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13
07
2010

Die im Fachblatt „Lancet“ veröffentlichte Bilanz der Forscher: Das Selbstmanagement des Bluthochdrucks senkte den Blutdruck ansehnlich, anhaltend und besser als die herkömmliche Hausarztbehandlung.

Dr. Hartmut WEWETZER – Selbst ist der Patient – Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Bluthochdruck eigenständig in den Griff bekommen

By GRR 0

Es ist inzwischen üblich, dass Patienten mit chronischen Krankheiten selbst die Dosis eines Medikaments bestimmen, zum Beispiel bei Asthma, Zuckerkrankheit oder der Behandlung mit Blutverdünnern. Natürlich nicht willkürlich, sondern gut begründet. Schon bald könnte mit dem Bluthochdruck eine weitere weitverbreitete Störung von Millionen Betroffenen ebenfalls selbst behandelt werden, zumindest in gewissen Grenzen. Und das sogar mit größerem Erfolg als bei einer herkömmlichen Betreuung durch den Hausarzt. Das hat eine britische Studie ergeben.

Richard McManus von der Universität von Birmingham und seine Mitarbeiter teilten gut 500 Bluthochdruck-Patienten jeweils einer von zwei Gruppen zu. Die eine Hälfte maß sich den Blutdruck täglich selbst. War der Wert über einen längeren Zeitraum zu hoch, erhöhten sie die Dosis ihrer blutdrucksenkenden Medikamente nach einem zuvor festgelegten strengen Schema, also nicht etwa nach Lust und Laune. Die andere Hälfte der Patienten wurde vom Hausarzt betreut.

Die im Fachblatt „Lancet“ veröffentlichte Bilanz der Forscher: Das Selbstmanagement des Bluthochdrucks senkte den Blutdruck ansehnlich, anhaltend und besser als die herkömmliche Hausarztbehandlung. Die stärkere Verringerung des Blutdrucks im Vergleich zur Hausarztgruppe entspricht einem um mehr als ein Fünftel gesenkten Schlaganfallrisiko. Die Gefahr einer koronaren Herzkrankheit, also von Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße, wird um mehr als ein Zehntel reduziert.

Das bedeutet aber nicht, dass nun mit einem Mal alle Hochdruckpatienten sich selber kurieren sollten.
Weitere Untersuchungen müssen das Ergebnis zunächst bestätigen. Außerdem setzen Selbstmessung und -behandlung nicht nur besonders eigenständige und gut informierte Patienten voraus, sondern auch einen Bluthochdruck, der einigermaßen im Griff ist.

Ansonsten muss die Behandlung in engen Abständen durch den Arzt erfolgen, um den Blutdruck zu zähmen. Die Wissenschaftler schätzen, dass mindestens jeder fünfte Bluthochdruck-Patient Kandidat für das Selbstmanagement ist. In Deutschland wären das immerhin an die drei Millionen Menschen.

Auch der Bluthochdruck-Spezialist Lars Christian Rump vom Universitätsklinikum Düsseldorf hat schon gute Erfahrungen mit dem Selbstmanagement gemacht. Aber nicht nur. „Viele Patienten machen sich mit der Selbstmessung verrückt“, sagt Rump. „Sie neigen dann dazu, überhastet die Dosis ihrer Medikamente zu ändern.“

Ein Hauptproblem bei der Bluthochdruck-Therapie ist der geringe Dauererfolg. Nur jeder dritte Patient hat einen normalen Bluthochdruck. Viele nehmen ihre Medikamente nicht regelmäßig ein, zudem wird die Wirkung der Mittel durch ungesunden Lebensstil (hoher Salzkonsum, Übergewicht) abgeschwächt.

Mancher Arzt spielt zudem einen in der Praxis festgestellten Bluthochdruck als nicht behandlungswürdig herunter. Gut möglich, dass das Selbstmanagement des Blutdrucks die Erfolgsquote verbessert.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels. Sonntag, dem 11. Juli 2010

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