehrten Flüssigkeitszufuhr auf. Hier wurde in mehreren Studien gezeigt, dass eine hohe Zufuhr von Flüssigkeit das Risiko einer Hyponatriämie deutlich erhöht. So konnte z.B. Hew et al. 2003 zeigen, dass sowohl bei Zufuhr von Wasser oder Glukose-haltigen Getränken das Serumnatrium im Ziel umso niedriger lag, umso mehr Becher während des Laufens getrunken wurden. Ebenso in der Arbeit von Almond et. al, konnte gezeigt werden dass je häufiger die Läufer anhielten um zu trinken ums eher entwickelten sie eine Hyponatriämie.

In dieser Arbeit wurde außerdem das Körpergewicht vor dem Lauf und nach dem Lauf bestimmt und auch hier zeigte sich, dass desto geringer der Gewichtsverlust bzw. sogar je höher die Gewichtszunahme war, desto höher war das Risiko einer Hyponatriämie.

Hinsichtlich einer gestörten hormonellen Regulation konnte mehrfach gezeigt werden, dass Personen die eine EAH entwickelten, normale ADH- bzw. sogar erhöhte ADH-Spiegel besaßen (z.B. Siegel et  al., 2007). Normale ADH-Spiegel sind im Rahmen einer Hyponatriämie jedoch als pathologisch anzusehen und deuten auf eine dem SIADH ähnelnde Pathophysiologie hin. Inwieweit eine ADH-Ausschüttung unabhängig von der Serumosmolaltität, z.B. durch körperliche Betätigung, Endorphinausschüttung, Hypotension, Übelkeit oder Erbrechen ausgelöst wird, muss dabei noch weiter untersucht werden.

Ein möglicher neuer Ansatzpunkt könnte auch die Bestimmung von Copeptin sein, welches einfacher messbar ist und in gleichen Mengen wie ADH ausgeschüttet wird.
Häufig wird vergessen, dass ein Gewichtsverlust von 1-2 % bei einem Marathon alleine durch den Substratverbrauch erzielt wird und damit ein konstantes Gewicht vor und nach dem Marathonlauf schon Anzeichen einer „Überwässerung“ sein kann. Zudem muss bedacht werden, dass durch die Oxidation von Glucose und Fettsäuren bzw. auch beim Verbrauch von Glykogen Wasser freigesetzt wird.

Hierzu ist die Datenlage relativ schwach, aber es gibt durchaus Hinweise, dass die endogene Wasserproduktion beim Substratabbau einen gewissen Anteil zur Regulation des Wasserhaushaltes beiträgt.

Zusammenfassend erhöhen folgende Faktoren das Risiko einer Hyponatriämie:
–  exzessive Flüssigkeitszufuhr
–  Gewichtszunahme während körperlicher Aktivität
–  geringes Körpergewicht
–  Geschlecht : Frauen sind häufiger betroffen als Männer
–  langsames Lauftempo
– Unerfahrenheit
– Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika
– prädisponierende Erkrankungen (SIADH, Diuretika,…)
– hormonelle Dysregulation
– lange Veranstaltung (mehr als 4h Dauer)
– extreme Temperaturen
– hohe Verfügbarkeit von Flüssigkeit

Besonders der letzte Punkt erscheint von wesentlicher Bedeutung. So ist z.B. beim Boston-Marathon bei der Studie von Almond et al. pro Meile eine Wasserstation verfügbar gewesen. Zusammen mit den teilweise noch propagierten Empfehlungen soviel zu trinken wie möglich, ist das Risiko einer Hyponatriämie deutlich erhöht.
Von daher sollten keine generellen Trinkempfehlungen mehr gegeben werden.

Bei der hohen Variabilität der Teilnehmer, der Außenbedingungen und der Veranstaltungen erscheint die Trinkempfehlung „ad libitum“, bzw. Trinken nach Durst die aktuell sinnvollste Empfehlung zu sein. Näheres hierzu auch im sehr empfehlenswerten Vortrag/Artikel von Dr. Schomaker.

Weiterhin sollte den Läufern empfohlen werden, sich beim Training vor und nach dem Laufen zu wiegen um eine Einschätzung ihres Trinkverhaltens zu bekommen. Eine Empfehlung zu isotonischen oder Natrium-haltigen Getränken kann aktuell nicht gegeben werden, da zum einen Natriumhaltige Getränke häufig auch hypoton sind und zum anderen auch isotone Getränke bei einem Wasserüberschuß, wie beim EAH, keine wesentliche Wirkung auf den Natriumhaushalt haben.

Auch der Einsatz von Natrium-Tabletten kann aktuell nicht empfohlen werden, da hier häufig andere unerwünschte Nebenwirkungen auftraten.
Beim Auftreten einer Hyponatriämie sollte therapeutisch zwischen einer asymptomatischen und symptomatischen Hyponatriämie unterschieden werden. Asymptomatische Hyponatriämien, z.B. im Rahmen einer Studienuntersuchung, bedürfen zunächst keiner weiteren Intervention, jedoch sollte mit der Flüssigkeitszufuhr erst wieder begonnen werden, wenn auch die Urinproduktion wieder eingesetzt hat.

Bei auftretenden Beschwerden sollte jedoch eine umgehende Wiedervorstellung erfolgen. Bei einer symptomatischen Hyponatriämie ist das wesentliche Ziel, das verhindern eines Hirnödems. Neben symptomatischen Maßnahmen, wie z.B. der Gabe von Sauerstoff hat sich die Gabe von 100 ml 3% NaCl-Lösung i.v. bewährt (bis zu 3x im Abstand von 10 min).

Im Verlauf sollte eine Überwachung des Patienten erfolgen und eine genaue Bilanzierung bzw. auch eine weitere Abklärung.

Dr. med. Thomas Bobbert
Dept. of Endocrinology, Diabetes and Nutrition
Charité – Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30
12200 Berlin
Tel: 0049/30/84452114
Fax: 0049/30/84454204

 

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