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01
10
2009

Der Rat, sich öfter die Hände zu waschen und möglichst wenig Augen, Nase und Mund zu berühren, verleiht nicht nur vor Influenzaviren, sondern auch vor so manchen anderen Keimen einen gewissen Schutz.

Dr. Hartmut WEWETZER – Harmloser als gedacht – Unser Gesundheitsexperte Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Warum die Schweinegrippe im Griff ist.

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Was ist bloß aus der Schweinegrippe geworden? Vor einigen Wochen überschlugen sich die Meldungen über das neuartige Influenzavirus in Fernsehen und Zeitungen. Mittlerweile ist es ruhig um die „Neue Influenza A/H1N1“.

Als die Schweinegrippe in Mexiko erstmals auftauchte und sich abzeichnete, dass eine neue Influenza-Pandemie drohte, schrillten zunächst die Alarmglocken. Das Schreckgespenst der Spanischen Grippe von 1918 ging wieder um, einer Pandemie, die vielen Millionen Menschen das Leben kostete.

Aber die Spanische Grippe war ganz offenkundig die Ausnahme, nicht die Regel, wie die Geschichte der Influenza-Pandemien lehrt. Die Schweinegrippe erweist sich alles in allem als ziemlich zahnloses Pandemie-Virus, und es sieht nicht so aus, als ob sich das deutlich ändern würde. In Deutschland haben sich bereits Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende infiziert, ohne dass jemand Opfer der Schweinegrippe wurde. Die ganz normale Virusgrippe ist brisanter.

Der Grund für die geringe Gefährlichkeit des neuen Erregers ist seine genetische Zusammensetzung. Natürlich ist es möglich, dass das Virus mit anderen Influenzaviren zusammentrifft, Gene austauscht und danach mehr Opfer fordert. Aber wahrscheinlich ist es nicht, Experten zufolge liegt diese Gefahr bei allenfalls einem Prozent – das berühmte Restrisiko. „Einen Vollkasko-Schutz gibt es nicht“, sagt Reinhard Kurth, ehemaliger Chef des Robert-Koch-Instituts. In Australien, in dem gerade Winter und damit „Grippesaison“ war, traten keine aggressiven Misch-Mutanten auf.

Unerwartet günstig verliefen die ersten Studien mit Impfstoffen gegen die Schweinegrippe. Es zeigte sich, dass im Regelfall bereits eine einzige Impfspritze ausreicht, um nach ein bis zwei Wochen eine deutliche Abwehrreaktion des Immunsystems hervorzurufen. Das spricht für einen guten Schutz vor dem Virus. Vorgesehen waren eigentlich zwei Impfdosen. Da eine ausreicht, können eigentlich doppelt so viele Menschen den Schutz bekommen. Wenn sie denn wollen.

Nach Umfragen ist das Interesse bei uns jedoch eher gering. Auch manche Experten sehen zum jetzigen Zeitpunkt keinen Grund für eine Impfung, die immer mit einem gewissen Risiko einhergeht, gegen ein doch eher zahmes Virus. Vermutlich kann jeder, der das möchte, deshalb auch geimpft werden. Am Ende könnte Deutschland sogar auf einem Gutteil seiner großzügig bestellten Impfstoffampullen sitzen bleiben. Die bereits erhältliche „herkömmliche“ Grippeschutzimpfung wappnet übrigens nicht vor der Schweinegrippe.

Die guten Neuigkeiten in Sachen Schweinegrippe sollten nicht zur Leichtfertigkeit verleiten. Der Rat, sich öfter die Hände zu waschen und möglichst wenig Augen, Nase und Mund zu berühren, verleiht nicht nur vor Influenzaviren, sondern auch vor so manchen anderen Keimen einen gewissen Schutz.

Selbst wenn die Schweinegrippe irgendwann Geschichte ist.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel.  Sonntag, dem 27. September 2009

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