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2009

In der kalten Jahreszeit schmeckt Kräutertee besonders gut. Und gesund ist er auch noch. Doch die Welt der Kräuter ist vielfältig. Einige wirken wie Medikamente, andere vor allem vorbeugend.

Vorbeugung – Die Heilkräfte der Natur – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel

By GRR 0

Ein Tee soll heute kein Tee mehr sein, sondern ein Versprechen. „Oase der Ruhe“ heißt eine Sorte, „Hol dir Kraft“ eine andere, „Fühl dich jung“ gibt es auch und „Innere Ruhe“. Der Mottotee hat die Supermarktregale erobert. Dass sie sich gut verkaufen, hat wohl auch damit zu tun, dass Kräuter im Volksglauben eine magische Wirkung haben.

Mit Heilkräutern haben die Chinesen schon vor mehreren tausend Jahren Krankheiten behandelt, in Europa waren es im Mittelalter vor allem die Klöster, in denen das Wissen um die heilende Wirkung gepflegt und ausgebaut wurde. Inzwischen ist aus Kräutertee eine Art Lifestylegetränk geworden.

Im vergangenen Jahr haben die Deutschen 12,4 Milliarden Tassen Kräuter- und Früchtetee getrunken, das hat die Wirtschaftsvereinigung Kräuter- und Früchtetee ausgerechnet, von den einzelnen Sorten lag die Pfefferminze mit 16 Prozent vorne, die Kamille kam auf 12 Prozent, Fenchel auf 10 Prozent. 43 Prozent der verkauften Tees waren Mischungen aus mehreren Kräutern oder Früchten.

Jetzt in der kalten Jahreszeit hat Kräutertee Hochsaison, und schon die chinesische Medizin ging davon aus, dass bei Speisen und Getränken nicht nur der Inhalt entscheidet, sondern auch die Thermik. Die Wirkung von Kräutertees ist teils wissenschaftlich bewiesen, zum Einsatz kommen sie teils aber auch aus der Tradition heraus, als überliefertes Hausmittel. Die Berliner Gesundheitswissenschaftlerin Annette Kerckhoff unterscheidet drei Klassen von Kräutertees: erstens die Arzneitees, anzuwenden bei akuten Beschwerden. Zweitens die Tees zur Gesundheitsförderung. „Sie haben einen bestimmten erwünschten Effekt auf den Organismus, wie etwa ein Schlaftee. Sie können aber auch gut als Kuren eingenommen werden“, sagt Kerckhoff, die regelmäßig Vorträge an der Charité über Selbtshilfemaßnahmen und Heilpflanzen hält (siehe Kasten). Und schließlich die Genusstees, die einfach das Wohlbefinden fördern.

Der Arzneitee als Facharzt unter den Kräutertees hat sich vor allem auf drei Feldern bewährt, bei Beschwerden der Atemwege, der Verdauung und der Harnwege. Weil solche Tees Arzneimittel in flüssiger Form sind, sollten sie auch nur bei Krankheit getrunken werden. Für sie gelten die gleichen Regeln wie für andere Medikamente: in der Apotheke kaufen, weil dort qualitativ hochwertige, rückstandsgeprüfte Pflanzen angeboten werden – und sich genau an die Ratschläge zur Einnahme halten. „Bei solchen Tees muss man streng sein“, empfiehlt Kerckhoff, auch bei der Lagerung: Lichtgeschützt und luftdicht halten sie sich meistens ein Jahr.

Arzneitees werden üblicherweise für die Dauer der Beschwerden mehrmals am Tag auf nüchternen Magen getrunken, auch vor dem Frühstück. Ein Geschmackserlebnis sind sie selten, mit Ausnahme von Hustentees sollten sie dennoch nicht gesüßt werden, denn Zucker beeinträchtigt die Wirkstoffe. Typische Arzneitees sind Bärentraubenblätter gegen Blasenentzündung oder getrocknete Heidelbeeren gegen Durchfall.

Der Gesundheitstee ist mehr eine Art vorbeugender Allgemeinmediziner. Er kann über eine längere Zeit getrunken werden, sechs Wochen rät Kerckhoff für eine Frühjahrs-Tee-Kur. „Bei allen Tees muss man aber schauen, ob man allergisch darauf reagiert oder er einem nicht bekommt. Unverträglichkeit ist heutzutage einfach ein Thema“, sagt sie.

Die Wirkungen der Kräuter sind teilweise in der Pflanzenheilkunde beschrieben, getrunken werden solche Tees jedoch auch, weil die Volksmedizin ihnen bestimmte Effekte zuschreibt. Die Brennnessel etwa wirkt harntreibend, in der Volksmedizin wird sie aber auch zur Blutbildung eingesetzt, die Pfefferminze lindert Magen-Darm-Beschwerden, soll aber auch die Nerven beruhigen, die Scharfgarbe bekämpft Appetitlosigkeit und ebenfalls Magen-Darm-Beschwerden, kommt aber traditionell auch bei Leberleiden und Menstruationsbeschwerden zum Einsatz. Andere Klassiker für Kräutertees sind Löwenzahn (gegen Verdauungsbeschwerden, zur Anregung von Leber und Niere, traditionell auch zur Blutreinigung), Lindenblüten (gegen Hustenreiz, bei Fieber wegen der schweißtreibenden Wirkung und zur Beruhigung) oder Isländisch Moos (bei trockenem Reizhusten, aber in der Volksmedizin auch als Stärkungsmittel).

Pflanzen können sich in ihrer Wirkung gegenseitig unterstützen. Um einen breiten Effekt zu erzielen, aber auch weil es einfach besser schmeckt, bieten sich Mischungen an, zum Beispiel ein Löwenzahn-Brennnessel-Tee als Frühjahrskur zur Entgiftung, ein Schlaftee mit Hopfen und Melisse oder ein Nerventee aus Johanniskraut, Zimtrinde, Rosmarin, Lavendel und Ingwer. Ein Thymian-Salbei-Tee mit Zitrone und Honig kann getrunken werden, wenn sich eine Erkältung mit Halsschmerzen anbahnt.

Wie ein Tee schmeckt und wirkt, hängt auch von der Ziehzeit und vom Grad der Zerkleinerung ab. Je nachdem, wie lange ein Tee zieht, werden andere Inhaltsstoffe ausgezogen. So wie ein kurz gezogener Schwarztee anregend wirkt und ein lang gezogener beruhigend, ist es auch mit Kräutertees. Kurz gezogener Salbeitee setzt vor allem ätherische Öle frei, lang gezogener Gerbstoffe. Manche Tees werden nicht wie der Pfefferminztee aus Blättern, sondern aus Samen und Früchten der Pflanzen zubereitet, etwa Anis, Fenchel oder Kümmel. „Anis, Fenchel und Kümmel sollten optimalerweise in der Apotheke angestoßen werden, weil die ätherischen Öle sonst nicht freigesetzt werden“, sagt Kerckhoff. Loser Tee ist in der Regel dem in Beuteln abgepackten vorzuziehen.

Als Faustregel gilt: ein gestrichener Teelöffel getrocknetes Kraut auf 150 bis 200 Milliliter Wasser, mit kochendem Wasser übergießen, dann drei bis zehn Minuten ziehen lassen. In jedem Fall sollte der Tee zugedeckt ziehen, weil sonst die ätherischen Öle entweichen. Es gibt allerdings auch Kräutertees, die mit kaltem Wasser angesetzt werden, Malvenblätter etwa oder Eibischwurzel. Ihre Wirkstoffe würden in der Hitze zerstört.

Die Genusstees schließlich sind eher ein Wohlfühlhelfer. „Hier darf getrunken werden, was schmeckt“, sagt Kerckhoff, „allerdings enthalten Instanttees bis zu 96 Prozent Zucker, sie eignen sich also nicht fürs Teefläschchen bei Kindern.“ Typische Genusstees, sagt sie, seien Zitronenverbene, Lemongras oder Rooibush. Der Kräutertee ist dabei eine Alternative zu anderen Getränken, im Gegensatz zu Kaffee oder schwarzem Tee enthält er kein Koffein, im Gegensatz zu Säften oder Limonaden kaum Kalorien. Gesund ist er auch deshalb, weil Kräuter sekundäre Pflanzenstoffe und Mineralien enthielten, sagt Kerckhoff, Kräutertees können auch „zur unspezifischen Stärkung der Ressourcen“ getrunken werden. „Man sollte sich einfach gewisse Dinge angewöhnen, die einem guttun, gesund sind und außerdem noch Spaß machen“, sagt Kerckhoff, „auch das ist Gesundheitsförderung.“

Dass Kräutertee inzwischen in allen möglichen Mischungen als Lifestylegetränk angeboten wird, findet Annette Kerckhoff gut: „Die Leute trinken so viel schlechten Kaffee, da sind solche Tees eine prima Alternative.“

Sie selbst hat auch einen neuen Kräutertee im Regal stehen mit Zimt, Minze, Orangenscheiben und Hagebutten – „Hangover“, der Tee für den verkaterten Morgen.

Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Montag, dem 7. Dezember 2009

author: GRR

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