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31
10
2008

Laufen und auch Nordic Walking haben sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Doch können oder sollen ältere, bisher körperlich inaktive oder von Altersbeschwerden geplagte Menschen noch auf den fahrenden Zug der Gesundheitswelle aufspringen?

Fit im Alter, aber wozu? Dr. Dieter Kleinmann – „Geradezu frappierend sind die Parallelen zwischen Altern und Bewegungsmangel.“

By GRR 0

Der leider zu früh verstorbene Prof. Richard Rost (Sporthochschule Köln) hätte gern eine Antwort gehabt auf ketzerische Fragen, wie er in einem Artikel  einmal schrieb, nämlich ob Vorbeugung nicht noch mehr ältere Menschen schafft und damit noch mehr Kosten, ob Prävention damit nicht volkswirtschaftlicher Unsinn sei und ob Jogger von daher nicht sogar höhere Krankenkassenbeiträge entrichten sollten.

Laufen und auch Nordic Walking haben sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Doch können oder sollen ältere, bisher körperlich inaktive oder von Altersbeschwerden geplagte Menschen noch auf den fahrenden Zug der Gesundheitswelle aufspringen? Vor allem die positive Beeinflussung der Risikofaktoren Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Fettsucht usw. durch Ausdauertraining erhöht die Chance, ein hohes Alter bei geistiger und körperlicher Fitness zu erreichen.

So fanden Yates und Mitarbeiter, dass der Anteil der heute 70-Jährigen, die 20 weitere Jahre leben, 54 % beträgt, wenn keine Risikofaktoren vorliegen. Je nach Anzahl und Art der Risikofaktoren wird der Anteil derjenigen vermindert, die 90 Jahre und älter werden. Z. B. werden statistisch gesehen nur 4% der heute 70-Jährigen Raucher mit Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes und Bewegungsmangel 90 Jahre alt.

Geradezu frappierend sind die Parallelen zwischen Altern und Bewegungsmangel. Ein extremer Bewegungsmangel, z.B. die Bettruhe, bewirkt ebenso wie das Altern eine Abnahme des Herzschlagvolumens und des Herzminutenvolumens, also der pro Minute gepumpten Blutmenge. Saltin und Rowell fanden beispielsweise nach Ruhigstellung ein Absinken des Herzminutenvolumens bei maximaler Belastung von 20 auf 14,8 l/Min. und des Schlagvolumens von 104 auf 74 ml. –

Der vermehrte Wasserverlust des Organismus ist eine weitere Parallele zwischen Altern und körperlicher Untätigkeit. Bekanntlich hat der Säugling noch einen Wasseranteil von rund 90 %. Im Alter von 25 Jahren wird ein Wasseranteil von 62 % des Körpergewichts  angegeben, mit 75 Jahren nur noch 53% . Mehrere Autoren konnten an Bettlägrigen eine Abnahme des Plasmavolumens feststellen. Das vermehrte Schwindelgefühl mit Ohnmachtsneigung bei alten und körperlich Inaktiven, insbesondere Bettlägrigen ist allgemein bekannt und in erster Linie auf die Verlagerung von Flüssigkeitsvolumina zurückzuführen.

Diese orthostatischen Störungen nach Ruhigstellung lassen sich verhindern, wenn bereits im Bett ein Übungsprogramm durchgeführt wird. – Das Altern wird in erster Linie dadurch gefördert, dass Fähigkeiten und Funktionen, die nicht gebraucht werden, verkümmern!

In zahlreichen Studien wurde eine trainingsbedingte Lebensverlängerung über verschiedene Wirkmechanismen nachgewiesen, siehe https://www.germanroadraces.de/245-0-6885-mit-70-noch-spitze-auswirkungen-eines-lauftrainings.html . Eine solche Lebensverlängerung mit den damit verbundenen sozialen Problemen (demografische Entwicklung, Renten- und Pflegeversicherung usw.) macht Rosts „ketzerische Fragen“ durchaus verständlich. Manch einer oder eine wird sich daher auch fragen, wozu überhaupt ein mühsames Training und Fitness im Alter?

Offensichtlich herrscht weit verbreitet auch bei jungen Leuten noch die Meinung vor, im Ruhestand habe man schließlich die Ruhe verdient. Entsprechend mutet und traut man Älteren keine anspruchsvollen Tätigkeiten mehr zu.

Bereits Cicero (106 bis 34 vor Christus) hat in seiner Schrift "Cato Maior de Senectute" („Cato der Ältere über das Greisentum“) vier Gründe herausgestellt, die den Alterungsprozess fördern. Sie sind heutzutage durch die empirische, methodisch abgesicherte Forschung weitgehend bestätigt:

1. Die Verwehrung einer ergiebigen Tätigkeit, das Verurteiltsein zur Passivität.
2. Die körperliche Schwächung und körperlichen Beschwerden.
3. Die Beraubung der Vergnügen, der Verzicht bzw. das Ausgeschlossenwerden von den angenehmen Erfahrungen und Folgen des Lebens.
4. Das Bewusstsein der Todesnähe.

Es konnte gezeigt werden, dass körperliche Übungsprogramme den geistigen Verfall im Alter aufhalten oder teilweise rückgängig machen konnten. Ein Fitnesstraining hat demnach einen positiveren Einfluss auf das gesamte Gehirn, fördert also die geistigen Fähigkeiten des älteren Erwachsenen.  Larson und Mitarbeiter konnten beispielsweise in einer prospektiven Studie mit 1740 Personen zeigen,  dass regelmäßige körperliche Aktivität mit einem wesentlich geringerem Demenzrisiko im Alter verbunden ist.

Dabei wurde körperliche Aktivität als mindestens 15minütiges Training (Gehen, Schwimmen, Radfahren usw.) dreimal wöchentlich definiert. In einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich 6,2 Jahren traten 158 Demenzfälle auf, davon 107 Fälle von Alzheimer-Krankheit. Auch unter Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren wie Rauchen, Bildung und Bluthochdruck hatten die körperlich Aktiven ein um 32 Prozent geringeres Risiko, an Demenz zu erkranken.

Eine Studie an 5925 Frauen (Alter über 65) ergab in einem Beobachtungszeitraum von 8 Jahren durch Walking einen geringeren Abfall kognitiver Leistungen wie Erkennen, Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Kreativität etc.. In einer weiteren Studie war körperliche Aktivität bei 1919 Probanden im Alter von 43 bis 53 Jahren mit besserer Gedächtnisleistung verbunden. Colcombe und Mitarbeiter stellten mittels MRT (Magnetresonanz-Tomographie, Kernspin) an über 55jährigen Menschen abhängig vom Fitnessgrad einen geringeren Verlust an Hirnsubstanz (Hirnrinde) fest.

Das Gehirn stärken durch Bewegungstraining, soziale Kontakte, Wahrnehmung der Umgebung mit allen Sinnen (Sehen, Riechen, Hören etc.), neue Aufgaben und Ziele!
Eine eintönige reizarme Umgebung in Verbindung mit Bewegungsmangel, falscher Ernährung und evtl. zusätzlichem Rauchen fördern das Altern. Männer, die aus dem Berufsleben ausscheiden, Mütter, deren Kinder aus dem Haus gehen, ältere Leute die sich zunehmend sozial isolieren usw. laufen Gefahr, vorzeitig zu altern, sich körperlich und geistig nicht mehr fit zu fühlen. Hinter vermeintlichen Alterungsprozessen verbirgt sich häufig ein mangelnder Trainingszustand und zwar in körperlicher wie auch geistiger Beziehung.

Nicht aufhören, weitermachen, ständiges Üben in allem, "man fange nie an, aufzuhören – und man höre nie auf, anzufangen", so lautet der Ratschlag für ein erfolgreiches Altern. Wer weniger aktiv ist, weniger unternehmungslustig, ist häufiger unzufrieden und klagt über Krankheiten. Langeweile kennt der ältere Langstreckenläufer bzw. Walker nicht. Er ist zukunftsorientiert, hat nicht den Tod vor Augen. Er hat Ziele. Er bereitet sich z. B. von Volkslauf zu Volkslauf bzw. Volkswandern vor und zwar nicht nur körperlich, sondern auch geistig, insbesondere wenn die Veranstaltungen mit touristischen Zusatzprogrammen verbunden sind, z.B. Läufe in attraktiven Städten, reizvollen Landschaften im In- und Ausland.

Mittlerweile wurde auch von der Wirtschaft erkannt, dass die unternehmungsfreudigen rüstigen „Alten“ durchaus eine lohnenswerte Zielgruppe darstellen, nicht nur in Bezug auf „Anti-Aging“- Maßnahmen und -Produkten.

Alterssportler werden eine Leistung von sich erwarten. Doch sollte es eine Leistung ohne Zwang hinsichtlich einer bestimmten Zeitvorgabe oder einer bestimmten Streckenlänge sein. Ein Leistungsvergleich mit sich ("was kann ich noch trotz des Alters?" Oder "was kann ich trainingsbedingt wieder?") ist ebenso üblich und motivierend wie der Leistungsvergleich mit Gleichaltrigen oder sogar wesentlich jüngeren Inaktiven. Auch alte Leute haben ein Leistungsbedürfnis und lassen sich gerne bewundern, wenn sie trotz ihres Alters noch sportliche Erfolge vorweisen können.

Diese Erfolge sind zur weiteren Motivation notwendig. Das Training muss sich also lohnen. Ein solcher Lohn ist beispielsweise die Teilnahme an traditionellen Marathonläufen oder Wanderungen wie beispielsweise auf dem Rennsteigwanderweg.

Die Alterungsprozesse ähneln denen bei Bewegungsmangel. Sie sind durch Ausdauertraining günstig zu beeinflussen (aus Kleinmann, D.: Laufen und Walking im Alter. Gesundheitliche Auswirkungen und Trainingsgrundsätze aus sportmedizinischer Sicht. Springer Wien New York 2006)

Dr. med. Dieter Kleinmann
Internist/Sportmedizin
Frisonistr. 7
70736 Fellbach
Tel.: 0711 514542
Fax : 0711 1612204
E-Mail: dr.kleinmann@vr-web.de
 
Zum Buch: 

Laufen und auch Nordic Walking haben sich zu einem Massenphänomen entwickelt. Doch können oder sollen ältere, bisher körperlich inaktive oder von Altersbeschwerden geplagte Menschen noch auf den fahrenden Zug der Gesundheitswelle aufspringen?

Dieses Buch liefert die Antwort. Der Autor, ein erfahrener Sportmediziner und Internist, informiert Sie über Voraussetzungen, Trainingsgrundsätze und was Sie oder Ihre Patienten berücksichtigen müssen, wenn sie mit diesem Sport beginnen möchten. Er unterscheidet dabei zwischen dem Training aus gesundheitlichen Gründen und einem leistungsorientierten Training.

Neue Forschungserkenntnisse, etwa hinsichtlich der Endothelfunktion bei der„Arterienverkalkung“ sowie Trainingsauswirkungen auf Bluthochdruck, Durchblutungs- und Fettstoffwechselstörung, Zuckerkrankheit, Atemwegserkrankungen und Arthrose runden das Buch gelungen ab.
 

 

author: GRR

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