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24
09
2009

Nicht zuletzt ist bei Sprunggelenkverletzungen auch die psychische erste Hilfe wichtig. Dazu gehört, dass der Ersthelfer sich dem Verletzten vorstellt und ihm sein Handeln in ruhigem Ton und sachlich erläutert

Das lädierte Sprunggelenk – was tun, wenn’s nicht mehr läuft? Prof. Dr. Horst Rieger, Münster – Beitrag zum 2. Münsteraner Marathon-Medizin-Symposium

By GRR 0

Beim Laufen und Sportarten mit Sprungelementen wird das menschliche Sprunggelenk eingesetzt. Es gliedert
sich in ein oberes und ein unteres Sprunggelenk, die eine funktionelle Einheit bilden. Das obere
Sprunggelenk besteht aus dem unteren Schienbeinende, dem Innenknöchel (Teil des Schienbeins), dem
Außenknöchel (Teil des Wadenbeins) und dem Sprungbein.

Neben den Knochen, die das Gelenk bilden und im Gelenkbereich von Knorpel überzogen sind, ist es wie jedes Gelenk von einer Kapsel umgeben. Die Gelenkkapsel wiederum wird durch Bänder verstärkt.

Bei einem Unfall ist häufiger das obere Sprunggelenk betroffen. Insgesamt machen dessen Verletzungen etwa
30-50 % aller Sportverletzungen aus. Damit steht das obere Sprunggelenk in den meistens sportmedizinischen
Statistiken an Platz 1 der „Hit-Liste“. Meistens handelt es sich um Verletzungen des aus drei Anteilen
bestehenden Außenbandes, von der Zerrung bis zum kompletten Bänderriss (Abb. 1), entstanden durch ein
unfreiwilliges Umknicken.

Im Folgenden sollen einige wichtige Aspekte der Erstbehandlung des lädierten oberen Sprunggelenks dargestellt werden, die nicht nur für Läuferinnen und Läufer von Bedeutung sind.
Eine sehr wichtige Leitlinie für die Erstmaßnahmen, z.B. nach einem Umknicken, ist die PECH-Regel. Sie nennt
die 4 elementaren Behandlungsprinzipien: Pause, Eis, Compression, Hochlagerung.

Als erstes Prinzip der PECH-Regel wird die sportliche Aktivität beendet, also eine Pause eingelegt. Das zweite
Prinzip ist die Eis- bzw. Kälteanwendung (Kryotherapie), dass also frühzeitig dosiert gekühlt wird. Die
Kälteanwendung hat eine schmerzlindernde Wirkung, außerdem wird eine Einblutung in das verletzte Gewebe
gemindert und damit einer stärkeren Schwellung vorgebeugt. Die Kühlung kann z.B. mit einem Eislolli („Eis am
Stiel“) durchgeführt werden oder mit Eiswürfeln, die z.B. als Eisbrei zerkleinert in einen Plastikbeutel gegeben
werden.

Weitere Möglichkeiten sind so genannte Eiswasser-Packs, Cool Packs oder Kühlgel-Packungen aus dem Kühlschrank oder der Kühlbox. Wichtig ist, dass diese nicht in direkten Kontakt mit der Haut kommen. Es
empfiehlt sich, zur Vermeidung einer Erfrierung ein (Hand-)Tuch (oder elastische Binde, siehe unten) zwischen
Packung und Haut zu legen. Auch bei so genannten Kältesprays besteht die Gefahr einer lokalen Erfrierung.
Außerdem: Kein Eis auf offene Wunden!

Das dritte Prinzip der PECH-Regel ist die Kompression, also das Anlegen eines Druckverbands: Mit einer
Bandagierung soll ebenfalls die Schwellung verhindert werden. Eine Kompression ist auch deshalb wichtig, weil
es nach der Kälteanwendung zu einer gesteigerten Durchblutung (reaktive Hyperämie) kommt, die wiederum
ohne Kompression die Schwellung verstärken würde. Die elastische Binde darf nicht zu fest und sollte immer von der Peripherie nach zentral angelegt werden – also von den Zehen zum Unterschenkel.

Eine sehr gute Kombination von Eis und Kompression ist der so genannte „Hot Ice“-Verband: In einem
Eimer, einer Schüssel oder besser in einer Kältebox wird kaltes Leitungswasser mit Eiswürfeln versetzt.

Außerdem werden dazu einige Idealbinden unterschiedlicher Breite (8 cm, 10 cm, 12 cm) und einige Schwämme gelegt. Eine so gekühlte Idealbinde wird um das verletzte Sprunggelenk gewickelt. Zusätzlich kann ein kalterSchwamm mit dosiertem Druck mit angewickelt werden, also nicht zu stramm! Der „Hot Ice“-Verband wird regelmäßig mit Eiswasser beträufelt (Abb. 2) und bleibt für etwa 15-20 Minuten angelegt.

Dann wird er entfernt, damit die Weichteile sich „erholen“ können. Nach etwa 5-10 Minuten kann die Prozedur wiederholt werden, insgesamt 3-4mal. Damit es in der „Kompressionspause“ nicht durch die reaktive Mehrdurchblutung (siehe oben) zu einer stärkeren Schwellung kommt, empfehlen manche Sportmediziner, in der Pause eine trockene Idealbinde locker anzuwickeln. Ganz wichtig: Der Verletzte darf den Verband niemals als unangenehm empfinden, also nicht zu kalt, nicht zu eng!

 Die vierte „Säule“ der PECH-Regel ist die Hochlagerung des verletzten Sprunggelenks; sie soll der weiteren
Einblutung und damit auch Schwellung entgegenwirken. Außerdem wird der „Abtransport“ von Flüssigkeit im
Gewebe erleichtert („Das Wasser kann nur den Berg herunterlaufen!“). Dies bedeutet, dass der Fuß oberhalb
der Ebene des Kniegelenks gelagert wird.

Weitere Hinweise zur Erstbehandlung: Das Prinzip „Pause“ der PECH-Regel bedeutet im erweiterten Sinne
auch, dass bei einer Sportverletzung des Sprunggelenks oft eine Ruhigstellung direkt an der Sportstätte
erforderlich ist! Besteht z.B. der Verdacht auf das Vorliegen eines Knochenbruchs, so sollte eine Ruhigstellung
durch eine Schienung durchgeführt werden.

Für sportmedizinische Zwecke empfehlenswert ist eine kunststoffummantelte Aluminiumschiene, der „SAM-Splint“. Die Schiene ist nach dem „Vorbild“ eines Kaugummis, der in Stanniol gewickelt ist, konzipiert. Sie wird mit einer Binde fixiert. Der Aluminiumkern dieser Schiene bedeutet als wesentlichen Vorteil nicht nur ein geringes Gewicht, sondern auch eine exzellente Verformbarkeit, die den anatomischen Erfordernissen angepasst werden kann. Diese Verformbarkeit bedeutet einen geringen Platzbedarf, da die Schiene wie eine Mullbinde aufgerollt und verpackt werden kann. Ähnliche Produkte sind der Koch-Splint sowie der DocCheck-Splint.

Ein unerfahrener Ersthelfer sollte in der Regel einen offensichtlich verschobenen Knochenbruch des
Sprunggelenks weder einrenken noch richten. Der Verunfallte ist so wenig wie möglich zu bewegen, bis die
Schienung der Fraktur durchgeführt worden ist. Ein Tipp zum Improvisieren: Da Schienen leider nur in
Ausnahmefällen zur Verfügung stehen, kann eine provisorische Ruhigstellung z.B. mit einer entsprechend
gefalteten und dann angewickelten dicken Zeitung oder Illustrierten erfolgen. Ebenso kann auch ein Brett
verwendet werden, wobei auf eine ausreichende Polsterung zur Vermeidung von Druckstellen geachtet werden
muss.

Ergänzende Empfehlungen: Es muss darauf geachtet werden, dass die Sportlerin bzw. der Sportler nicht
unterkühlt. Verschwitzte und nasse Sportkleidung muss entfernt werden. Falls keine trockene Kleidung
angezogen werden kann, wird der Verletzte mit Kleidung oder einer Decke eingehüllt. Ein sehr guter Schutz vor
Unterkühlung, direkter Sonneneinstrahlung oder Nässe ist auch eine Rettungsdecke, die in jedem Fahrzeug-
Verbandskasten vorhanden sein muss!

Dabei handelt es sich um eine dünne, reißfeste, wasserdichte und Wärmestrahlen reflektierende Folie, die mit einer gold- und silberfarbenen Metallschicht überzogen ist. Sie wird als kleines Päckchen geliefert. Die Wärmedecke ist keine Wundauflage, ersetzt nicht den Verband, also nicht direkt auf die Haut legen! Durch Kleidung oder lockeres Auflegen muss ein Luftpolster erhalten bleiben, welches die vom Körper abgegebene Wärme speichert. Die silberne Seite wird zum Patienten gelegt.

Im Verletzungsfall muss immer an eine eventuell notwendige Operation gedacht werden, für die der Sportler
nüchtern sein sollte. Dementsprechend ist dann Trinken oder gar Essen nach einer Verletzung nicht sinnvoll.
Sportler sollten – und dies gilt nicht nur im Verletzungsfall – keine Medikamente oder Schmerzmittel ohne
ärztliche Anweisung einnehmen.

Ausnahmen sind gegeben zum Beispiel bei einer langen Transportdauer zur nächsten Arztpraxis oder Klinik, genannt sei hier die Laienhilfe im Gebirge. Aber: Keine Medikamente oder Salben, die zur Blutgerinnungsstörung führen! Grundsätzlich verboten sind Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (z.B. in Aspirin®). Diese Substanz, die beispielsweise auch in manchen Grippe- Medikamenten enthalten ist, verzögert die Blutgerinnung und kann zur Vergrößerung eines Blutergusses beitragen, außerdem steigert es bei einer notwendigen Operation das Blutungsrisiko. Aus eben diesem Grund sollte bei akuten Verletzungen auch die Einreibung mit Salben oder Gelen unterbleiben, die Substanzen enthalten, welche die Blutgerinnung stören können, z.B. Heparin-Salben.

Nicht zuletzt ist bei Sprunggelenkverletzungen auch die psychische erste Hilfe wichtig. Dazu gehört, dass der
Ersthelfer sich dem Verletzten vorstellt und ihm sein Handeln in ruhigem Ton und sachlich erläutert, andererseits aber auch zuhört. Ratsam ist, sich auf gleiche Körperhöhe mit dem zu versorgenden Sportler zu begeben und ihn „nicht von oben herab“ zu behandeln. Ganz wichtig ist außerdem, Schaulustige fern zu halten.

Und noch ein abschließender Hinweis: Erste Hilfe ersetzt nicht eine notwendige ärztliche Behandlung!

Literatur
Schomaker, R.: Erste Hilfe bei Sportunfällen. LandesSportBund Nordrhein-Westfalen 2007
Rieger, H.: Sportverletzt – was jetzt? Ursachen, Behandlung, Vorbeugung. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2009

Autor: Prof. Dr. Horst Rieger
Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Handchirurgie

Zentrum für ambulante Hand-, Fuß und Arthroskopische Chirurgie
Clemenshospital
Düesbergweg 124, 48153 Münster Tel.: 0251 – 976 2391
www.clemenshospital.de

author: GRR

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