Oder auch zu dem Namen eines „deutschen Top-Läufers“, ein Deutscher Meister 2009, den Stefan Matschiner, ein erstaunlich redseliger österreichischer Leichtathletik-Manager und weiterer Gewährsmann dieser Doku, mit Designer-Steroiden versorgt haben will
Doping – Wie laufen sie denn? Eine spannende Reportage über die Doping-Drahtzieher in der Leichtathletik. Markus Ehrenberg im Tagesspiegel – „Geheimsache Doping“, Mittwoch, ARD, 0 Uhr
In drei Tagen beginnt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin: ein großes Fest oder eine große Bühne des Betrugs? Mit diesen Worten schließt am Mittwoch eine mit Spannung erwartete ARD-Dokumentation zum Thema Doping in der Leichtathletik. Die Antwort auf die Frage fällt nach 30 Minuten nicht schwer.
Wenn nur ein Bruchteil von dem wahr ist, was da Hintermänner, Drogenhändler, Teamärzte und Manager den ARD-Reportern in die Kameras sagen und zeigen, ist die Leichtathletik-WM in Sachen sauberer Sport genauso wenig ernst zu nehmen wie die kürzlich beendete Tour de France.
Wie sollte sie auch? Dass Dopingbluttests laut Leichtathletik-Weltverband in einem Großteil der Welt gar nicht möglich sind, hatte am Dienstag der Tagesspiegel berichtet. Die Autoren Hajo Seppelt und Robert Kempe liefern nun Bilder dazu und mehr, auch wenn der „hochkarätige Insider“, der Ex-Drogenbeschaffer Angel Heredia, schon früher mal im „Spiegel“ ausgepackt hat.
Hier äußert sich Heredia in Mexiko-Stadt erstmals vor der Kamera, führt die Reporter in das „Kinderspiel“der Drogenherstellung und Weiterverbreitung in die USA und Europa ein. Eine heikle Recherche. Offenbar berät der Kronzeuge der US-Justiz, der rund 45 Spitzenathleten „betreute“, immer noch Sportler und wird wieder polizeilich gesucht, aber dazu mochten sich die Autoren bei der Vorstellung des Films konkret genauso wenig äußern wie zur Art der Kontaktaufnahme mit diesem Herrn Heredia.
Oder auch zu dem Namen eines „deutschen Top-Läufers“, ein Deutscher Meister 2009, den Stefan Matschiner, ein erstaunlich redseliger österreichischer Leichtathletik-Manager und weiterer Gewährsmann dieser Doku, mit Designer-Steroiden versorgt haben will. Die ARD-Reporter kennen den Namen des deutschen Spitzensportlers, der wohl auch bei dieser Leichtathletik-WM startet, nennen ihn aber aus nachvollziehbaren juristischen Gründen nicht.
Griffiger wird es vor Ort in Jamaika. Nicht unbedingt im Interview mit dem Sprintstar und WM-Favoriten Usain Bolt („Ich habe niemals gedopt und wurde auch niemals in Versuchung geführt“), sondern mit ziemlich deutlichen Ungereimtheiten, was die Arbeit der Dopingtester in Jamaika betrifft. Erst kürzlich wurden dort fünf Top-Sprinter des Dopings verdächtigt. Vermutet wurde es schon länger, aber mit dieser Doku ist so gut wie sicher: Es gibt in Jamaika keine unangemeldeten Trainingskontrollen, kein Anti-Doping-Programm in diesem traditionell großen Leichathletik-Land. Da können sich die Sportministerin, Jamaikas ehemaliger Teamarzt und der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) noch so sehr um eine klare Aussage winden.
Klare Aussagen, Namen, letztgültige Beweise – das bleibt eine Schwachstelle dieses Features, Ergebnis neunmonatiger Arbeit und von Reisen um die halbe Welt, anders ist das bei diesem Thema aber auch nicht zu erwarten. Ein Puzzlespiel. Seppelt und Kempe sind akribische Indiziensammler, angewiesen auf Aussagen, Listen und Gebrauchsanweisungen („Am Samstag nimmst du sechs Stunden vor dem Rennen das Steroid“), die ihnen durchaus zweifelhafte Zeitgenossen wie der ehemalige Drogendealer Victor Conte, Angel Heredia oder eben Matschiner liefern.
Dieser bringt mit dem Hinweis auf „korrupte Dopingkontrolleure in Mitteleuropa“ den spektakulärsten Fund der Langzeitrecherche. Urinprobe und Geld im Koffer – da bliebe entgegen den Beteuerungen der Spitzenfunktionäre mitten in Europa manche positive Dopingprobe einfach mal so unerkannt, und das eben nicht nur im Radsport, sondern in der olympischen Kernsportart Nummer eins.
Es gebe gar kein wirkliches Interesse an Dopingbekämpfung in der Weltleichtathletik, sagt Heredia, vielmehr eine Menge Leute, die an dem System mitverdienten. Es ist ein Verdienst dieses Features, den Alibicharakter des Kontrollsystems in den Raum zu stellen, ohne sich allzu sehr angreifbar zu machen. Einziger Nachteil: „Geheimsache Doping“ ist offenbar so geheim, dass die ARD die gute Arbeit ihrer Leute zu nachtschlafender Zeit sendet, anstatt stolz darauf hinzuweisen, dass so etwas im gebührenfinanzierten Jubel-Fernsehen noch möglich ist.
Die investigative Reportage läuft quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Immerhin wird es interessant zu beobachten sein, wie die ARD-Sportreporter ab Samstag bei der Kommentierung des großen Fests in HDTV mit den Doping-News aus eigenem Hause umgehen.
„Geheimsache Doping“, Mittwoch, ARD, 0 Uhr