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18
01
2009

Mein Tipp: Wenn Ihr Arzt Ihnen eine Spiegelung vorschlägt, fragen Sie nach dem Grund. Besteht der Verdacht auf eine Verletzung, wird der Eingriff seinen Grund haben. Ist es „nur“ die allgemeine Abnutzung, sieht es schon anders aus.

Dr. Hartmut WEWETZER – Das Kreuz mit dem Knie – Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin Heute: Gelenkspiegelungen – oft unnötig

By GRR 0

Wenn man älter wird, machen die Knie häufig Probleme. Die Kniegelenke haben viel auszuhalten und besitzen mit ihren Bändern, Menisken und Gelenkflächen eine komplizierte Architektur. Irgendwann stellt sich die Arthrose ein, ein oft schmerzhafter Gelenkverschleiß. Häufig werden in diesen Fällen Gelenkspiegelungen gemacht.

Dabei führt der Arzt feine Instrumente über kleine Schnitte in das Kniegelenk ein, die Gelenkflüssigkeit wird gespült, die Gelenkflächen gesäubert und geglättet. Nun stellt sich heraus: Diese Prozedur kann man sich auch sparen, die Behandlung etwa mit Medikamenten und Krankengymnastik ist genauso gut.

Herausgefunden haben das Ärzte der Universität von West-Ontario in Kanada. Sie verglichen zwei Formen der Behandlung von Kniegelenksarthrose. Die Patienten litten unter mittelgradigem bis schweren Gelenkverschleiß und waren um die 60. Die eine Hälfte der Kranken erhielt Medikamente und Krankengymnastik, die andere zusätzlich eine Gelenkspiegelung mit Spülung und Glättung des Gelenks. Nach zwei Jahren gab es keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen, was Beweglichkeit und Beschwerden anging. „Wir glauben, dass diese Studie endgültig beweist, dass die Prozedur unwirksam ist“, sagt Brian Feagan, Leiter der Untersuchung, zur Gelenkspiegelung.

Schon 2002 war der Amerikaner Bruce Moseley vom Veteranenkrankenhaus in Houston zum gleichen Ergebnis gekommen. Seine Untersuchung war noch penibler. Die Hälfte der Patienten bekam sogar eine Scheinoperation. Sie wussten also nicht, ob sie „gespiegelt“ worden waren oder nicht. Aber viele Orthopäden begegneten Moseley mit Unglauben oder feindeten ihn an. Jetzt ist klar: Er hat recht.

Doch es gibt auch gute Gründe für eine Kniespiegelung, etwa Schäden an den Bändern oder den Menisken, die grob gesagt als „Stoßdämpfer“ im Gelenk fungieren. „Etwa 60 bis 70 Prozent der Menschen, die eine Arthrose haben, haben auch einen Meniskusschaden“, schätzt der Chirurg Jens Osel vom Unfallkrankenhaus Berlin. Ein Riss in einem der Menisken tritt häufig bei einer Drehung im Kniegelenk auf. Bei einer Spiegelung kann der Meniskus repariert werden.

Mein Tipp: Wenn Ihr Arzt Ihnen eine Spiegelung vorschlägt, fragen Sie nach dem Grund. Besteht der Verdacht auf eine Verletzung, wird der Eingriff seinen Grund haben. Ist es „nur“ die allgemeine Abnutzung, sieht es schon anders aus.

Was aber kann man tun, damit die Knie möglichst lang jung bleiben? Nicht etwa Ruhe im Gelenk, sondern regelmäßige Bewegung ist das Beste fürs Knie, sagt der Orthopäde Josef Zacher vom Helios-Klinikum in Berlin-Buch. Zu empfehlen sind zügiges Gehen, Joggen, Radfahren, Schwimmen. Aber beim Laufen sollte man es nicht übertreiben – ein Marathon etwa ist eine Last für die Gelenke.

Leider haben wir das Schicksal unserer Knie nicht völlig in der Hand. Auch unsere Erbanlagen haben ein Wörtchen mitzureden. Andererseits: Wenn Ihre Eltern im Alter noch gut zu Fuß waren, sollte Sie das gelassen stimmen.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels. Sonntag, dem 21. September 2008

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