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18
01
2010

Ein wichtiger Indikator für das Wohlbefinden des Körpers ist die morgendliche Ruheherzfrequenz.

Übertraining – Belastung und Erholung waren nicht im Gleichgewicht – Ruheherzfrequenz ein wichtiger Indikator – Lothar Pöhlitz in der „Leichtathletik Coaching-Academy“

By GRR 0

(© Lothar Pöhlitz) – Es ist im Leistungs- und Hochleistungstraining nicht ungewöhnlich, dass Sportler an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stoßen. Dies ist für optimale Anpassungen, für den Leistungsfortschritt auch erforderlich, vorausgesetzt die komplexen Maßnahmen der Regeneration sichern, dass Training und Erholung im Gleichgewicht bleiben.

Neben ausreichenden Wissen um die Trainingsmethodik und individuellen Erfahrungen in der Belastungsgestaltung können einfache Stresssignale und ein ungutes Körpergefühl frühzeitig vor dem Abstieg in ein auch mehrwöchig anhaltendes Übertraining warnen. Erste Symptome treten auf, wenn ein Missverhältnis zwischen der aktuellen Belastung und der Belastbarkeit besteht und dazu noch das Immunsystem nicht auf der Höhe seiner Aufgaben ist. Dabei ist eine belastungsbedingte tiefe Ermüdung z.B. nach Gipfelwochen nicht immer gleich ein Übertraining.

Ein wichtiger Indikator für das Wohlbefinden des Körpers ist die morgendliche Ruheherzfrequenz. Abweichungen von der Norm, eine verminderte Belastbarkeit sowie ungewöhnliche Ermüdungssymptome sollten Signalfunktion haben und bei Ausschluss von äußeren Einflüssen (Zeitzonenwechsel, Höhenaufenthalte, Klimareize o.ä.) und Erkrankungen wenn nötig auch zu Konsequenzen im Training führen.

Wenn Sie auch noch schlecht geschlafen haben, das Körpergewicht in den letzten Tagen grundlos abgesunken ist , sie der Appetit im Stich lässt, auch noch die letzten wichtigen TE nicht befriedigend absolviert werden konnten, sich schon einige Tage nicht besonders „fühlen“, sollten sich unverzüglich Trainer, Arzt und Athlet beraten.

Gute Ergebnisse resultieren aus einem Gleichgewicht von auf den jeweiligen Sportler zugeschnittener Quantität, Qualität und optimaler Regeneration / Erholung. Übersteigt die Trainingsbelastung längere Zeit die Belastbarkeit und trifft auf einen nicht leistungsadäquaten Lebensstil der Athleten ist die Gefahr der Überlastung groß.

Belastung und Erholung zu sichern ist nicht nur Aufgabe des Trainers – Ursachen nicht nur im Training suchen

Zuerst müssen Ursachen für negative Trends, für eine deutlich verminderte Trainingsbereitschaft, für eine verminderte Leistungsfähigkeit vor allem bei intensiven Belastungen identifiziert werden, vor allem auch die gesundheitlichen. Dabei sollte nichts ausgeschlossen oder übersehen werden. Auch das Alltagsleben muss in die Überlegungen einbezogen werden. Ärger im Beruf, die bevorstehende wichtige Klausur, die Krise in der Beziehung, Finanzprobleme, zu wenig Schlaf oder die fehlenden Pausen zwischendurch. Oder muss ich doch nun endlich zum Zahnarzt, ein Zahn „muckert“ schon zwei Wochen, vielleicht ist er doch vereitert? Oder gehöre ich doch zu den „Chaoten“ die ihren Tagesablauf nicht im Griff haben, sich nicht organisieren können und dass schon über längere Zeit? Vielleicht habe ich auf Grund von Zeitdruck die notwendig optimale Ernährung vernachlässigt?

Fehlt die Strategie den Organismus unter den täglichem Gesamtaufwand (Systemstress) in Balance zu halten. Wie kann ich die Gestaltung nach den drei harten Trainingseinheiten in der Woche in Richtung bewusster Regeneration verändern, optimieren?

Eine ehrliche Auflistung der möglichen Stressauslöser wäre hilfreich. Das könnte das eigene Bewusstsein erhöhen, den Weg aus der Krise verkürzen und einige der vielfältigen Faktoren, die die Erholung in den letzten Wochen beeinflusst haben könnten und Symptome eines Übertrainings mitentwickelt haben könnten, ausschließen.

Im Leistungs- und Hochleistungstraining ist der Trainer für ein möglichst optimales Verhältnis von Belastung und Erholung im Training und im Zusammenhang mit Wettkämpfen zuständig, der Athlet vor allem auch für Belastung und Erholung außerhalb des Trainingsprozesses.

Sowohl trainingsmethodische, ernährungsphysiologische als auch psychologische Komponenten können einzeln als auch komplexe Ursache für ein Übertraining sein. Je früher Symptome der Überlastung identifiziert und Maßnahmen zur Überwindung eingeleitet werden, umso schneller findet der Sportler zu einem effektiven Training zurück.

Übertraining

Ursachen:
  • Fehlerhaftes Training, Intensität
  • Belastung übersteigt die Belastbarkeit
  • Vorausgegangene Infekte
  • ungenügende Ernährung, Essstörungen
  • Belastung und Erholung sind im Ungleichgewicht
Symptome:
  • Leistungsabfall
  • schnelle Ermüdung, verzögerte Regeneration
  • verminderte Belastbarkeit
  • oft unspezifisch

Die Tiefe der Erschöpfung bestimmt die Dauer der Erholung

Übertraining ist eine Folge falscher oder auch zu hoher Trainingsbelastung, eine Überforderung in physischer und psychischer Hinsicht über längere Zeit. Besteht ein Missverhältnis von individuell aktueller Belastbarkeit und der auf den Organismus wirkenden Gesamtbelastung (Training, Wettkämpfe, Gesundheit, Ernährungsstörungen, Berufsstress, private Konflikte, vielleicht Training unter Trainingslagerbedingungen, Höhentraining usw.), sowie nicht optimale Belastungs- Erholungsverhältnisse oder Essstörungen über einen längeren Zeitraum, treten vielfältige Symptome (erhöhte Ruhe- und Belastungsherzfrequenz, Müdigkeit, Schlafstörungen, Lustlosigkeit) auf, die sich vor allem in einer reduzierten Leistungsfähigkeit, Trainingsbereitschaft, unbefriedigenden Wettkampfergebnissen und verlängerten Wiederherstellungszeiträumen äußern.

In solchen Situationen ist eine sofortige Unterbrechung des “intensiven“ Leistungstrainings und der Wettkampftätigkeit geboten. Von der Tiefe „der Erschöpfung“ hängt ab, welcher Zeitraum für eine Belastungspause mit anschließendem langsamen, vorsichtigen Wiederaufbau, zunächst ausschließlich mit aerobem Dauerlauf, später mit „kleinen Schnelligkeitsbelastungen“ und Gymnastik, gebraucht wird. Eigene Erfahrungen zeigen dass in leichten Fällen 1-3 Wochen, bei tiefer Erschöpfung 4-6 Wochen aber auch mehrere Monate bis zur völligen Erholung gebraucht werden können.

Wichtig ist, dass sofort eine umfassende Ursachenforschung sowohl aus dem Trainings- und Wettkampfbereich, als auch der Ernährung, Blutanalyse, Umfeldbelastung, Schlaf, Gesundheit usw. in Gang gesetzt wird. Die festzulegenden Maßnahmen zur Überwindung müssen natürlich gemeinsam mit dem Athleten und einem Arzt (organisch krankhaften Befund + Viren / Bakterien ausschließen) erarbeitet und festgelegt werden, weil der Sportler die Konsequenzen praktisch umsetzen muss.

Nicht der Umfang, die Intensität „tötet“

Die Gefahr zum Übertraining hin erhöht sich, wenn der notwendige Umfang an speziellsten Training zur Sicherung der gewünschten Leistungsentwicklung auf der Grundlage einer nicht ausreichenden aeroben Basis in kürzester Zeit mehrfach überschritten wird.

In der Fachliteratur werden zwei Formen des Übertrainings publiziert*:

  • Im basedowoiden – sympathikotonen Übertraining ist bei verstärkten Antriebs- und Erregungsprozessen die Erholung nach Belastungen ungenügend bzw. auch verzögert, der Sportler fühlt sich bei vielfältigen Symptomen in der Regel krank. Schlaf und Ruhepulsverhalten sind gestört.
    Bei rechtzeitigem erkennen kann schon nach 1-2 (wenigen) Wochen das normale Training wieder aufgenommen werden.
  • Im addisonoiden – parasympathikotonen Übertraining überwiegen Hemmungsfunktionen und Antriebslosigkeit. Der Sportler fühlt sich schwach und kann die erforderlichen Kräfte für erfolgreiche Wettkämpfe nicht mobilisieren. Da die Mehrzahl der messbaren Körperfunktionen normal sind, schwer diagnostizierbar. Bis zur Rückkehr zur Normalität kann es Wochen bzw. auch Monate dauern.
    (* siehe auch WEINECK 1986 – S.311 und ISRAEL 1976, 2)

Burnout – Syndrom – die Grenzen des Übertrainings sind überschritten

In den letzten Jahren wurden aus dem Fußball (Deisler) und dem Skispringen (Hannawald), aber auch aus anderen Sportarten Beispiele mit tiefgreifenden Erschöpfungszuständen (Burnout – Syndrom = dauerhafte totale geistige, körperliche und emotionale Erschöpfung durch längerandauernde Überlastung / Stress, ausgebranntsein, nur noch bedingt „arbeitsfähig“) öffentlich, die sogar längere Spezialklinikaufenthalte erforderlich machten.

Es ist anzunehmen, dass auch der Entwicklungsstand der Persönlichkeit, seine Erwartungshaltung im Verhältnis zur Gesamtbelastung, übertriebener Ehrgeiz, Versagensängste und seine Erholung für die Tiefe der Erschöpfung bedeutend ist (unzureichender Komplex der Erholungsmaßnahmen über längere Zeiträume im Verhältnis zu den Anforderungen und dem Erwartungsdruck durch die Medien, dem Umfeld und der Öffentlichkeit, Zweifel an der Richtigkeit des gewählten Weges, Unzufriedenheit mit der eigenen Konkurrenzfähigkeit). Besonders betroffen sind motivierte, ehrgeizige Menschen, die einen sehr hohen Anspruch an sich stellen und alles perfekt machen wollen.

Es sind also nicht nur alle mit dem Hochleistungstraining direkt verbundenen Einflüsse, sondern auch die im frühen Erwachsenenalter auf die jungen Sportler noch wirkenden Einflüsse (Freundeskreis, Erwartungshaltung von Freund bzw. Freundin, Verzicht auf viele Genüsse im Zusammenhang mit dem Nachtleben der Nichtsportler , weitgehender Verzicht auf Hobbys und Freizeit, gesunde Ernährung usw.), die zur Bewältigung einer solchen Problematik zu bedenken sind. Burnout steht am Ende eines sich langsam entwickelnden, langen Prozesses.

Ernsthafte Symptome: chronische Müdigkeit, Schlafstörungen, körperliche und geistige Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Verleugnung von dauerhaften Überforderungen, Rückzug und Isolation, Depressionen, Versagensängste.

Ursachen aus dem Trainings- und Wettkampfbereich können sein**:

  • Missverhältnisse von Belastung und Erholung / Wiederherstellung, ungenügende Organisationsplanung
  • die Belastung ist größer als die Belastbarkeit, Entlastungsphasen fehlen bzw. wurden wegen „guten Befindens“ einfach weggelassen
  • die Belastungseinflüsse (auch psychische) von außerhalb des Trainingsprozesse (Beruf, Examen + Privat, Stress, der/die neue Freunde/In, die mit Leistungssport nichts am Hut haben) sind zu groß
  • die Trainingsintensität trifft über längere Zeit auf eine nicht ausreichende Basis (Trainingsquantität) oder entspricht nicht der individuellen Belastbarkeit
  • die psychischen Anforderungen („Druck“) von außen (Medien, privates Umfeld, Trainer) im Training und bei Wettkämpfen sind im Vergleich zur Leistungsfähigkeit zu hoch – „Angst vor dem Versagen“, auch aufgrund unrealistischer Zielsetzung, Defizite in der psychischen Einstellung, Verweigerung von Hilfen bei „Ängsten“
  • zu große Wettkampfdichte mit Misserfolgserlebnissen
  • die sportartspezifische Ernährung (Qualität und Quantität) entspricht nicht der realisierten Trainingsbelastung (vor allem bei Essstörungen – z.B. Vegetarier, aber auch bei Magersucht, Mängel in der Vitamin- und Mineralienversorgung)
  • ungenügende Vorbereitung auf Wettkämpfe unter schwierigen klimatischen Bedingungen (bei Hitze, in Höhenlagen, bei Zeitzonenunterschieden), ungenügende Berücksichtigung von Orts-Wechseln in Trainingslager (Reizklima Meer, Höhe)
  • Training oder Wettkämpfe mit Fieber, Infekten, Vereiterungen, Entzündungen, mit Angina o.ä. einschließlich zu früher Wiederaufnahme der Belastung nach solchen Krankheiten
  • ungenügende Erholung / Regeneration nach Trainingslagern (im Trainingslager ist oft die Belastungssteigerung im Vergleich zum Heimtraining zu hoch)
  • zu wenig Schlaf
  • Partnertraining leistungsmäßig ungleicher Partner

** in der Regel sind mehrere Umstände zugleich Ursachen für zeitweilige Übermüdung

Bei Übertrainingssymptomen komplexe Ursachenforschung erforderlich

Bei einer Diagnose eines Übertrainingszustandes (chronische Müdigkeit / erhöhte Ruheherzfrequenz / ungewöhnliches Belastungspulsverhalten, sich wiederholende Verletzungen / schlechte Wettkampfergebnisse, Depressionen, Unfähigkeit zur Entspannung, wiederholte „Lust“ das Training ausfallen zu lassen, Appetitlosigkeit) sind zuerst krankhafte Ursachen (Entzündungen im Körper, einschließlich Zähne und Virusinfektionen oder Mangelzustände wie Eisenmangel, Elektrolytmangelzustände oder auch Erkrankungen der Schilddrüse), sowie ein für die Belastung nicht ausreichender Schlaf, auszuschließen.

Für den Laufbereich gilt, dass Auffälligkeiten vor allem im anaerob – laktaziden Bereich, in dem bei hochintensiven Belastungen die für den Sportler „normalen“ Herzfrequenzen oder Laktatauslenkungen überschritten werden, das Training im aeroben Bereich aber noch zufriedenstellend läuft, auf ein Übertraining hinweisen.

Ungenügende Laktatauslenkungen wurden bei Leistungsdiagnostiken auch durch aktuelle negative psychische Einflüsse beobachtet. Aber auch ein überzogener Gesamtbelastungsumfang – ohne ausreichende Basis und Zwischenregenerationsphasen – kann in ein Übertraining führen.

Gewissenhafte Trainingsaufzeichnungen erleichtern die Ursachenforschung
bei Leistungsstagnation und Übertrainingssymptomen

Von Weltbesten (vor allen von den afrikanischen Läufern) ist bekannt, dass bei einer hohen Trainingshäufigkeit im MIZ regelmäßig ein Ruhetag (dort ist der Sonntag „heilig“) eingefügt wird.

Aus der Sicht der Trainingspraxis sind folgende Maßnahmen zur Überwindung oder auch Vermeidung des Übertrainings wirksam:

  • Belastungsverminderung oder Belastungspause, sowie zukünftige Veränderung der Trainingsbelastungsgestaltung auf der Grundlage einer Ursachenanalyse (z.B. Belastungs- : Erholungszyklen 3:1 oder 2:1 / Intensitäts- bzw. Umfangsreduzierung / Ruhetage, wenn nötig auch mehrere Ruhetage , Ernährungsgewohnheiten) » Konsequenzen
  • Überprüfung der Regeneration in hochbelastenden TE (Pausenlänge, Pausengestaltung im Verhältnis zur individuellen Belastbarkeit) oder nach Wettkämpfen
  • ausreichende Zeiträume zur Erholung nach Langzeitausdauer-Wettkämpfen (Muskelregeneration 7 – 14 Tage, individuell auch mehr)
  • Sicherung einer ausreichenden und geplant gestalteten Übergangsperiode nach einem Jahrestraining, zur Vermeidung sich aufstockenden „zentralen, vor allem psychischen Ermüdungen“ und Ausheilung von Verletzungen
  • Sportmedizinische Grund- und Ernährungsuntersuchung mit entsprechenden Konsequenzen (Substitution, Vitaminisierung, Elektrolyte, Eisensubstitution o.ä.)
  • wenn möglich einen Weg aus dem Tal gemeinsam mit einem Psychologen suchen und gehen
  • zeitweilig ausschließlich aerobes Lauftraining, aber reduziert
  • Reduzierung der Umfeldbelastung auf das nötige Maß, Stressabbau
  • einschieben einer Urlaubsphase mit Ortswechsel bei verstärktem Schlaf, beruhigende Physiotherapiebehandlungen und langen erholsamen Wanderungen, Ruhepulskontrolle, aber auch nicht nebenbei die tausend noch offenen anderen Dinge erledigen.
    Dem Körper muss Zeit für einen Selbstheilungsprozess gegeben werden und dieser ist durch eine verstärkte Vitaminisierung bzw. Mineralisierung zu unterstützen.
  • bei Wiederbeginn eines leistungsorientiertem Trainings Erarbeitung eines Tages- bzw. Wochen-Organisationsplanes mit ausreichenden Regenerationsphasen (Beruf – Training / Wettkämpfe – Prophylaxezeit – Freizeit), systematischer schrittweiser Wiederaufbau zunächst ohne Wettkampfziele » mit zunehmender Belastung Beachtung der Superkompensationsmechanismen.

Das normale Training sollte erst wieder aufgenommen werden, wenn der Sportler sich wieder geistig und körperlich erholt fühlt und wieder Lust zur Belastung hat.

Bis dahin sollten möglichst komplex Maßnahmen zur Überwindung des Übertrainings eingesetzt werden. Ein deutliches Anzeichen einer Besserung ist oft schon der Rückgang der erhöhten Herzfrequenz in Ruhe.

© Lothar Pöhlitz in "Leichtathletik Coaching-Academy"

Leichtathletik Coaching-Academy

 

author: GRR

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