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14
05
2010

Auslauf für den Kopf – Gut für Konzentration, Gedächtnis und die Stimmung. Regelmäßiges Laufen wirkt. Wissenschaftliche Studien haben bewiesen, dass Joggen nicht nur das Herz stärkt, sondern auch die geistige Leistung fördert – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel

By GRR 0

Die Laufbewegung sollte schleunigst ein Urheberrecht anmelden. Für Gehirnjogging. Denn Gehirnjogging lässt sich wirklich beim Wort nehmen. Wer regelmäßig joggt, erleichtert seinem Gehirn die Arbeit, die Konzentration gelingt einfacher, das Gedächtnis arbeitet besser, und die Stimmung steigt auch noch. Das haben unter anderem Wissenschaftler von der Universität Ulm vor zwei Jahren herausgefunden, an Verfeinerungen der Ergebnisse wird gearbeitet.

Die Effekte des Laufens fangen also ganz oben im Körper an, mit diesem Befund haben die Wissenschaftler viel Aufsehen erregt. „Die Pressestelle der Universität Ulm hat wohl noch nie so viele Anfragen bekommen wie zu diesem Thema“, sagt Ralf Reinhardt, einer der beteiligten Wissenschaftler. Bis zu 17 Wochen liefen die Testpersonen bei der Studie dreimal in der Woche um die 45 Minuten. „Wir haben nicht akute, sondern chronische Effekte gemessen“, sagt Reinhardt. Den Forschern ging es also nicht um den schnellen Erfolg, sondern um den nachhaltigen.

Der Körper schüttet beim Laufen den Neurotransmitter Dopamin aus, das ist ihr Ergebnis, und wer dabei aufgrund genetischer Bedingungen Nachteile hatte, profitiert vom Laufen in besonderem Maße. Interessant ist diese Nachricht auch für alle, die darüber nachdenken, ihre Konzentration durch Pillen wie Ritalin zu steigern, das so genannte Neuro-Enhancement. „Bevor man als Erwachsener Medikamente missbraucht, sollte man lieber laufen gehen. Das hat zwar auch Nebenwirkungen, aber die sind durchweg positiv“, sagt Reinhardt.

Die Ulmer Studie ist nicht die einzige, die gezeigt hat, dass sich Laufen nicht nur angenehm auf Ausdauer, Muskelzuwachs und Fettabbau auswirkt. „Körperliche Belastungen bewirken Veränderungen in der Konzentration von Botenstoffen, welche die Stimmung, das Wachstum der Gehirnzellen und den Schlafrhythmus beeinflussen“, fasst Fernando Dimeo den Stand der Forschung zusammen. Er leitet die Sportmedizin an der Berliner Charité und ist auch medizinischer Leiter bei „Berlin läuft“.

Mindestens bei Tieren, teilweise auch bei Menschen, ist eine erhöhte Konzentration der Botenstoffe Dopamin, Endorphin und Noradrenalin nach körperlichen Belastungen nachgewiesen. Dimeo, früher argentinischer Vizemeister im Marathon, hat einen praktischen Vorschlag, wie diese Effekte genutzt werden können: „Studenten können besser und länger lernen, wenn sie das Pauken durch etwa 30 Minuten Ausdauersport unterbrechen.“

Das Laufpensum Richtung Marathon zu steigern, bedeutet allerdings nicht, sich dann auch konzentrieren zu können wie ein Weltmeister. „Viel hilft viel ist falsch. Es gibt ein Optimum, das kaum überschritten werden kann“, sagt Ralf Reinhardt. Ihn interessiert nun, wie sich Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnisleistung bei höherer Intensität und längerer Laufzeit entwickeln, daran könnte weiter geforscht werden.

Laufen steigt zu Kopf, das steht fest. „Die Struktur im Gehirn kann sich bei regelmäßigem Sport verändern“, sagt Fernando Dimeo, „aktive Muskeln produzieren vermehrt Wachstumshormone, welche die Funktion und Vermehrung von Hirnzellen steuern.“
Im Tierversuch haben Forscher schon eine erhöhte Anzahl von Gehirnzellen nach Ausdauerbelastungen festgestellt. „Diese positiven Effekte von Sport kommen auch Menschen zugute“, sagt Dimeo und verweist auf eine vor kurzem abgeschlossene Untersuchung an der Berliner Charité, die zeigen konnte, dass bei älteren Frauen, die über mehrere Monate an einem gezielten Sportprogramm oder an einen Computerkurs teilnehmen, die Konzentrations- und Merkfähigkeit besser erhalten bleibt als bei passiven Gleichaltrigen.

Die Effekte auf die Psyche seien sogar so stark, dass Sport inzwischen einen festen Platz in der Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen eingenommen hat, sagt Dimeo. „Regelmäßiger Ausdauersport ist als Behandlung der Patienten mit Depressionen genauso effektiv wie Antidepressiva und wirksamer als die meisten Psychotherapien.“

Sich zum Laufen zu zwingen, bringt jedoch nichts, das haben Tierversuche ebenfalls gezeigt. Das Wachstum von neuen Neuronen konnten Forscher bei Mäusen beobachten, die sich freiwillig im Laufrad bewegten. Bei Ratten, die im Wasser schwimmen mussten, um nicht unterzugehen, war dieser Effekt nicht zu erkennen.

Es sollte also Spaß machen, Körper und Kopf Auslauf zu geben.

Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Montag, dem 10. Mai 2010

author: GRR

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